Verschmutzung der Ozeane:Mit neuer Technik gegen die Plastikflut

Lesezeit: 5 Min.

Sebastian Porkert will Mikroplastik aus dem Abwasser holen - damit weniger in der Natur landet.

Von Pia Ratzesberger

Es ist jetzt schon ein paar Jahre her, dass Sebastian Porkert in einem Restaurant auf einer Insel im Süden Chinas saß, vor ihm das Meer. Es hätte ein Ort sein können, von dem man den Freunden zu Hause später vorschwärmt, von dem Tisch direkt am Wasser, von den Garnelen und von den Muscheln. Doch wenn Sebastian Porkert heute von dem Restaurant erzählt, spricht er vor allem vom Plastik. Der Kellner brachte ihm einen großen Teller, in Folie eingeschweißt, auch eine Schale und einen Becher, in Folie verpackt. Er räumte das Geschirr nach dem Essen zwar ab, die Folien aber schlug er ins Tischtuch ein und warf das Bündel ins Meer, noch vor den Augen seiner Gäste.

Es ist eine von vielen Geschichten, die Sebastian Porkert, 34 Jahre alt, von seinen Reisen erzählen kann und sie handeln alle vom Plastik im Wasser. Er war einmal in der Nähe der Insel Borneo zu einem Tauchgebiet unterwegs, eine dreiviertel Stunde dauerte die Fahrt mit dem Boot. Eine halbe Stunde fuhr er durch Plastikflaschen. Er war einmal mit seiner Familie in Thailand, die Wellen schwemmten Spritzen aus Plastik an den Strand. Er reiste zu den Cookinseln, ans Ende der Welt, sagt er selbst. Auch dort sah er die Flaschen im Wasser.

Fünf bis dreizehn Millionen Tonnen Plastik sollen Schätzungen zufolge auf der Welt in einem Jahr ins Meer gelangen. (Foto: Mike Nelson/dpa)

Fünf bis dreizehn Millionen Tonnen Plastik sollen Schätzungen zufolge auf der Welt in einem Jahr ins Meer gelangen. Das liegt unter anderem daran, dass nicht alle Länder ein funktionierendes Abfallsystem haben, dass Menschen ihren Müll in die Flüsse oder in die Ozeane werfen und dass der Wind den Abfall von offenen Deponien ans Wasser trägt. In Deutschland wird nur wenig Plastikmüll deponiert, aber hierzulande spielt zum Beispiel der Abrieb von Autoreifen eine große Rolle, und die Kläranlagen können zwar das meiste, aber eben doch noch nicht alles feine Plastik aus dem Abwasser filtern. Das will Sebastian Porkert jetzt ändern.

Ihm ist bewusst, dass er nur einen kleinen Teil zur Lösung des Problems beitragen kann, wenn überhaupt. Aber er will es zumindest versuchen.

Wenn man den Gründer von Ecofario treffen will, lädt er einen in das Büro einer anderen Firma ein, einem befreundeten Start-up in Ottobrunn. Dort besprechen sich die Mitarbeiter der anderen Firma gerade, und in einer Sitzecke am Fenster haben Sebastian Porkert und seine drei Kollegen ihr Modell aufgebaut. Eine Konstruktion aus Rohren. Porkert sagt dann: "Es ist eigentlich ein extrem dummes Bauteil." Ein einfaches Bauteil zumindest, für das er aber immerhin ein Patent bekommen hat. Denn seine Idee könnte dabei helfen, nicht nur mehr Mikroplastik aus dem Abwasser zu holen, sondern das vor allem auch schneller und günstiger zu schaffen.

Schon heute sollen moderne Kläranlagen mehr als 98 Prozent des Mikroplastiks filtern können, was jedoch nicht bedeutet, dass nicht noch immer eine Menge Kunststoff im Wasser verbleibt. Von einer Kläranlage in Schottland berichteten Wissenschaftler zum Beispiel, dass an einem Tag von dort aus 65 Millionen feine Plastikteile in die Gewässer gelangen. In Kläranlagen braucht es außerdem viel Druck, wenn das Wasser durch die Filter gedrückt wird. Das kostet Energie, das kostet Geld. Wenn es nach Sebastian Porkert geht, wird das in Zukunft anders sein.

Er hat sich lange Zeit in seinem Leben überhaupt nicht mit Plastik beschäftigt, sondern vor allem mit Papier. Er hat Papiertechnik studiert, in dem Fach auch promoviert. Und wenn Porkert anfängt, über Papier zu reden, sagt er zum Beispiel: "Das ist ein ultrageiler Werkstoff." Bei seiner Arbeit bekam Sebastian Porkert mit, wie sich im Altpapier immer mehr Kunststoff fand, nicht nur wegen der beschichteten Papiere, sondern auch wegen der Papiertüten mit durchsichtiger Folie, die man zum Beispiel beim Bäcker bekommt. Er fragte sich, was mit dem Abwasser aus den Papierfabriken passiere, in dem noch immer viel von dem feinen Plastik schwimme - und kam so auf die Idee für eine neue Technik für Kläranlagen.

Er kniet sich jetzt über einen Eimer voller Wasser und schaltet die Pumpe an. Sie beginnt zu brummen, das Wasser fließt durch die Rohre, mit kleinen weißen Kugeln aus Mikroplastik, wie man sie aus Duschpeelings kennt. Das Besondere an der Konstruktion ist ein Rohr in der Mitte, der sogenannte Hydrozyklon. Er macht sich die Zentrifugalkraft zu Nutze, also die Kraft, die in Bewegungen im Kreis entsteht, dadurch kann er leichte und schwere Teile voneinander trennen. Diese Technik ist erst einmal nichts Neues und wird für viele andere Zwecke verwendet, aber Porkert und seine Kollegen haben den Hydrozyklon so verändert, dass er das Mikroplastik besser aus dem Wasser filtern könnte. Wenn man beobachtet, wie das Wasser durch die Rohre fließt, erkennt man tatsächlich, dass sich am oberen Ende des Hydrozyklons mehr Kugeln im Wasser finden als unten. In einer Kläranlage würde das obere Wasser voller Plastik dann wieder und wieder durch die immer gleiche Konstruktion geleitet werden, bis es so sauber wie möglich ist.

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Sebastian Porkert sagt: Von einem Prozent Mikroplastik, das die Kläranlagen bislang nicht filtern können, bekomme er 95 Prozent dieses einen Prozents heraus.

Er stellt die Pumpe wieder ab, das Wasser beruhigt sich. Das Brummen verstummt. Der Prototyp ist noch deutlich kleiner, als er in einer Kläranlage sein müsste. Porkert und seine drei Kollegen versuchen gerade Geld über Crowdfunding einzusammeln, um eine erste richtige Pilotanlage zu bauen. Nur knapp 9000 US-Dollar kamen bislang zusammen, dabei haben sie mehr als 660 000 US-Dollar als Ziel angegeben: "Es ist nicht so, dass wir ohne Risiko fahren."

Mit seinem Unternehmen hat Porkert schon Wettbewerbe gewonnen, einmal ein Preisgeld in Höhe von zehntausend Euro. Er und sein Kollege Adrian Scholl haben mittlerweile viel eigenes Geld investiert, von Erspartem bis zum Erbe, insgesamt hunderttausend Euro. Nebenbei arbeitet Porkert noch immer als Berater für die Papierindustrie, sein Kollege Scholl in dem befreundeten Start-up, in dessen Büro der Prototyp steht. Sollten sie bis Ende 2020 tatsächlich wie geplant eine große Anlage bauen, sollten sie mit einem mobilen Versuchsstand zu den Kläranlagen fahren, zu den Papierfabriken und der Autoindustrie, um für ihre Idee zu werben, könnten sie kaum mehr Zeit für diese Jobs haben. Vor allem, wenn es in der Zukunft Grenzwerte für Mikroplastik im Wasser geben sollte, über die schon heute debattiert wird.

Noch mehr Verbote von Produkten aus Einwegplastik? Porkert sagt: "Gerne!"

Der Markt für einen neuen Mikroplastikfilter wäre theoretisch groß, weil nicht nur Kläranlagen möglichst sauberes Abwasser produzieren müssen, sondern auch die Industrie. Sebastian Porkert hat ausgerechnet, dass mit den bisherigen Filtern der Kubikmeter Wasser momentan zwischen 35 und 70 Cent kostet. Seine Anlage käme ihm zufolge auf acht bis zehn Cent pro Kubikmeter. Er sagt: "Wir wollen die Anlagen hinstellen und dann sollen die erst einmal Jahrzehnte halten." Er und seine Kollegen wollen mit nachhaltigen Materialien bauen, auch wenn ihnen manche interessierte Investoren geraten hatten, zu den Anlagen doch auch gleich noch einen Kundenservice zu verkaufen, der dann immer wieder Geld einbringe. Sebastian Porkert hält davon nichts. Er will nachhaltige Anlagen bauen, die dabei helfen, dass weniger Plastik in der Natur endet. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Sebastian Porkert ist niemand, der alles Plastik verdammt. Er weiß, was den Kunststoffen zu verdanken ist, welchen Lebensstandard sie überhaupt erst möglich machten. Er spricht vom Plastik als Rückgrat unserer Zivilisation. Doch den unnötigen Plastikmüll will er reduzieren, gerade weil er weiß, wie schwer das ist, weil er selbst zu Hause immer noch viel zu viel davon sammelt, Woche für Woche. Noch mehr Verbote von Produkten aus Einwegplastik? Porkert sagt: "Gerne!"

Er ist am Ammersee groß geworden und wohnt auch heute noch dort, in einem Haus am See, mit seiner Frau und seinen zwei Kindern und acht Hühnern.

Wenn er aus dem Fenster schaut, sieht er über den Garten hinweg aufs Wasser. Das Mikroplastik sieht er nicht. Was nicht bedeutet, dass es nicht da wäre.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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