Süddeutsche Zeitung

Pläne der Staatsregierung:Mit diesen Maßnahmen soll die Luft in München sauberer werden

Um Fahrverbote zu vermeiden, will die Staatsregierung Geld locker machen - für neue Trams und U-Bahnen, saubere Busse, zusätzliche Verbindungen und einen Gratismonat für Isarcard-Pendler.

Von Andreas Schubert

Die Luft in Bayerns Städten muss sauberer werden. Um das zu erreichen, ohne Dieselautos aussperren zu müssen, hat die Staatsregierung eine ganze Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die vor allem den öffentlichen Nahverkehr stärken sollen. Rund 400 Millionen Euro in den nächsten fünf Jahren sollen dafür im ganzen Freistaat ausgegeben werden, ein Großteil in München.

Was wirklich wie und wann realisiert wird, ist noch offen.

Busse

Die Städte sollen ihre Busflotten rasch ausbauen und dabei auch alte Dieselstinker umrüsten oder ausrangieren. Die Stadtwerke München und ihre Kooperationspartner betreiben für die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) aktuell 631 Busse, von denen 200 die Euro-6-Norm erfüllen. Grundsätzlich wäre es machbar, den Fuhrpark vorzeitig, also vor einem kompletten Umstieg auf Elektrobusse, zu modernisieren, ist bei den Stadtwerken zu hören. Für die komplette Fuhrparkumstellung wären Investitionen von mehr als 120 Millionen Euro fällig, schätzt die Staatsregierung. Für München gab es jahrelang keine staatliche Förderung mehr, das soll sich jetzt ändern. Die Förderung von Elektrobussen ist dagegen nicht so üppig. Einmalig möchte der Freistaat dafür 1,6 Millionen Euro ausgeben, für alle geförderten Städte. Damit sollen pro Bus 40 Prozent der antriebsbedingten Mehrkosten geschultert werden. Zur Orientierung: Ein zwölf Meter langer E-Bus kostet rund 600 000 Euro, rund doppelt so viel wie ein konventioneller Dieselbus. Da wundert es nicht, dass die Mittel für 2017 schon verplant sind.

U- und Trambahnen

Auch wenn die Mitglieder der Münchner CSU nicht als ausgewiesene Straßenbahnfreunde gelten, soll diese neben der U-Bahn ebenfalls gefördert werden. Die Staatsregierung will zusätzliche Kapazitäten durch neue Fahrzeuge schaffen. Bis 2006 wurde die Beschaffung in der Regel mit 50 Prozent bezuschusst, dann wurde die durchschnittliche Förderquote auf zwölf Prozent abgesenkt. Jetzt will das Innenministerium wieder zu den 50 Prozent zurückkehren. Ein Straßenbahnzug kostet laut Ministerium fünf Millionen Euro, ein U-Bahnfahrzeug je nach Länge zwischen sechs und zehn Millionen. In München sollen so die Takte der Linien U 1, U 2, U 3 und U 6 verdichtet werden sowie längere Züge auf der U 4 fahren. Allein dafür wären Investitionen von 160 Millionen Euro erforderlich. Hinzu kämen weitere Investitionen bei den Straßenbahnen. Als Beispiel nennt das Ministerium eine neue Linienführung nach Berg am Laim, die Verlängerung der Linien 12 und 28 und eine Taktverdichtung auf der Linie 25.

Park-and-Ride

Park-and-Ride- sowie Bike-and-Ride-Stellplätze an S- oder U-Bahnhöfen sollen mehr Menschen in die Öffentlichen locken. Bis zum Jahr 2010 wurden in der Metropolregion München fast 28 000 Stellplätze verteilt auf 125 Park-and-Ride-Anlagen geschaffen. Seitdem hat sich der Ausbau deutlich verlangsamt. An den Endhaltepunkten und am Rand des Innenraums bestehen nahezu keine freien Kapazitäten mehr. Lediglich in Fröttmaning findet sich nach Angaben der Stadtwerke noch leichter ein Platz. In der Aidenbachstraße zum Beispiel oder in Fürstenried wird das schwierig. Das Innenministerium schlägt vor, Park-und-Ride-Plätze mit 50 Prozent zu fördern. Ein Parkhausstellplatz im Ballungsraum München, wo der größte Bedarf besteht, kostet derzeit etwa 20 000 Euro, ein überdachter Fahrradstellplatz ungefähr 1000 Euro. Für 5000 Pkw- und 5000 Fahrradabstellplätze liegt das Investitionsvolumen laut Innenministerium bei 105 Millionen Euro (100 Millionen für Auto- und fünf Millionen für Radparkplätze).

Tangential-Verbindungen

Ein weiteres Dauerthema, das jetzt per Beschluss gefördert wird, sind die Tangentiallinien. Diese sind im Raum München durch die radiale Ausrichtung des S-Bahn-Systems auf die Stadtmitte sinnvoll und notwendig. Hier werden laut Ministerium sechs bis sieben Buslinien benötigt. Das Problem gibt es nur im Raum München, die Gesamtkosten betragen rund acht Millionen Euro pro Jahr. Bei einem Fördersatz von 50 Prozent besteht ein jährlicher Förderbedarf in Höhe von vier Millionen Euro ab dem Jahr 2018.

Isarcard-Rabatt

Die letzte Maßnahme soll neue Kunden für den öffentlichen Nahverkehr begeistern. Wer sich ein Isarcard-Jahresabo kauft, soll als Neukunde einen zusätzlichen Gratismonat spendiert bekommen. Das soll etwa 13 000 zusätzliche Nutzer bringen und etwa eine Million Euro kosten. Vom Arbeitgeber bezuschusste Fahrkarten sollen steuerlich privilegiert werden. Bisher ist der Zuschuss eines Arbeitgebers für ein Job-Ticket, das für einen längeren Zeitraum gilt (etwa Jahreskarte), auf einmal als geldwerter Vorteil zu versteuern. Die steuerliche Freigrenze wird hier regelmäßig überschritten, so dass der Beschäftigte von der Freigrenze nicht profitieren kann. Das soll geändert werden.

Die MVG findet das Paket - wenig überraschend - gut. "Das hilft bei der Beschleunigung des ÖPNV-Ausbaus", sagt Sprecher Matthias Korte. Man begrüße es sehr, dass der Freistaat wieder verstärkt in die Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs einsteigen wolle. "Wir gehen davon aus, dass die Fördermittel dazu beitragen werden, Fahrzeugbeschaffungen und Angebotsausweitungen möglich zu machen." Der Freistaat greife erfreulicherweise die Initiative der MVG zur Schaffung neuer Busspuren auf. "Auch neue Express- und Tangentiallinien haben wir bereits im Auge", sagt Korte. Das sei ein probates Mittel, um Autofahrer zu Fahrgästen zu machen. "Sobald Angaben zu den Fördersummen und den Voraussetzungen vorliegen, werden wir in die konkrete Planung einsteigen."

Auch der Geschäftsführer des Münchner Tarif- und Verkehrsverbunds (MVV), Alexander Freitag, sieht die Maßnahmen zusammengerechnet als wichtig an. "Die Not ist so groß, dass selbst kleinste Mosaiksteinchen sinnvoll erscheinen." Dass neue Abokunden geködert werden sollen, hält er für einen solchen Mosaikstein, der aber im Vergleich zu den anderen Maßnahmen nur mäßig viel bringe. Kunden gebe es genug, es mangle aber an der Infrastruktur. Deren Ausbau sei unbedingt notwendig, kurzfristig lasse sich vor allem in das Bussystem investieren.

Neben den Plänen für den öffentlichen Nahverkehr verspricht die Staatsregierung auch Investitionen in die Ladestruktur für Elektromobilität in bisher noch nicht genannter Höhe. Und auch den Anteil des Fahrrads am Alltagsverkehr will sie steigern - auf 20 Prozent. Dafür brauche es ein bayernweites Radverkehrsnetz (Planungskosten 15 Millionen Euro), das alle Städte und Gemeinden im Freistaat miteinander verbinden soll, ergänzt durch Radschnellwege für Pendler. Die Pilotstudien in München und Nürnberg sehen insgesamt 80 Kilometer Radschnellwege vor. Ein Kilometer kostet durchschnittlich eine Million Euro. Neue Radabstellanlagen sollen bayernweit mit drei Millionen gefördert werden.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2017/eca
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