Süddeutsche Zeitung

Lieblingsdings:Der Herr der Fliege

Als Schüler jobbte Philipp Demeter bei einem Pfandleiher und bekam von seiner Chefin eine kleine Brosche geschenkt. Sie hat ihn begleitet auf dem Weg zum Schmuck- und Uhrenschätzer in einem der größten Auktionshäuser der Welt.

Von Sabine Buchwald, München

Philipp Demeter flattert so manch glitzerndes Stück vor die Augen. Das soll auch so sein, denn er ist Schmuck- und Uhrenexperte im Auktionshaus Sotheby's. Umso mehr Preziosen er zu Gesicht bekommt, desto besser für ihn. Erfahrung gehört zu seinem Beruf. Kaum anders kann man Demeters Profession erlernen als durch genaues Hinschauen. Er sagt: Man müsse tausend Uhren in der Hand gehabt haben, damit man auch eine fast perfekte Kopie erkennen könne. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt er sich mit Geschmeide, recherchiert und reist um die Welt. In all diesen Jahren ist dem 36-Jährigen auch privat so manches Stück zugeflogen. Eines ist ihm ganz besonders wichtig: Es ist eine kleine goldene Fliege, nur etwa einen Zentimeter groß, mit Brillanten besetzt.

Bei einem der Schätztage des Auktionshauses am Odeonsplatz ist man Demeter zum ersten Mal begegnet. An diesem Tag trug er die kleine Fliege am Revers seines Sakkos. Man muss Demeter schon ziemlich nah gegenüberstehen, sonst erkennt man das Insekt aus Edelmetall nicht. An jenem Tag blieb keine Zeit, über dieses Tierchen zu sprechen, das man sonst eher verscheucht. Eigentlich ist das ungewöhnlich für Demeter, denn die Brosche sei ein guter Konversationsstarter, sagt er. "Ich bin der mit der kleinen Fliege am Revers."

Im Alter von 15 Jahren fing Demeter in einer Pfandleihe in Regensburg an. Es war ein Schülerjob, er ist über Bekannte der Eltern dazugekommen. Zu seinen Aufgaben gehörte, die Dinge, die Leute ins Pfandhaus brachten, zu fotografieren und dann auf Ebay einzustellen. Die Arbeit machte ihm Spaß. "Ich war schon früh ein Sammler", erzählt Demeter. Nach einigen Jahren habe ihm seine damalige Chefin die kleine Fliege angesteckt und dabei erklärt: "So etwas solltest du tragen."

Seitdem begleitet ihn die Brosche. Sie war mit ihm während seiner Unizeit in Regensburg und Wien, wo er BWL bis zum Master studierte. In den Jahren, in denen er beim Dorotheum in Österreich und Italien arbeitete, war sie ein stummer Freund. Seit Herbst 2021 ist der Gemologe und Auktionator nun bei Sotheby's Deutschland. Er fühlt sich angekommen. "Wir sehen hier die schönsten Stücke der Welt."

Der Preis für Extravaganz ist manchmal eine kaputte Krawatte

An die 30 Broschen hat er inzwischen gesammelt. So manche hat ihm schon eine Seidenkrawatte lädiert. Besonders bei älteren Stücken müsse man mit den Nadeln vorsichtig sein. Wenn sie stumpf sind, dann hinterlassen sie Spuren. "Das ist ärgerlich, aber das ist der Preis für Extravaganz", sagt Demeter mit einem Lachen in der Stimme. Extravaganz findet er "etwas Tolles", und Broschen seien gerade für Männer eine Möglichkeit, sich zu schmücken. Damit sie nicht verloren gehen, müsse die Nadel möglichst stramm sitzen, erklärt Demeter.

Er mag es, wenn jemand Schmuck trägt. München sei eine Stadt in Deutschland, wo noch relativ viel davon zu sehen sei. So wie er während seiner Arbeitszeit genau hinschaut, so schaut er auch privat mit Adleraugen. Seiner Frau sei das oft peinlich, wenn er im Biergarten oder im Restaurant den Leuten auf die Handgelenke und auf die Ohren starre. Aber das sei nun mal sein Beruf und seine Passion. Die goldene Fliege erinnert ihn immer daran, wie seine Karriere vor mehr als zwanzig Jahren begonnen hat.

Bei "Lieblingsdings" erzählen Menschen, woran ihr Herz hängt, was sie durchs Leben begleitet, ihnen Glück bringt und wovon sie sich niemals trennen.

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