Pleitewirt Michael Beck:Big in Manila

"Ich bin nicht geflüchtet, ich bin aus Eitelkeit gegangen" - das zweite Leben des Pleitewirts Michael Beck als Delikatessen-King in Manila.

Ann-Kathrin Eckardt

Plötzlich war er weg. Von einem Tag auf den anderen. Am Dienstag hatte er sich beim Spiel FC Bayern gegen AC Mailand in der Allianz Arena noch ein letztes Mal blicken lassen. Bedrückt habe er in seiner Loge gesessen, berichteten Freunde später den Reportern.

Pleitewirt Michael Beck: 812 Tage sind seit seiner Flucht vergangen: Michael "Michi" Beck - Bratwurstkönig, Wiesnwirt, Schwergewicht der Münchner Society und am Ende Pleitier.

812 Tage sind seit seiner Flucht vergangen: Michael "Michi" Beck - Bratwurstkönig, Wiesnwirt, Schwergewicht der Münchner Society und am Ende Pleitier.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Michael "Michi" Beck - Bratwurstkönig, Wiesnwirt, Schwergewicht der Münchner Society und am Ende Pleitier - genau 812 Tage sind seit seiner Flucht vergangen. Die Polizei hat den 47-Jährige nie geschnappt, obwohl inzwischen die ganze Stadt weiß, wo er steckt. Denn Ende vergangenen Jahres tauchten Fotos im Internet auf: Beck mit weißer Mütze und weißem Kittel. Lächelnd. Ein Fleischermesser in der Hand. Vor ihm ein Braten. Aus Michi ist jetzt Mickey geworden. Aus dem Bratwurstkönig ein Delikatessen-King. Mitten in Manila.

Der Michi ohne München? München ohne den Michi?

"Der kimmt scho wieder", sagten die, die ihn kannten. Denn der Michi, seine Bratwürste, sein Bentley und seine gelegentlichen Wutausbrüche gehörten zum Inventar der Stadt. So wie Veronica Ferres, das Glockenspiel oder der FC Bayern. Der Zwei-Meter-Mann hatte einfach alles, was man so braucht, um ein echter Münchner zu sein: einen Vater, einen Großvater und sogar einen Urgroßvater aus München, eine eigene Metzgerei, Freude an exzessiven Champagnerpartys im P1, ein eigenes Zelt auf der Wiesn und kurzzeitig sogar drei Restaurants in bester Lage, das "Nürnberger Bratwurst Glöckl am Dom", das "Augustiner am Dom" und das "Thaifoon". Vor allem das Glöckl, seit 1893 im Besitz der Familie, zählte zu den umsatzstärksten Gaststätten der Innenstadt.

Doch 2003 musste Beck das schmucke Haus neben der Frauenkirche wegen finanzieller Schwierigkeiten an die Augustiner Brauerei verkaufen. Trotzdem erfüllte er sich und seiner philippinischen Frau Nadja mit dem "Thaifoon" einen langgehegten aber kostspieligen Traum. Das Restaurant floppte. Die Schulden wuchsen. Doch Beck wahrte den Schein, feierte weiter, großspurig und spendabel wie immer - bis Ende Februar 2006.

Big in Manila

Einen Tag vor einem Krisengespräch mit der Augustiner Brauerei meldete er Insolvenz an und verschwand samt Frau und den drei Kindern. Die Polizei durchsuchte sein Büro, die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Untreue und Insolvenzverschleppung, seine Anwälte beschwichtigten die Gläubiger, und die Boulevard-Presse spekulierte über seine Flucht: Beck in Dubai? Beck auf den Philippinen? Oder doch noch in München?

Nicht das schlechte Gewissen, sondern der Stolz trieb ihn zur Flucht

"Ich bin überhaupt nicht geflüchtet, ich bin aus Eitelkeit gegangen", sagt Beck. Lange habe er gezögert. Eigentlich will er nicht mehr über damals sprechen. Über den Absturz, über die Koffer voller Geld, die er mitgenommen haben soll, über die vier Millionen Euro, die er verloren hat. "Das hat verdammt weh getan." Aber schuldig? Nein, schuldig fühlt er sich nicht. "Ich habe kein Verbrechen begangen. Ich habe mich verschätzt." Nicht das schlechte Gewissen, sondern der Stolz habe ihn ins Ausland getrieben. "Wäre ich geblieben, hätten sich doch alle über mich kaputtgelacht. Welches Restaurant, welche Metzgerei hätte einen wie mich denn noch genommen?"

Also bereitete er seine Kinder auf einen "längeren Urlaub" vor, brachte den Hund bei einem Freund unter und fuhr ein letztes Mal mit seinem Bentley. Am Flughafen ließ er ihn stehen. Und während seine Pleite zum Stadtgespräch wurde, begann 10.000 Kilometer entfernt das neue Leben des Promi-Gastronoms - auf einer Luftmatratze, am Boden, neben dem Bett der Schwiegereltern.

Die ganze Familie in einem Zimmer. Kein Geld. Kein Auto. Wasser statt Champagner. Doch Beck wäre nicht Beck, wäre ihm nicht schnell eine neue Geschäftsidee gekommen: ein europäischer Feinkostladen mit Restaurant. Ein paar Investoren gefiel das Konzept. Seit vergangenem August ist er nun wieder sein eigener Wirt - oder zumindest Geschäftsführer: "Mickey's Delicatessen" prangt in roter Schrift über dem Laden in der Jupiter Street.

Deutsches Bier und Bratwürstl

Spätestens um sechs Uhr beginnt sein Tag. Etwa 40 Wurstsorten stellt er in seiner eigenen Metzgerei her. 45 Käsesorten importiert er aus Frankreich. Dazu gibt's frisches Baguette und deutsches Bier, Bratwürstl und Kaiserschmarrn. Kritiker haben "Mighty Mickey's" bereits in die Delikatessen-Top Ten der Stadt gewählt. Neben der Speisekarte erinnern ein Foto seines Urgroßvaters, ein paar Zinndeckel an der Wand und eine offene Feuerstelle an alte Zeiten. Doch Heimweh kommt bei Beck trotzdem nicht auf: "Mir fehlen weder das Glöckl noch die Wiesn."

Big in Manila

"Das glaub ich ihm nicht", sagt Werner Hochreiter und lacht. Der 39-Jährige hat nach Becks Pleite dessen Bratwurstzelt auf dem Oktoberfest übernommen. Vermutlich weiß er, dass sich sein Spezl in der Vergangenheit nicht immer als absolut wahrheitsgetreuer Redner erwiesen hat. Doch Glöckl hin, Wiesn her: Als neulich auf der Deutschen Welle ein paar Bilder von München zu sehen waren, stand sofort die ganze Familie vor dem Fernseher. Überhaupt beobachtet Beck noch genau, was in der Heimat vor sich geht. Alle Zeitungsartikel, die über ihn erscheinen, lässt er sich angeblich faxen.

Auch der "neue preußische Einschlag" auf der Speisekarte des Glöckl ist ihm nicht entgangen. "Da gibt's jetzt tatsächlich böhmische Wochen. So ein Schmarrn!" Früher hätte er sich darüber noch richtig aufregen können. Heute sind das Kleinigkeiten. Die Pleite, sagt er, habe ihn verändert. "Früher war mir der Bentley wirklich was wert, da musste ich protzen. Heute brauch' ich das nicht mehr." Jetzt fährt er einen alten Mazda. Und für ein paar Wochen verzichtet er sogar gerade auf Alkohol.

"Alle wollen, dass ich zurückkomme"

Doch trotz neuer Bescheidenheit: Freuen, ja das tut er sich natürlich schon über die "vielen Auszeichnungen", die sein neuer Laden schon bekommen hat und erst recht über die "vielen Mails von Stammgästen und Freunden, die alle wollen, dass ich zurückkomme". Besonders im Glöckl ist der alte Wirt noch omnipräsent. "Keiner konnte alles so gut und so schlecht wie der Michi", ist sich der Männerstammtisch hinten im Eck einig. "Er fehlt uns. Er war ein echtes Unikat."

Doch auch aus einem anderen Grund redet man hier noch viel über Beck: Die Erlöse des Glöckls sollen beim Abschluss des Insolvenzverfahrens die Forderungen der Gläubiger begleichen - zumindest zum Teil. "Ich schätze im Moment, dass wir vermutlich mehr als 60 Prozent der Forderungen erfüllen werden", sagt Insolvenzverwalter Axel W. Bierbach. Aber das wird voraussichtlich noch ein bis zwei Jahre dauern.

Die Fans werden sich noch eine Weile gedulden müssen, bis sie ihren Michi wiedersehen. Denn auch die Münchner Staatsanwaltschaft hat ihn noch nicht ganz vergessen. Ob denn noch ein Haftbefehl vorliege? Doch dazu will Staatsanwaltschafts-Sprecher Anton Winkler nichts sagen: "Das bleibt geheim." Sollte Mickey Beck dennoch eines Tages zurückkehren, dann sollte er unbedingt während der Wiesn kommen und seinem alten Zelt einen Besuch abstatten. In einer Ecke hängen dort fünf Fotos, ein Trachtenhemd und eine Lederhose, Größe XL - in Erinnerung an Michi Beck.

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