Süddeutsche Zeitung

Pläne am südlichen Stadtrand:Ein Drama kündigt sich an

Das Sollner Kino soll in Wohnungen und Geschäfte umgewandelt werden. Lokalpolitiker und Cineasten sind entsetzt. Die Betreiber hoffen noch, sich in Verhandlungen mit der Eigentümerin auf den Fortbestand der legendären Einrichtung einigen zu können

Von Jürgen Wolfram, Solln

Dem Sollner Kino droht das Aus. Denn die Eigentümerin des Gebäudes an der Sollner Straße 43 a, in dem das Lichtspielhaus untergebracht ist, die Sedlmayr Haus und Gewerbebau GmbH, plant eine Umnutzung, die eine höhere Rendite verspricht. Das Kino soll sieben Wohnungen sowie einem Laden weichen. Zudem ist der Anbau von Balkonen im Obergeschoss vorgesehen. Der Bezirksausschuss (BA) Thalkirchen-Obersendling-Forstenried-Fürstenried-Solln hat die beantragte Nutzungsänderung ausdrücklich und einstimmig bedauert. Sollten die Sedlmayr-Pläne realisiert werden, würde "das letzte Kino eines Stadtbezirks mit fast 100 000 Einwohnern zu Grabe getragen", heißt es im BA-Beschluss. Tatsächlich reicht das Einzugsgebiet des Sollner Lichtspielhauses mangels Konkurrenz noch viel weiter, bis in alle angrenzenden Stadtbezirke sowie in den südlichen Landkreis München. Wer etwa in Pullach wohnt, dessen Kino liegt in Solln.

Baurechtlich bestehe "leider" keine Möglichkeit, den Bauantrag abzulehnen, hieß es jetzt im Bezirksausschuss. Die Sedlmayr Haus und Gewerbebau wurde explizit aufgefordert, sich mit den Kinobetreibern zu beratschlagen, "ob es nicht doch noch eine für beide Seiten wirtschaftlich rentable Fortführung des angestammten Kinobetriebes geben kann". Das Gremium unterstütze ausdrücklich alle Bestrebungen in diese Richtung.

Das Kino gehört zur Produktions- und Betreibergesellschaft Omaha Film. Deren Sprecherin Cornelia Green beteuert, alles zu unternehmen, um den beliebten Hort der Filmkunst zu retten. Der Mietvertrag laufe noch bis 2025. Bis dahin werde man versuchen, auf dem Verhandlungsweg eine Einigung zu erreichen. Wobei das Ziel der Omaha Film eine Mietminderung sein müsse. "Wir brauchen eine verlässliche Anpassung, denn unsere Gesellschaft hat wegen Corona hohe Verluste eingefahren", sagt Green.

Die smarte Filmhochburg, eingebettet in eine Ladenzeile, gilt als Institution im Münchner Süden. Einst als Programmkino ("Studio Solln") geführt und nicht zuletzt wegen seiner Diskussionsabende mit Filmgrößen vom Kaliber einer Hanna Schygulla legendär, wurde es Anfang der 1990er-Jahre wegen Asbestproblemen abgerissen. Nur dank eines starken bürgerschaftlichen Engagements blieb das Kino überhaupt am Leben. In seiner heutigen Form existiert es seit 1994. In den beiden Sälen mit 176 und 118 Plätzen in leicht abschüssigen Sitzreihen werden auf einer acht mal 3,5 Meter großen Leinwand aktuelle nationale und internationale Produktionen gezeigt. Gegenwärtig unter anderem im Programm: James Bond ("Keine Zeit zu sterben"), die "Schachnovelle" nach Stefan Zweig und "Die Unbeugsamen", ein Streifen über mutige Frauen in der Politik.

Geschätzt wird das Kino nicht zuletzt wegen seiner Kinderfilme, Vormittagsvorstellungen und Live-Übertragungen von Oper und Ballett. In der Reihe "Sollner Filmgespräch" kooperiert das Haus mit der Volkshochschule, bei "Kino und Vino" mit einer Weinhandlung. Ausstellungen regionaler Künstler im Foyer runden das Angebot ab. Im Jahr 2013 wurde es mit dem Kinoprogrammpreis der Stadt ausgezeichnet. Das kulturelle Leben in Solln ist ansonsten, vorsichtig ausgedrückt, limitiert. Seit die Iberl-Bühne weggezogen ist und in den Gasthöfen kaum noch Musik- und Theateraufführungen stattfinden, ist dem Viertel jenseits gelegentlicher kirchlicher und sozialer Veranstaltungen nur sein Kino geblieben. Unter Corona hat es stark gelitten. Die Betriebsleiter Stella Thomé und Hanno Köhler sowie ein gutes Dutzend Teilzeit-Mitarbeiter generierten monatelang kaum noch Einnahmen.

Cineasten hegen die Hoffnung, beim Bauantrag könnte es sich um eine Art Baurechtsbeschaffung auf Vorrat handeln, die Umwandlung des Kinos in ein Wohn- und Geschäftshaus sich also noch eine Weile hinziehen. Oder lediglich um ein Instrument zur Forcierung einer Einigung in der Mietangelegenheit. Kundige Kommunalpolitiker wären da eher skeptisch. "Aber die Hoffnung teile ich natürlich gern", sagt beispielsweise Alexander Aichwalder (Grüne), Vorsitzender des BA-Unterausschusses Bau und Planung. Mit Sicherheit lässt sich in diesem filmreifen Poker nur eines sagen: In der Öffentlichkeit käme es nicht gut an, sollten im Kino Solln demnächst für immer die Lichter ausgehen.

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SZ vom 07.10.2021
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