Süddeutsche Zeitung

Plagiatsvorwurf an der LMU:Vorsingen mit Nachspiel

Hat ein Wissenschaftler in seinem Bewerbungsvortrag für einen Lehrstuhl an der LMU plagiiert? Der Autor eines Fachartikels erhebt schwere Vorwürfe. Und der unterlegene Bewerber hat rechtliche Schritte eingeleitet.

Von Sebastian Krass

Die Besetzung eines Lehrstuhls der Fakultät für Psychologie und Pädagogik an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) hat nun ein juristisches Nachspiel. Der unterlegene Bewerber hat nach eigenen Angaben über eine Anwältin Einsicht in die Unterlagen der Berufungskommission beantragt. "Ich möchte die Protokolle unbedingt lesen", sagt der Wissenschaftler. Er erhofft sich Aufschluss darüber, ob es Unregelmäßigkeiten in dem Berufungsverfahren gab.

Diesen Vorwurf erhebt der Fachverband für den Bereich, die Deutsche Gesellschaft für Sprachheilpädagogik (DGS), öffentlich: Der Bewerber, der inzwischen von der LMU berufen wurde, aber den Ruf noch nicht angenommen hat, soll in seinem Bewerbungsvortrag aus einem noch nicht veröffentlichten Aufsatz eines Kollegen plagiiert haben.

Sollte die LMU ihm die Akteneinsicht verweigern, will der unterlegene Bewerber sie gerichtlich einfordern. Nach der Lektüre will er entscheiden, ob er Widerspruch gegen die Berufung einlegt. LMU-Präsident Bernd Huber ist bereits darauf gefasst, dass die Angelegenheit vor Gericht landet.

"Teile meines ureigensten Werks"

Am Dienstag erhob der Autor des fraglichen Aufsatzes, Werner Gebhard, während einer Pressekonferenz der DGS schwere Vorwürfe gegen den Wissenschaftler, der plagiiert haben soll.

Unstrittig ist, dass dieser in seinem Vortrag eine Mathe-Textaufgabe aus dem Aufsatz entnommen hat, ohne die Quelle in der Präsentation schriftlich zu nennen. Ihm lag der Text bereits vor der Veröffentlichung vor, weil er als Redakteur einer Fachzeitschrift für den Artikel zuständig war. Er habe die Aufgabe lediglich als "anekdotenhaften Einstieg" in den Vortrag eingesetzt, erklärt der damalige Bewerber. Dafür sei die schriftliche Quellenangabe nicht erforderlich.

Es handelte sich bei dem Auftritt um das so genannte "Vorsingen", elementarer Teil eines Berufungsverfahrens, deshalb wiegt der Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens in dem Fall schwer.

Gebhard, der bei dem Vortrag im November 2013 im Saal war, wirft dem damaligen Bewerber nun vor, dieser habe auch vorgetragen, wie sprachgestörte Kinder die Aufgabe völlig falsch verstanden haben. Dies sei ein "dramaturgisches Highlight" in seinem Aufsatz und auch im Vortrag gewesen. Nur habe es sich im Fall des Vortrags um die "unautorisierte Verwendung" von "Teilen meines ureigensten Werkes" gehandelt. Der Angegriffene weist den Vorwurf wissenschaftlichen Fehlverhaltens zurück.

LMU-Präsident Huber erklärt, man habe die Angelegenheit von der Uni, an der der Bewerber zum Zeitpunkt des Vortrags angestellt war, untersuchen lassen. Diese habe kein Fehlverhalten festgestellt. Die Berufungskommission und der Senat der LMU hätten die Angelegenheit intensiv diskutiert und letztlich für die Berufung dieses Bewerbers votiert. Daraufhin habe er den Ruf ausgesprochen.

Der Kritisierte sieht sich als Opfer

Gebhard allerdings moniert, er sei bisher weder von der LMU noch von der anderen Uni angehört worden. Die LMU will sich derzeit zu den Details des Prüfungsvorgangs nicht äußern. Sie verweist auf den möglicherweise bevorstehenden Rechtsstreit.

Der in der Kritik stehende Bewerber sieht sich als Opfer einer "Diffamierungskampagne unterster Schublade". Dahinter vermutet er die DGS. Dort sei er eine "persona non grata", weil er für eine Zeitschrift gearbeitet hat, die mit der Fachzeitschrift der DGS konkurriert. Ihm sei bereits mit dem Ausschluss aus dem Verband gedroht worden.

Der seit acht Jahren amtierende DGS-Bundesvorsitzende Gerhard Zupp sagt, er habe dem Mitglied nie mit dem Ausschluss gedroht und wisse auch sonst von keinem solchen Vorhaben. Überdies macht er darauf aufmerksam, dass der seit Ende 2013 in der Kritik stehende Wissenschaftler noch in diesem Jahr in der DGS-Zeitschrift publiziert habe. Gebhard sagt, er spinne "keine Intrige". Er habe dafür "keinerlei Motiv". Ihm gehe es um "Korrektheit in der Wissenschaft und ihrer Lehre".

Gegen die DGS kursiert auch der Vorwurf, sie mische sich unzulässig in die Autonomie der LMU ein. Dem entgegnet Zupp, man fürchte um das Renommee des deutschlandweit führenden Lehrstuhls im betroffenen Fachgebiet - und um die Qualität der Ausbildung von Studenten dort.

Auch die ständige Konferenz der Dozenten für Sprachbehindertenpädagogik äußert inzwischen Kritik am Berufungsverfahren: Es habe "erste Irritationen" ausgelöst, "dass trotz uns bekannter hochkarätiger Bewerberinnen und Bewerber lediglich zwei Kandidaten" zum Vorsingen eingeladen wurden, schreiben die Vorsitzenden in einem offenen Brief. Man sehe insgesamt "den guten Ruf der LMU, den Ruf der Bewerber und den Ruf der DGS als hochgradig beschädigt" an.

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Quelle:
SZ vom 29.10.2014/sekr
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