Plädoyers im Krailling-Prozess:Staatsanwaltschaft fordert lebenslänglich

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Plötzlich geht alles ganz schnell im Prozess um den Doppelmord von Krailling: Die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, dass Thomas S. seine Nichten aus Habgier getötet hat - und fordert lebenslänglich für den Angeklagten. Der hatte noch am Morgen von einer Beweismanipulation gesprochen, nun verzichtet sein Verteidiger auf die Forderung eines Strafmaßes. Das Urteil fällt noch heute.

Anna Fischhaber

Das Mordmerkmal der Heimtücke sei gegeben, wenn jemand nachts in ein Haus schleiche, um zwei wehrlose, schlafende Kinder zu töten. Ein besonderes Licht auf den Angeklagten werfe auch, dass er mit dem Tod von Menschen kalkuliert habe, um seinen Hausbau zu finanzieren, sagt Staatsanwalt Florian Gliwitzky. Seine Nichten, da ist sich der Staatsanwalt sicher, hat Thomas S. im März 2011 aus Habgier getötet. Er spricht von einem "Gewinnstreben um jeden Preis".

Am Montagnachmittag fällt vor dem Landgericht München II das Urteil gegen Thomas S.. (Foto: dpa)

Drei Monate wurde gegen Thomas S. verhandelt, nun geht der Prozess um den Doppelmord von Krailling in die Schlussrunde. In seinem Plädoyer fordert Gliwitzky lebenslang für den Angeklagten. Zudem beantragt er, die besondere Schwere der Schuld festzustellen. Damit könnte der Verurteilte nicht nach 15 Jahren vorzeitig freikommen. Die Nebenklage, die die Eltern von Chiara und Sharon vertritt, schließt sich seiner Forderung an. Die Verteidigung verzichtet darauf, ein Strafmaß zu fordern - ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang.

Eigentlich sollte das Urteil in diesem Prozess frühestens am Dienstag fallen, nun wird es bereits am Montagnachmittag erwartet. Plötzlich geht alles ganz rasant. Es wirkt so, als könnte es dem Gericht gar nicht schnell genug gehen, diesen Prozess endlich zu beenden. Das hat wohl vor allem mit dem Verhalten des Angeklagten zu tun.

Zwei Monate lang hatte der 51-Jährige jede Aussage verweigert, und nur durch sein ständiges Grinsen auf sich aufmerksam gemacht. Dann brach er Ende März überraschend sein Schweigen. Allerdings nicht um ein Geständnis zu machen, sondern um den Zeugen Lügen und den Ermittlern die Manipulation von Beweisen vorzuwerfen.

Auch an diesem Montagmorgen verzögern sich Plädoyers zunächst. Thomas S. will nochmal aussagen - und erklärt unter anderem bei Fotos von seinen Verletzungen handle es sich um Montagen. Der Staatsanwalt spricht danach von einer "Ungeheuerlichkeit, an der Grenze zu neuer Strafbarkeit". Man müsse sich schon wundern, dass so etwas von einem Angeklagten in einer öffentlichen Sitzung geäußert werde, sagt Gliwitzky. "Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man anfangen zu lachen."

Zum Lachen zumute ist an diesem Tag allerdings nur Thomas S. - wie schon so oft grinst der Angeklagte, selbst dann als der Staatsanwalt die grausigen Details der Morde schildert. Die Verteidiger blicken während der Aussage ihres Mandaten etwas betreten zu Boden und machen deutlich, dass der Vorwurf der Manipulation von Beweisen durch die Staatsanwaltschaft, ein Vorwurf des Angeklagten sei - nicht der Verteidigung.

In seinem Plädoyer geht Gliwitzky zunächst ausführlich auf die finanzielle Misslage von Thomas S. ein. Die Anklage geht davon aus, dass der 51-Jährige seine Nichten aus Habgier heimtückisch getötet hat, als die Bank drohte, ihm sein Haus in Peißenberg wegzunehmen. Laut Anklage wollte er einen Erbstreit zugunsten seiner Frau entscheiden und deswegen auch die Mutter der Mädchen töten. Nur weil sie später heimkam, entging sie nach Überzeugung der Staatsanwalt der Tat.

"Mit der mitgebrachten Hantelstange wirkte er mehrfach auf Sharon ein", sagt Gliwitzky etwas umständlich und beschreibt dann, wie der Mann mit dem Messer auf seine Nichte einstach und anschließend auch deren Schwester Chiara tötete. Der Staatsanwalt ist sich sicher, den richtigen Täter vor sich sitzen zu haben. Ein klassisches Alibi habe der Postbote nicht, zudem gebe es an Hantel, Messer und Seil und am Tatort zahlreiche Spuren. Gliwitzky spricht von einer "erdrückenden Beweislast".

Die Verteidigung erklärt, nicht die Spurenlage verkennen zu wollen, lässt aber Zweifel am Tatmotiv Habgier erkennen. Demnach befand sich die Familie des Angeklagten schon lange in einer finanziellen Misslage, die sich 2011 sogar ein wenig entspannt hätte. Zudem sei aufgrund der komplizierten Erbverhältnisse gar nicht sicher gewesen, ob wirklich Thomas S. und seine Frau Ursula S. das Geld nach dem Tod von Anette S. geerbt hätten.

Auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls verzichte er auf eine eigene Forderung, sagt Verteidiger Adam Ahmed. "Die Verteidigung hat großes Vertrauen in das Gericht, dass ein richtiges Urteil getroffen wird", begründet er die ungewöhnliche Entscheidung.

Danach äußert sich Thomas S. noch einmal, er spricht schnell. Ich habe nie eine Verletzung gehabt, sagt er etwa. Und er beschuldigt die Polizei erneut, schlampig gearbeitet zu haben. Im Zuschauerraum werden die ersten Zuhörer unruhig. "Dass ich die Tat nicht getan habe, glaubt mir eh keiner", sagt er noch. Dann ist seine Show beendet. Um 16 Uhr soll das Urteil verkündet werden.

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