Planegg:Heimleiter will sexuellen Missbrauch nicht vertuscht haben

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Das Evangelische Alten- und Pflegeheim in Planegg. (Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Ein Altenpfleger hat in einem Pflegeheim in Planegg demente und wehrlose Frauen sexuell missbraucht. Der Mann wurde vom Landgericht München I zu vier Jahren Haft verurteilt.
  • Der Heimleiter übernimmt die Verantwortung und bereut es, keine Anzeige erstattet zu haben, nachdem er von dem Missbrauch erfuhr.
  • Konsequenzen werden bisher nicht aus dem Verhalten der Planegger Heimleitung gezogen.

Von Christian Deussing

Er würde jetzt anders handeln und sofort Strafanzeige erstatten. Das versichert der Leiter des Evangelischen Alten- und Pflegeheims in Planegg, Ulrich Spies. Der 63-Jährige wehrt sich gegen Vorwürfe, etwas vertuscht zu haben und kämpft um seinen Ruf. In seiner Einrichtung hatte ein Altenpflegehelfer demente und wehrlose Frauen sexuell missbraucht.

Heinz G. wurde deshalb am Landgericht München I zu vier Jahren Haft verurteilt. Doch sämtliche Straftaten kamen vor 13 Monaten erst ans Licht, als ein anonymer Anrufer einen sexuellen Übergriff an einer 92-jährigen Bewohnerin meldete. 15 Tage später stellte sich der 58-jährige Pflegehelfer selbst der Polizei und gestand bald darauf noch schlimmere Missbrauchsfälle.

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Heimleiter Spies bereut es, damals nicht Anzeige erstattet zu haben, als ihm berichtet worden war, dass eine Altenpflegerin den Kollegen beim Küssen der halbnackten Seniorin ertappt hatte. "Ich hatte es nicht auf dem Schirm, die Polizei einzuschalten", rechtfertigte sich Spies am Dienstag im Gespräch mit der SZ.

Und warum wurde Heinz G. noch ein Zeugnis ausgestellt, in dem sein Fleiß und Eifer gelobt und ihm ein "einwandfreies" Verhalten attestiert wird? Das sei sicher auch "keine Glanzleistung gewesen", entschuldigt sich Spies. Doch er habe mit dem sofortigen Aufhebungsvertrag "Schaden und Gefahr von seinem Heim abwenden" wollen. Das Zeugnis habe jedoch nicht er unterschrieben, sondern seine Stellvertreterin.

Trotzdem übernimmt Spies als Heimchef die Verantwortung. Dem Diplom-Sozialpädagogen ist mittlerweile bewusst, seinerzeit gegen die Fürsorgepflicht verstoßen zu haben. "Es herrschte aber so viel Aufregung und Hektik, dass die Fehler leider unterlaufen sind." Denn ohne den anonymen Anrufer, der womöglich aus der Belegschaft stammt, hätte der Altenpflegerhelfer vielleicht jetzt in einem Seniorenheim gearbeitet, wo die Bewohner und der Arbeitgeber arglos gewesen wären.

Schulungen zu sexueller Gewalt und Präventionen

Spies erklärt, aus dem schlimmen Fall Heinz G. gelernt zu haben, den er über fast sieben Jahre hinweg als "unauffälligen und freundlichen Mitarbeiter" eingeschätzt habe. Nun aber sei er bei Bewerbungen oder Mitteilungen aus dem Hause kritischer und hellhöriger. Spies berichtet, deswegen auch sofort Strafanzeige erstattet zu haben, nachdem im Zuge des Prozesses gegen Heinz G. eine Angehörige von Problemen ihrer dementen Mutter erzählt habe. Es ist offenbar möglich, dass der Mann auch diese Bewohnerin unsittlich angefasst hat.

Seit den Missbrauchsfällen bestehe ein "offener und enger Informationsaustausch" zwischen dem betreffenden Pflegeheim und der Heimaufsicht, erklärte auf Anfrage eine Sprecherin des zuständigen Landratsamtes München. Es habe zudem spezielle Schulungen zu sexueller Gewalt und Präventionen sowie Befragungen und Angehörigenabende gegeben. Es müssten bislang keine Konsequenzen aus dem Verhalten der Planegger Heimleitung gezogen werden, so die Sprecherin.

Das betont auch der Pressesprecher der Inneren Mission als Heimträger, Klaus Honigschnabel. Er verweist auf die schnelle Suspendierung des Pflegers mit aufgehobenem Vertrag, was arbeitsrechtlich sinnvoller als eine fristlose Kündigung gewesen sei. Allerdings wäre die Heimleitung verpflichtet gewesen, eine Anzeige gegen den Mitarbeiter zu erstatten, sagt Planeggs Polizeichef Siegfried Janscha.

© SZ vom 01.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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