PodcastGöttlich berauscht

Lesezeit: 3 Min.

Eintauchen in eine jahrtausendealte Geschichte kann man in den Antikensammlungen. Hier die Dionysos-Schale des Exekias (eine Trinkschale aus Ton, um 530 v. Chr.) mit der Darstellung eines griechischen Kriegsschiffes.
Eintauchen in eine jahrtausendealte Geschichte kann man in den Antikensammlungen. Hier die Dionysos-Schale des Exekias (eine Trinkschale aus Ton, um 530 v. Chr.) mit der Darstellung eines griechischen Kriegsschiffes. (Foto: Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München, Renate Kühling)

Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München wollen mit einem eigenen Podcast Geschichte und Hintergründe der Antike lebendig werden lassen. In den ersten Folgen geht es um den Gott des Weines und die Kunst der Liebe, aber auch um Jenseitsvorstellungen und den Tod.

Von Evelyn Vogel

Dionysos, der alte Zecher. Gott des Weines und der Trauben, der Freude und der Fruchtbarkeit, des Rausches, des Wahnsinns und der Ekstase. Bei vielen bekannt und beliebt - wenngleich auch nicht bei allen aus bildungstechnischer Perspektive. Doch selbst wer glaubt, Dionysos gut zu kennen, wird an der ein oder anderen Stelle überrascht aufhorchen, welche Quellen und Bezüge hier zur Sprache kommen. Mit Dionysos haben die Staatlichen Antikensammlungen und die Glyptothek München gleichsam "göttlich berauscht" kurz vor Weihnachten ihren Museumspodcast "Antike Hören" gestartet.

Vier sind inzwischen erschienen: über Dionysos, die Kunst der Liebe ("frivol, freizügig, poetisch"), den Tod im Leben ("Metamorphose, Totenkult und Jenseitsvorstellungen") und "In vino veritas" über Wein, Wahrheit und Wahn. Im Januar und Februar geht es um "Die Olympischen Götter - ideal und unvollkommen, unsterblich menschlich" (5. Jan.),"Frauenpower - Frau des Hauses und Heldin des Kampfes" (19. Jan.), um das "Porträt - getreues Abbild oder gekonnte Inszenierung?" (2. Feb.) und die "Ideale Gestalt - Menschenbilder, Körperkult und nackte Realität" (16. Feb.).

Danach sind die Veröffentlichungen im Monatsrhythmus geplant. Abrufbar ist der Museumspodcast über einen Link auf der Homepage sowie über Spotify. Es sind literarische, philosophische, kunstgeschichtliche und archäologische Streifzüge von der Antike bis in die Gegenwart, konzipiert und gesprochen von der Rezitatorin Barbara Greese und der Kuratorin Astrid Fendt.

"Von Dionysos sing ich", heißt es bei Homer. Und mit dieser Quelle steigen die beiden in ihrem dialogisch gestalteten Podcast auch ein. Erzählt wird von der Geburt (aus dem Schenkel des Zeus) und dem Heranwachsen des jungen Gottes, der sich seinen Platz im Olymp erst sichern muss. Dies gelingt ihm mit seiner Gabe - dem Wein. Rausch und Befreiung, Wahnsinn und Freude, Zerstörung und Inspiration - die Gesichter und Wirkungen des Gottes, der zugleich als Mensch erscheint, sind ambivalent und vielgestaltig. Eine große Rolle spielt seine besondere Verbindung zum Theater und zu den Dichtern.

Wie sehr die "beglückende" Wirkung des Weines zu allen Zeiten besungen wurde, das belegen auch Lobreden von Sokrates, Ovid, Plutarch und Augustinus über Justus von Liebig bis hin zu Goethe, Mann und Borchert. Insbesondere Hölderlin und Nietzsche haben die moderne Rezeption des antiken Mythos des Dionysischen geprägt, wie Barbara Greese betont. Und Astrid Fendt erläutert ausführlich die Dionysos-Schale des Exekias mit der Darstellung eines griechischen Kriegsschiffes. Die Trinkschale aus Ton, entstanden um 530 v. Christus, ist eines der Prunkstücke in den Antikensammlungen München.

Denn natürlich geht es auch darum in dem neuen Podcast: die Objekte der Sammlung vorzustellen, die bei der Herstellung angewandten Techniken, ihre dargestellten Geschichten sowie ihre kunstgeschichtlichen Bedeutungen zu erläutern. So erfährt man in der ersten Folge eben nicht nur viel über Dionysos, sondern auch über die berühmte Trinkschale, die bei Trinkgelagen, den Symposien, zum Einsatz kam. Diese bedeckte zwar das Gesicht des Zechers, aber die beiden aufgemalten Augen schauten die Zechkumpane direkt an und ließen den Trinkenden so in die Rolle des Gottes des Weines schlüpfen.

Aphrodite, die Schaumgeborene, mit der Fächermuschel. Auch auf diese Tonstatuette aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. geht Astrid Fendt im neuen Museums-Podcast "Antike Hören" der Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München ein.
Aphrodite, die Schaumgeborene, mit der Fächermuschel. Auch auf diese Tonstatuette aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. geht Astrid Fendt im neuen Museums-Podcast "Antike Hören" der Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München ein. (Foto: Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München, Renate Kühling)

Herrlich anschaulich auch der Podcast zur Kunst der Liebe. Hier zu hören sind Erzählungen über die schaumgeborene Aphrodite (beziehungsweise Venus, denn auch auf die römischen Pendants wird verwiesen), die ihre Geburt der Entmannung des Uranus verdanken soll, Beschreibungen über die gleichgeschlechtliche Liebe bei Platon und Sappho, Handlungsanweisungen aus der Gedankenwelt Ovids oder auch amouröse Lobreden aus der Feder von Heine, Ringelnatz und Tucholsky. Fendt steuert dank einer Hochzeitsdarstellung auf einer um 510 vor Christus entstandenen Amphore Szenen einer gar wilden Ehe von Hera und Zeus bei.

Die Aufbarung eines Verstorbenen zeigt die Bemalung auf einer um 440 v. Chr. entstandenen Loutrophore in den Antikensammlungen München.
Die Aufbarung eines Verstorbenen zeigt die Bemalung auf einer um 440 v. Chr. entstandenen Loutrophore in den Antikensammlungen München. (Foto: Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München, Renate Kühling)

Auch der Tod spielt im Museumspodcast "Antike Hören" eine Rolle. Denn liegen Genuss und Frust, Lust und Leid, Leben und Tod nicht allenthalben nah beieinander, wie bei Orpheus und Eurydike, deren Geschichte hinunterführt in das Reich des Hades. Und hat man je so lustvoll einer so grausamen Todeshatz zugehört wie der von der Katze und der Maus von Tucholsky? Anhand einer Auswahl von Objekten und Texten aus mehr als zweieinhalb Jahrtausenden entfalten Barbara Greese und Astrid Fendt hier ein vielschichtiges Panorama zwischen Memento Mori und Carpe Diem.

Auch wenn man sich hin und wieder wünscht, die Autorinnen würden die Zitate mehr anmoderieren oder paraphrasieren oder dass gelegentlich ein "Weniger ist mehr" zu seinem Recht käme - auf weitere unterhaltsame wie lehrreiche Folgen kann man sich freuen.

Museumspodcast "Antike Hören", abrufbar über Spotify oder die Homepage der Antikensammlungen .

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: