Ausstellung:Hommage an Marilyn

Ausstellung: Der Film "Marilyn" von Philippe Parreno spielt in einer Suite des Hotels "Waldorf Astoria" in New York, wo Marilyn Monroe zeitweilig wohnte.

Der Film "Marilyn" von Philippe Parreno spielt in einer Suite des Hotels "Waldorf Astoria" in New York, wo Marilyn Monroe zeitweilig wohnte.

(Foto: Philippe Parreno, Courtesy Galerie Pilar Corrias/Fondation Louis Vuitton)

Der französische Multimediakünstler Philippe Parreno imaginiert sich mithilfe künstlicher Intelligenz ins Leben der Monroe.

Von Evelyn Vogel

Der Film ist wie eine visuelle Reise in Gold- und Sepiafarben. Abendsonne überzieht das Hotelzimmer mit warmem Licht und langen Schlagschatten, bis ein Gewitter Raum und Stimmung verdunkelt. Als die Sonne sich wieder ihren Weg durch die Wolken bahnt, ruft sie in den Fensterscheiben des gegenüberliegenden Gebäudes blitzende Spiegelungen hervor.

Auch der Sound spielt mit Stimmungen. Während die Stimme warm und weich den Raum erfüllt, den sie beschreibt, drängen sich Geräusche mehr und mehr in den Vordergrund. Immer lauter werden die meist dissonanten Klaviertöne, das schrille Klingeln des Telefons zerreißt die Momente der Stille, Verkehrslärm und das Prasseln des Regens drängen sich wie gewaltsam in den Raum hinein, und das Kratzen einer goldenen Schreibfeder auf Papier zerrt an den Nerven.

23 Minuten nur dauert das Video "Marilyn" von Philippe Parreno, das im Münchner Espace Louis Vuitton in der Reihe "Hors-les-murs" der Fondation zu sehen ist. Doch währenddessen verliert der Betrachter fast jedes Zeitgefühl. Der Film spielt in einer Suite im New Yorker Hotel "Waldorf Astoria". Marilyn Monroe hatte dort für längere Zeit eine Suite angemietet, aber letztendlich nur wenige Nächte darin verbracht. Das Setting im Film wirkt original wie aus den Fünfzigerjahren, Parrenos Suite bis ins kleinste Detail authentisch. Doch ist sie das auch? Das löst der Film erst am Ende auf.

Parreno versucht, den Raum mit dem Geist der Schauspielerin zu füllen. Und das darf man wörtlich nehmen. Denn der 59-jährige, in Algerien geborene, französische Multimediakünstler hat sogar eine Séance abgehalten, um Monroe näherzukommen - oder dem, was von ihr in vielleicht einer anderen Welt noch da ist. Das Blumenbouquet, das in einer langen Einstellung in fahlen Farben verblasst, wirkt wie ein Memento mori auf eine Filmkarriere, die den Menschen zerstörte und in die Depression trieb.

Marilyns Monolog im Film, ihre zarte, fast mädchenhafte Stimme wurde mithilfe einer künstlichen Intelligenz programmiert. In Kenntnis dessen denkt man sofort an aktuelle Deep Fake News oder erinnert sich an alte Geheimdienstgeschichten, bei denen Aufnahmeschnipsel zu neuen Sätzen montiert wurden, um Aussagen zu fälschen. Parreno lässt Marilyn Monroe Sätze sagen, die sie so nie gesagt hat - von denen der Künstler aber glaubt, dass sie sie so gesagt haben könnte.

Die Stimmung, die durch die Worte erzeugt wird, scheint wichtiger zu sein als deren Inhalt. Denn was man hört, ist nur eine sich mehrfach wiederholende Beschreibung dessen, was man sieht: ein Sofa, zwei weiße Kissen, drei rote Äpfel in einer halbtransparenten Glasschale auf einem Beistelltisch mit Magazinen... Der Monolog folgt der Kamera, die den Raum visuell abtastet. So intensiv, dass man die geprägten Tapeten, die schweren Vorhänge, den eiskalten Champagnerkübel fast physisch zu spüren meint.

Auch die Schrift, die wie von Geisterhand mit einer goldenen Feder auf Papier geschrieben wird, besteht aus original Marilyn-Versatzstücken. Parreno imaginiert eine private Monroe, eine, die über das Leben nachdenkt und über den Alltag; eine, die die Worte aufs Papier fließen lässt wie die Feder über dieses hinweggleitet; eine, deren Zögern und Zaudern sich mitunter in gestisch expressiven Streichungen von Text, im Malen von kindlichen Strich-Punkt-Kulleraugen-Gesichtern manifestiert; eine, deren Schrift nachgemalt wird, als ob sie sich ihrer Worte versichern wollte. Doch wessen Hand ist es, die hier schreibt? So viel sei verraten, Parreno ist fasziniert von früher Robotertechnik.

Der Film ist faszinierend. Aber man muss ausharren, sich ihm ganz aussetzen, um ihn gleichsam physisch zu erfahren und um ganz in seine Atmosphäre eintauchen zu können.

Ausstellung: Philippe Parreno ist fasziniert von mechanischem Gerät. Das Video "The Writer" von 2007 läuft zudem auf einem speziell angefertigten LCD-Bildschirm.

Philippe Parreno ist fasziniert von mechanischem Gerät. Das Video "The Writer" von 2007 läuft zudem auf einem speziell angefertigten LCD-Bildschirm.

(Foto: Philippe Parreno / Courtesy of the Fondation Louis Vuitton)

Im Erdgeschoss sind weitere Arbeiten von Philippe Parreno zu sehen, unter anderem das Video "The Writer". Dort verfolgt man in Zoom-Ausschnitten, wie eine Schreib-Apparatur aus den 1770er-Jahren einen Text zu Papier bringt. Die Schreibführung der hölzernen Hände wird mechanisch erzeugt, wie bei frühen Computern, doch hinter den marionettenhaften Gesichtszügen bewegen sich Augen, die wie echt wirken. Weshalb die geschriebene Frage "What do you believe? Your eyes or my words?" keine rein rhetorische ist. Wie im Video "Marilyn" beweist Philippe Parreno auch hier, dass Computer, Roboter und künstliche Intelligenz für ihn faszinierende Spielfelder sind, mit deren Hilfe er sich an Orte und in Zeiten imaginiert, wie es ihm beliebt.

Philippe Parreno: Marilyn / Selected Works from the Collection, Espace Louis Vuitton München, Maximilianstraße 2a, bis 6. August

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