Pilotprojekt:Diagnose digital

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Das Praxisnetz "Münchner Ärzte" und die Helios-Klinik in Pasing wollen für die schnellere Versorgung von Patienten per Datenübetragung enger zusammenarbeiten

Von Kristian Meyer, München

"Bei vielen Kassenärztlichen Vereinigungen wird ja noch per Brieftaube kommuniziert", scherzt Franzel Simon, Geschäftsführer von Helios Deutschland. Sein Konzern und das Praxisnetz "Münchner Ärzte" haben zur Vorstellung ihres gemeinsamen Pilotprojekts geladen. Zur Veranschaulichung hat Christian Brucks, Ex-Geschäftsführer der "Münchner Ärzte" und Initiator der vorgestellten EDV-Vernetzung, Fax-Geräusche auf seinem Handy dabei. Die Übermittlung von Patientendaten zwischen ambulant behandelnden Ärzten und der Helios-Klinik im Stadtteil Pasing soll im Münchner Westen künftig für das 21. Jahrhundert zeitgemäßer per EDV geschehen.

Bei den "Münchner Ärzten", einem Netz aus 52 Praxen und Versorgungszentren im Westen der Stadt, funktioniert das schon seit 2011 recht gut. Kathrin Hamann hat ihre Praxis in Pasing, einen Steinwurf entfernt vom Helios Klinikum München West. Sie ist Teil des Netzwerks und erläutert die Funktionsweise der EDV-Vernetzung an einem Beispiel: Ein Patient kommt zu ihr, in seiner digital angelegten Akte verrät ein kleiner blauer Button, dass er freiwillig teilnimmt an der Datenvernetzung. Mit Schwindelsymptomen war er kürzlich schon mal da, verrät die Akte. "Heute Husten und Druckschmerz über der Brust" wird festgestellt. Also: Überweisung zum Kardiologen. Wenn der Patient dem bereits zugestimmt hat, werden die neuen Erkenntnisse direkt übertragen. Der Kardiologe stellt einen Herzinfarkt fest, jetzt muss es schnell gehen. Der Patient wird ins Krankenhaus gefahren. Und wo früher eben noch das Fax-Gerät herhalten musste, hat die Klinik bei dem neuen Pilotprojekt die Daten schon vorliegen, wenn der Patient eintrifft.

Es muss aber nicht zwingend immer um Leben oder Tod gehen. Auch im normalen Alltag sei die Vernetzung unter den Ärzten einfach praktisch, erläutert Günter Neubauer, 77, Leiter des Instituts für Gesundheitsökonomik München, der die Veranstaltung moderiert: "Menschen in meinem Alter bekommen teils sieben verschiedene Medikamente über den Tag verteilt, von unterschiedlichen Ärzten verschrieben, die oft nichts voneinander wissen." Die Ärzte des Praxisnetzes hätten durch den Informationsaustausch unnötige Doppelbehandlungen vermeiden können . Außerdem könnten sie auf den Ergebnissen ihrer Kollegen aufbauen. Nun soll auch die Zusammenarbeit der ambulant behandelnden Ärzte mit den Medizinern der Helios Klinik West endlich besser werden.

Und der Datenschutz, eines der sensibelsten Themen unserer Tage? Für den sei selbstverständlich gesorgt, verspricht Brucks. Zunächst müsse jeder Patient, der teilnehmen will, die Datenschutzverordnung unterschreiben. Dann lägen die Daten zunächst dezentral bei den einzelnen Praxen. Bei jeder Übertragung werde der Patient gefragt und müsse unterschreiben. Etwa: "Ja, ich will, dass der Kardiologe meine Daten erhält". Die Übertragung laufe dann über eine gesicherte Web-Verbindung, zertifiziert vom TÜV Rheinland. "Und wenn Sie wollen, dass einzelne Arztbesuche nicht gespeichert werden, etwa beim Psychiater, dann haben Sie die volle Kontrolle darüber, unterschreiben einfach nicht." Die Teilnahme sei jederzeit widerrufbar.

Wenn sich Patienten für die Unterschrift entschieden haben, werden ihre Daten automatisch und in Echtzeit ausgetauscht: die aktuelle Diagnose, Dauerdiagnosen, laufende Medikation und Dauermedikation sowie die Zusammenfassung der Behandlung. Wer bei den Kooperationspartnern AOK oder Barmer versichert ist, kann Zusatzleistungen in Anspruch nehmen. Geregelt wird das über sogenannte "Add-On-Verträge". "Aber teilnehmen kann selbstverständlich jeder Patient", versichert die Ärztin Kathrin Hamann. Am Ende hätte die effiziente Datenübermittlung vor allem einen Effekt: Patienten würden besser versorgt, Ärzte hätten schlicht mehr Zeit.

© SZ vom 25.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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