Plätze in München:Entweder Autokreuzung - oder Brachland

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Ein städtebaulicher Verhau: Der Artur-Kutscher-Platz in Schwabing. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

An vielen Stellen ist München noch immer so, dass alles auf Autos ausgerichtet ist. Doch langsam werden immer mehr Orte zu richtigen Plätzen - mit Lebensqualität.

Von Thomas Anlauf

Das Attribut "Platz" passt auf die Baulücke zwischen Parkhaus und Post nur bedingt. Parkplätze gibt es ein paar, ansonsten liegt der sogenannte Sattlerplatz zwischen Färbergraben und Fürstenfelder Straße in der Münchner Altstadt brach. Ein paar Zeitungskästen, ein bisschen Gebüsch und junge Bäume, die noch keinen Schatten spenden, wozu auch? Es gibt nicht einmal Parkbänke. Höchste Zeit also, diese Ecke zum Leben zu erwecken. Eine Stadtratsmehrheit aus CSU, SPD und FDP will nun aus dem Hinterhof der Fußgängerzone einen "attraktiven Raum fürs Stadtleben" schaffen. Dazu sollen sogar Färbergraben und Fürstenfelder Straße für den Verkehr gesperrt werden, Autos werden so mit einem Streich wieder ein Stück weit aus der Altstadt verbannt.

Bis es so weit ist, dauert es noch ein paar Jahre. Denn am Rand des Sattlerplatzes sollen erst noch neue Gebäude entstehen. Doch der Vorstoß der Stadträte zeigt, dass der Wille zur Veränderung da ist - weg von einer autogerechten zu einer menschengerechten Stadt. Die Metropole, die jedes Jahr um die Einwohnerzahl einer Kreisstadt wie Starnberg wächst, braucht eben auch genügend entschleunigte Räume: Orte, an denen nicht Pkws, Lkws und Motorräder vorbeirauschen oder im Stau stehen. Plätze, an denen die Menschen einfach ausruhen können, ohne sich gleich in oder vor ein Lokal zu setzen. Begegnungsstätten, an denen man sich gerne trifft.

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Von SZ-Autoren

Eine aktuelle Studie soll deshalb nun verschiedene Quartierstypen dahingehend untersuchen, wie dort jeweils Freiräume genutzt werden und ob sie überhaupt ausreichen. So gibt es in einigen innerstädtischen Vierteln nur ganz wenige Grünflächen oder Parks, etwa in der Isarvorstadt. Die wenigen schönen Plätze wie der Gärtnerplatz sind dann bekanntlich in den Sommermonaten fast schon überfüllt mit Leuten, die dort die Abende im Freien genießen wollen. Ähnlich schön liegt der Weißenburger Platz in Haidhausen.

Doch während unten am Gärtnerplatz an Sommerabenden oft kein Platz mehr auf der begrünten Verkehrsinsel mit dem Brunnen ist, geht es oben in Haidhausen entspannt zu - wenn dort nicht gerade Weihnachtsmarkt ist. Wie unterschiedlich Plätze angenommen werden, ist in Haidhausen ohnehin gut zu beobachten. Während der Weißenburger Platz der mit Abstand beliebteste des Viertels ist, scheint der Pariser Platz nicht weit entfernt ein fast verlassener Ort zu sein, der Orleansplatz wiederum ein Ort, an dem sich höchstens Trinker gerne aufhalten, der Bordeauxplatz ein paar Schritte weiter dafür ein Ort, an dem regelmäßig Menschen auf den Parkbänken sitzen und Spaziergänger mit ihren Hunden vorbeikommen.

Bei Platzgestaltungen kommt es auf viele Faktoren an: Wie ist der Platz aufgeteilt, wie sieht die Umgebung aus, welche Möblierung gibt es, zum Beispiel Brunnen. Ist der Platz vom Verkehr umtost oder ist es ein stiller Ort? Bei der Studie des Planungsreferats geht es zum Beispiel auch um die Frage, ob Friedhöfe in Zukunft verstärkt Erholungsflächen sein könnten, wie es der alte Nordfriedhof längst ist. Und es geht um die Frage, ob die Stadt der Zukunft auf manche große Straßenkreuzung verzichten muss, um den Menschen wieder mehr Raum zum Leben zu geben. Stadtheimatpfleger Gert Goergens forderte vor einem Jahr in der Stadtgestaltungskommission, man müsse bei den Platzplanungen den Mut zu "großen Lösungen" haben.

Eine große Lösung wird seit Jahren beim Baldeplatz sowie beim Goetheplatz gefordert. Die beiden großen Verkehrskreuzungen sind quasi ausschließlich für den motorisierten Verkehr ausgelegt, Fußgänger sind nur Randerscheinungen. Selbst am beliebten Odeonsplatz müsste gehandelt werden, um den Verkehr dort besser zu steuern. Derzeit wird diskutiert, die Brienner Straße in eine Einbahnstraße umzuwandeln, was den Autoverkehr vermutlich halbieren würde. Und entlang der Sonnenstraße gibt es bereits seit Jahrzehnten die Forderung, die Fahrspuren auf der Altstadtseite in einen Fußgängerboulevard umzubauen. Doch davor scheuen die meisten Stadträte noch zurück. Auch der einseitige Rückbau der Herzog-Wilhelm-Straße zugunsten einer Grünanlage mit Stadtbach wird vermutlich nicht so schnell umgesetzt werden wie von einigen Politikern gefordert.

Bei anderen, vor vielen Jahren bereits versiegelten Plätzen könnten sich die Lokalpolitiker dagegen durchaus vorstellen, dass sie anders genutzt werden. Vor allem in Vierteln wie Neuperlach oder im Münchner Norden gibt es riesige Parkplätze, die entweder überbaut oder zumindest zum Teil in Grünanlagen verwandelt werden könnten: Parks statt Parkplätze sozusagen. Das würde auch einem Stadtratsbeschluss aus dem Jahr 2011 entsprechen. Damals wurde entschieden, dass versiegelte Oberflächen wo möglich entsiegelt werden. Bis 2020 sollten etwa 800 Hektar Fläche in München wieder grün werden.

© SZ vom 20.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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