Pinocchio:Singende Pizzabäcker

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Hier ist Pinocchio allgegenwärtig: In seinem Mund werden die Pizzen gebacken. (Foto: Catherina Hess)

In der Pizzeria Pinocchio am Starnberger See haben alle gute Laune: die Angestellten, die Gäste - und die Kinder, die auf der Fußballwiese tollen.

Peter Panhas

Die Frage, warum ein Wirt sein Lokal Pinocchio nennt, lässt sich nicht so leicht beantworten. Der Name Pinocchio bedeutet in der Sprache seines Schöpfers Carlo Collodi Pinienkern oder Hungerleider, wobei der hölzerne Knabe auch hungrig geschmäcklerisch bleibt und Birnen geschält essen will. Kulinarisches Highlight der Geschichte ist das Wirtshaus "Zum Roten Krebs", das Seebarben in Tomatensoße bietet, Kutteln mit Parmesan, Hasenbraten, ein Ragout von Rebhuhn, Fasan, Kaninchen, Eidechse und Trauben.

Quellensuche haben Giuseppe Tedesco und seine Familie sicher nicht betrieben, als sie Anfang 2007 die Münsinger Einkehr im Sport- und Freizeitzentrum am Hartlweg übernahmen. "Pino" wird der Wirt genannt, daher der Name der Pizzeria.

Am Rand von Münsing liegt die Vereinsgaststätte, dort, wo man weder den Starnberger See noch die Berge sieht. Am Ansturm ändert das nichts, freie Tische auf der langgestreckten Holzveranda waren an schönen Abenden schnell besetzt. Das Restaurant ist eine Art Halle mit offenem Dachstuhl, mit Wänden in pompejanischem Rot, die Tische sind rot-weiß gedeckt.

Mitten im Lokal steht der Pizza-Ofen in Form eines riesigen Pinocchio-Kopfes. Das weite Maul ist die Ofenöffnung, Pinocchio als Hungerleider im Überfluss. Aus Teigkugeln formten zwei Bäcker in Windeseile hauchdünne Pizzaböden, an einem Sonntag waren es gut 400, was ihnen die Stimmung nicht verdarb, sie sangen.

Alle schienen gute Laune zu haben, die schnellen Bedienungen, der Wirt, der die Gäste mit Handschlag begrüßte und immer überall nachschaute. 23 Pizze stehen auf der Karte. Frisch aus dem Holzofen, mit knusprigen Böden, zerfließendem Mozzarella und üppig belegt waren sie ein Gedicht, ob mit Thunfisch, scharfer Salami und Oliven oder mit Gemüse (5 bis 9 Euro).

Im Pinocchio sollte man mit einem Tisch auch Platz für einen Kinderwagen bestellen. Wir hatten das vergessen und der Kellner schaute vorwurfsvoll in die Runde. "Sie sind nicht vier Personen, sondern viereinhalb", sagte er. Kinder sind die privilegierten und liebevoll umhegten Gäste, was Gemeinde und Sportvereine unterstützt haben. Vor der Veranda wurden nicht Tennisplätze angelegt, sondern eine Fußballwiese und ein Spielplatz. Kein Kind muss im Restaurant herumhängen.

"Von Systemgastronomie, Vorkochen und Aufwärmen halten wir nicht viel", steht in der Karte. Über diesem Satz ist zwar Pinocchio mit der langen Lügennase abgebildet, doch beim Lügen haben wir niemanden ertappt, obwohl die Karte ein dickes Buch ist. Kann man das alles frisch kochen?

Wie auch immer: Die Kichererbsensuppe, in der Pulpo mit Rosmarin schwammen, schmeckte scharf und doch wunderbar samtig (4,50). Nudeln werden getrocknet und frisch angeboten und über beides gab es nichts zu meckern. Die überbackenen Rigatoni hatten Biss und waren eingehüllt von vier sämig zerlaufenen Käsesorten; und die hausgemachten Pappardelle mit frischen Steinpilzen und zarten Rinderfiletspitzen schmeckten konkurrenzlos gut (7 und 9,50).

Angeboten werden Rustici, eine italienische Brotzeit zum Nachahmen, zum Beispiel das geröstete, mit scharfer Salsiccia, Tomaten und Rucola gefüllte Brot (7). Der Fisch kommt nicht aus dem See, sondern aus dem Meer, und auf der Karte steht der ehrliche Hinweis, dass die Scampi auch aus der Tiefkühltruhe stammen können.

Beim Schwertfisch blieb das offen, aber er war überhaupt nicht trocken und schön mit Sardellen, Kapern und Oliven (13,50) bedeckt. Gepflegt wird auch die Fleischeslust. Die dünn geschnittene Kalbsleber kam rosa vom Grill, perfekt gebraten war das zarte Entrecote Pizzaiola mit leicht angerösteten Zucchini, Auberginen und Pilzen (15 und 14,50).

Keine Formtiefs? Doch, die Pizza Carpaccio, eher ein kaltes Riesensandwich, dem man Öl, Pfeffer und Pesto vorenthalten hatte (10). Oder der Salat mit Thun-fisch, in dem Trümmer von Kopfsalat la-gen, tauglich für eine Kaninchenmahlzeit (5,50). Viel aber gab es nicht zu mäkeln, schon gar nicht beim kunstvoll an-gerichteten Cioccolatissimo: ein warmer, zerfließender Schokoladenkuchen mit Früchten und Schokoladensoße (4,50).

Die offenen Weine wie der rote Monte-pulciano oder der weiße Lugana waren ordentlich, wobei die Weißen offenbar immer neben dem Kühlschrank stehen (0,25 Liter 3 und 3,50). An einem Abend wünschten wir uns zum Wein etwas Parmesan, und die Bedienung besorgte schnell einen Berg davon, schön, wie es sich gehört, aus dem Laib gebrochen. Auf der Rechnung stand dann: Käse 1,50 - kein Irrtum, vielmehr italienische Gastlichkeit.

© SZ vom 20.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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