Platzmangel in Schulen:Sportunterricht im Keller

Lesezeit: 4 min

In der Turnhalle des Albert-Einstein-Gymnasiums fehlt es an Platz. Daher müssen die Schüler in den Kellergängen Tischtennis spielen. (Foto: Florian Peljak)

Verschimmelte Geräte, Löcher im Boden oder gar kein Platz für Sportunterricht: Viele Münchner Turnhallen sind sanierungsbedürftig. Die Stadt findet, sie habe alles im Griff.

Von Anne Kostrzewa, München

Wenn am Albert-Einstein-Gymnasium der Stundenplan für das nächste Halbjahr entworfen wird, hat der Sportunterricht immer oberste Priorität. Nicht, weil am Harlachinger Gymnasium Sport wichtiger wäre als Mathe oder Deutsch. Sondern weil es anders einfach nicht geht. "Wir haben nur zwei Sporthallen, oft haben aber vier und mehr Klassen parallel Sport", sagt der stellvertretende Schulleiter Benno Fischbach. "Das schränkt den gesamten Stundenplan ein."

Schulen in München
:Wer im Bildungsdschungel was zu sagen hat

Der eine ist der Chef, obwohl andere über ihn bestimmen. Der andere hat nichts zu sagen, dabei dreht sich alles um ihn. Und dann gibt es noch die im Hintergrund, die die heimlichen Herrscher sind. Ein Überblick.

Von Melanie Staudinger und Ilona Burgarth, Grafik

Was Benno Fischbach beschreibt, lässt das Ausmaß des Problems nur erahnen - und das Albert-Einstein-Gymnasium steht damit nicht allein. Die Stadt wächst immer weiter, der Ausbau der Schulen kommt aber nicht hinterher. In vielen Münchner Schulen sind die Turnhallen bis an ihre Grenzen ausgelastet. Bis 2020 will die Stadt mit ihrem Schulbauprogramm Abhilfe schaffen. Aus dem Referat für Bildung und Sport (RBS) heißt es dazu: "Für die geplanten Schulneubauten sind die Sporthallenkapazitäten so geplant, dass der Schulsport gesichert ist." 34 Turnhallen sollen entstehen oder an bestehende Hallen angebaut werden. Und bis dahin?

Anmietung von insgesamt 25 zusätzlichen Vereinshallen

Aus Sicht des Referats gibt es da keine Probleme. Der Schulsport sei "sichergestellt", auch durch die Anmietung von insgesamt 25 zusätzlichen Vereinshallen. Am Albert-Einstein-Gymnasium sieht es nicht danach aus. Bis einschließlich der elften Stunde, bis kurz nach 17 Uhr also, sind die Sporthallen täglich ausgebucht, nur am Freitagnachmittag sind noch ein paar Stunden frei. Die können aber nicht belegt werden, weil dann zu große Lücken im restlichen Stundenplan entstünden. "Und die Situation verschärft sich immer weiter, weil immer mehr Schüler kommen", gibt Co-Rektor Benno Fischbach zu bedenken.

Platz für alle Klassen ist schon jetzt nicht mehr. Im Sommer ist das weniger schlimm, dann nutzen die Kinder die Sportanlage auf dem Schulhof. Im Winter ist der große Rasenplatz aber zu weich. Die umlaufende Tartanbahn scheidet bei schlechtem Wetter auch aus, dann ist sie zu rutschig.

Bleibt noch die Schwimmhalle. An mehreren Tagen der Woche darf die Schule Bahnen im Schwimmbad Giesing-Harlaching nutzen, zwei Kilometer von der Schule entfernt. Mit Fahrtzeiten, Umziehen, Geräteholen, Duschen und Haare föhnen bleiben von einer Doppelstunde kaum mehr als 40 Minuten Zeit zum Schwimmen, sagt Fischbach. "Ideal ist das auch nicht." Und selbst mit der Schwimmhalle sind nicht alle 850 Schüler unterzubringen. Sport-AGs sind unter diesen Umständen fast unmöglich. Das Basketballteam trifft sich um sieben Uhr in der Früh, nur dann ist Platz in der Halle.

Tischtennisraum im Keller

Statt mit Volleyball oder Hockey verbringen viele Schüler ihre Sportstunden notgedrungen im Tischtennisraum, der sich im Keller befindet, was für Sportlehrer und Fachbetreuer Garry Heimerl ein echtes Problem ist: "Ein lehrplanmäßiger Unterricht ist hier nicht möglich, weil wir einfach keinen Platz haben." Eine ganze Gruppe passt nicht in den Tischtennisraum, drei weitere Platten sind im Flur aufgebaut. Eigentlich ein Fluchtweg - aber nach dem Unterricht würden die Platten immer wieder zusammengeklappt und an die Seite gestellt, versichert Fischbach.

Deutsch-französische Schule
:Lernen wie Gott in München

Die Grundschule dauert fünf Jahre, in den Zeugnissen stehen Noten von A bis D und manche Mitschüler haben prominente Eltern - das Lycée Jean Renoir hat in München eine lange Tradition. Dennoch muss es in Zukunft um Schüler werben.

Von Oliver Hochkeppel

Dass das Platzproblem in den Turnhallen den gesamten Stundenplan bestimmt, hat auch mit der Geschlechtertrennung im Sportunterricht zu tun. Buben und Mädchen haben getrennt Sportunterricht, aber nur selten sind die Geschlechter in den Klassen gleichmäßig verteilt. Für die Stundenplanung heißt das: Um zum Beispiel eine Gruppe von 30 Mädchen - so viele passen in eine Halle - zusammenzubekommen, werden mehrere Klassen eines Jahrgangs zusammengelegt. Weil dann aber mehr Jungen übrig bleiben als in die andere Halle passen, werden die Buben in diesen Stunden in Fächern wie Erdkunde oder Geschichte unterrichtet - und umgekehrt dann die Mädchen, wenn die Buben Sport haben.

Zumindest dieses Problem bleibt dem Sophie-Scholl-Gymnasium am Luitpoldpark als reine Mädchenschule erspart. Was beengte Verhältnisse im Sportunterricht angeht, kann die Schule aber durchaus mitreden, wenn auch nur temporär: Ein Leck in einer Fernwärmeleitung hatte vor Kurzem einen Wasserschaden in der großen Turnhalle verursacht. Bis das behoben ist, müssen die Schülerinnen draußen Sportunterricht machen oder in die Halle des benachbarten Willi-Graf-Gymnasiums ausweichen.

Trägerschaft der Schulen
:Konkurrenz belebt das System

Betreuung, Förderung, Angebote: Nicht nur der Freistaat, sondern auch die Stadt München betreibt Gymnasien und Realschulen. Vielen Eltern ist das nicht bewusst - dabei setzt die Stadt an den Schulen eigene Akzente.

Von Melanie Staudinger

Auch die Schüler des Maxgymnasiums an der Münchner Freiheit sind auf Ausweichquartiere angewiesen. Im September hatte der Dachstuhl ihrer Turnhalle Feuer gefangen, Fenster zerbarsten durch die Hitze. Wie es zu dem Brand kam, ist noch immer nicht geklärt. Die Schüler haben derzeit in Vereinshallen Sportunterricht. Im Januar soll ihre Halle wieder in Benutzung gehen, heißt es beim Referat für Bildung und Sport, zumindest provisorisch. Das Dach sei mittlerweile "witterungssicher geschlossen", sagt eine Sprecherin, neue Glasscheiben seien bestellt. Der Boden, der beim Feuerwehreinsatz durch Löschflüssigkeit Schaden genommen hat, wurde aber bislang nur notdürftig repariert. Voraussichtlich in den Osterferien gehen die Bauarbeiten weiter. Ärgerlich: Erst im vergangenen Jahr war der Hallenboden aufwendig saniert worden.

"In unseren Sportstunden ist einiges an Phantasie gefragt"

Ersatzhallen für die Übergangszeit zu finden, war für die Stadt doppelt schwierig, weil auch das Oskar-von-Miller-Gymnasium die Sporthalle des Maxgymnasiums nutzt. "Momentan ist es sehr mühsam", sagt Schulleiter Peter Schwartze. "In unseren Sportstunden ist einiges an Phantasie gefragt." Wann immer es das Wetter zulässt, gehen die Klassen nach draußen. "Sehr viele Ersatzmöglichkeiten haben wir nicht zur Verfügung gestellt bekommen", sagt Schwartze. Randstunden müsse er deshalb, gerade bei schlechtem Wetter, schon manchmal ausfallen lassen.

Diese Situation droht wohl bis zum groß angelegten städtischen Schulausbau noch einigen Schulen. Viele Hallen sind durch jahrzehntelanges Getrappel von Kinderfüßen auch ohne Brände oder Wasserschäden sanierungsbedürftig. Nur ein Beispiel ist die Grundschule an der Fröttmaninger Straße. Die Turnhalle wird von August 2015 bis September 2017 für eine Sanierung geschlossen.

Auch am Albert-Einstein-Gymnasium müssten die Hallen dringend erneuert werden. In der einen sind bereits deutliche Risse im Boden zu erkennen. Läuft man darauf, gibt der Belag spürbar nach. In der Sporthalle im Untergeschoss ist der Boden stellenweise aufgequollen und wölbt sich nach oben. Ein morsches Fundament, vermutet Schulleiter Fischbach. Im Geräteraum sei bereits Ausrüstung verschimmelt, weil das Raumklima nicht mehr stimme. Im Boden der unteren Halle stehen auch die Abdeckungen der Löcher hervor, in denen Netzpfosten oder Reckstangen montiert werden - eine permanente Stolperfalle für die Schüler. "Natürlich wünschen wir uns eine Sanierung", sagt Co-Rektor Fischbach. "Aber in dieser Zeit wäre der Sportunterricht noch komplizierter. Für die Schüler wäre das dann wirklich fürchterlich."

© SZ vom 09.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: