Pharmaunternehmen Togal:Schmerzmittel aus Bogenhausen

Pharmaunternehmen Togal: Togal enthielt Acetylsalicylsäure, Lithium und Chinin.

Togal enthielt Acetylsalicylsäure, Lithium und Chinin.

(Foto: Jörg Buschmann)

Fast 100 Jahre lang produzierte Togal Tabletten im Villenviertel

Von Stephan Handel

Es gibt Reklame, die brennt sich für alle Zeiten ein ins Gedächtnis. So wie diese: Eine Frau an der Tankstelle. Als es ans Zahlen geht, stöhnt sie: "Diese Kopfschmerzen!" Der Tankwart: "Kopfschmerzen? Da hab ich was für Sie." Und dann die Reklamesprecher-Stimme aus dem Off: "Wir wissen nicht, was dieser freundliche Tankwart empfiehlt. Wir empfehlen bei Kopfweh. . ."

Togal. Im Deutschland des Wirtschaftswunders und zuvor war dieses Wort ein Synonym für Kopfwehtablette, so wie Tempo für Taschentuch und Tesa für Klebestreifen. Hergestellt in München: 1914 gründete Gerhard F. Schmidt das "Kontor Pharmacia", um seine Medikamente zu produzieren, in Bogenhausen an der Ismaninger Straße. Schon sechs Jahre später exportierte er Togal in 30 Länder weltweit. Zu ihren Hochzeiten hatte die Firma mehr als 100 Mitarbeiter, der Jahresumsatz wurde auf 100 Millionen D-Mark geschätzt.

1960 übernahm der Sohn des Firmengründers die Geschäfte, Günther J. Schmidt, zu der Zeit 42 Jahre alt. Schmidt der Jüngere ist mit dem Ausdruck "bunter Vogel" treffend und hinreichend beschrieben, er verbrachte seine Tage gerne auf Sylt, war befreundet unter anderem mit Franz Josef Strauß, und wenn er gefragt wurde, ob er auch einen Rolls Royce fahre, sagte er: "Nein, zwei."

Immerhin bis ans Ende des 20. Jahrhunderts führte Schmidt die Firma erfolgreich, neben der Kopfwehtablette war die Fußpflege-Serie "efasit" der große Umsatzbringer. Dem Schmerzmittel allerdings hatte die Stiftung Warentest schon 1986, bei ihrem ersten Medikamenten-Test, ein ausgesprochen schlechtes Urteil ausgesprochen: Es enthalte Chinin und Lithium, das sei für die Schmerztherapie überflüssig, wenn nicht schädlich.

Ob es daran lag oder an Schmidts fortgeschrittenem Alter - 2009 geriet das Unternehmen in gehörige Schieflage; es entging der Insolvenz nur, weil der Besitzer den Großteil seiner Anteile verkaufte. Heute befindet es sich im Besitz einer Investment-Firma. Das namensgebende Produkt, die Togal-Tablette, wurde 2011 vom Markt genommen. Mittlerweile ist sie zurückgekehrt, unter dem alten Namen, aber ohne die seinerzeit beanstandeten Inhaltsstoffe.

Kurz nach seinem Ausstieg aus dem Unternehmen starb Günter J. Schmidt, im Alter von 91 Jahren. Das Togal-Areal an der Ismaninger Straße wurde an die Bayerische Hausbau verkauft, sie ersetzt es durch "Wohnungen im gehobenen Segment".

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