Es ist eine wundervolle Idee, die Laura Olivi hatte und mit unermüdlicher Hartnäckigkeit auch umsetzte. Die Theater, noch mehr die Opernhäuser klagen seit Jahren über einen Mangel. Mangel an Stoffen, die auch jüngere Menschen interessieren, da sie von jüngeren Menschen stammen. Olivi weiß, wie Theater funktioniert, sie war 20 Jahre lang Dramaturgin am Residenztheater, zuvor an den Kammerspielen. Dann wechselte sie ans Institut der Theaterwissenschaft der Ludwig-Maximilians-Universität und erfand dort ihr Nachwuchslabor. "Playlist" fand, nach der Premiere im Mai dieses Jahres nun zum zweiten Mal auf der Studiobühne der Theaterwissenschaft am Kosttor statt.
Ihre eigenen Studierenden animierte sie, kurze Szenen zu schreiben und der Mentorenschaft von Falk Richter anzuvertrauen. Dann stellte sie Verbindungen zur Musikhochschule her, die Schreibenden trafen junge Menschen, die Komposition studieren. Sie fanden sich. Bei der ersten Ausgabe von "Playlist" waren noch einige reine Sprechszenen dabei, jetzt gibt es immer Musik. Mal hingetupft, wie eine Einfärbung der Worte, mal elektronisch, mal als große Opernszene, nur mit Klavier, aber viel Gesang: "Eine kurze Verhandlung der Europäischen Union" (im Original mit französischem Titel) von Konstantin Kunze (Text) und Andres Hernandez (Musik) ist eine scharfe, konzentrierte Farce auf politische Entscheidungsfindungen, bei denen jeder auf keinen Fall weniger haben will als die anderen.
Ein zauberhafter Raum - mit Betttüchern als Leinwänden
60 Menschen wirken mit, alle studieren (bis auf zwei Ensemblemitglieder der Kammerspiele). Die einen lernen ihr Instrument oder das Singen an der Musikhochschule, die anderen lernen Schauspiel und Regie an der Otto-Falckenberg-Schule, dazu die Theaterwissenschaftler. Heraus kamen neun Szenen, keine länger als 15 Minuten, präsentiert von einem Vierer-Regieteam, das einen zauberhaften Raum schafft, mit Betttüchern als Leinwänden, darauf projiziert Filme, vorher entstanden oder live entstehend, mit einem Comic-Filter, was dann so wirkt wie Zeichentrick mit echten Menschen.
Einige der Skizzen sind Verheißungen auf etwas Großes. Etwa "Sag mir wer ich bin" von Daria Welsch und Mark Piasetskii über den Verlust von Heimat und Identität, die Musik von Danielle Lurie zu einer groß angelegten Skizze über Erinnerungen an eine gar nicht schöne Kindheit ("Flashback") oder die Musicaljazzoper "A Man-kind" von Celina Larab (Text) und Johannes Obermeier: Gott erfindet die Menschheit in alten Rollenparametern neu, doch dann kommt ein umwerfender feministischer Teufel, Isabella Gantner. Diese Mephista rappt und singt, kündet von weiblichen Stolz - widersprechen wird ihr in diesem Moment niemand. Das ist lustig, vieles ist dies nicht. Die Hälfte der Stücke handelt von Zukunftsängsten, Missbrauch, Kindheitstraumata, Depression und Gedanken an Suizid (im Programmheft wird auf in dieser Hinsicht helfende Einrichtungen verwiesen). Es ist erstaunlich, weil "Playlist" ein aufgefächertes Generationenporträt der Anfang-Zwanzigjährigen ist. Hier erspürt man, was die umtreibt.