Süddeutsche Zeitung

Pflichtverteidiger Adam Ahmed:Der Doppelmord in Krailling ist sein nächster Fall

Schon in seiner Jugend war er Verteidiger - als Fußballer beim FC Bayern München. Später verteidigte Adam Ahmed den Moshammer-Mörder. Nun hat der 40-Jährige einen neuen Fall: Der mutmaßliche Doppelmörder von Krailling hat ihn ausgewählt. Wie der Jurist mit den schrecklichen Taten umgeht.

Christian Deussing

Schon in seiner Jugend war er Verteidiger. Beim FC Bayern München. Dort wurde Adam Ahmed in den 1980er Jahren Deutscher Fußballmeister der Junioren. Er hatte alle 78 Spiele der Saison mitgemacht. "Ich bin ein Kämpfer und kann mich durchbeißen", erzählt Ahmed in seiner Kanzlei, im fünften Stock eines Geschäftshauses in der Münchner Innenstadt. Der 40-jährige Rechtsanwalt ist der neue Wahlpflicht-Verteidiger von Thomas S., den die Staatsanwaltschaft für einen Doppelmörder hält. Am 24. März soll er in Krailling heimtückisch und aus Habgier seine acht und elf Jahre alten Nichten umgebracht haben. In diesen monströsen Fall steigt jetzt Ahmed intensiv ein.

Er sei von dem Beschuldigten ausgewählt worden, sagt Ahmed, der auch den Moshammer-Killer verteidigt hatte - ebenso wie den 25-jährigen Tunesier, der vor einigen Jahren seine erst 18-jährige Ehefrau nach einer Abi-Feier erstochen hatte. Beide Angeklagten wurden zu lebenslänglicher Haft verurteilt, mit besonderer Schwere der Schuld. Ahmed hat sie trotzdem nicht fallen gelassen, betreut die Häftlinge weiter im Straubinger Gefängnis.

Der Tunesier hat ihm ein schönes Adlerbild gemalt, das Werk steht auf dem Fenstersims der Kanzlei. Der Anwalt setzt sich dafür ein, dass sein Mandant auch einen arabischen TV-Sender empfangen kann. Denn trotz 50 Kanälen ist dies bisher in dieser Strafanstalt nicht möglich.

Die Chemie zwischen ihm und einem Mandanten müsse stimmen, betont der promovierte Strafverteidiger. Der "Zugang" sei wichtig, den er im Fall von Thomas S. verspüre. Er kritisiert die "Vorverurteilung" seitens der Staatsanwaltschaft, die sich eventuell auch selbst hinterfragen sollte.

Ahmed ist aber vorsichtig und will nicht zu früh aus der Deckung im Kraillinger Fall, um keinen Fehler zu machen. "Taktik und eigene Hingabe" seien wichtige Attribute für eine gute Verteidigung. Ahmed versucht stets, authentisch zu sein. Er verspricht seinen Mandanten keinen Erfolg, sondern nur, sich "hundertprozentig für sie einzusetzen". Dann akzeptierten die Angeklagten wohl auch eher das spätere Urteil.

Die Tat lässt ihn nicht kalt

Eine schreckliche Tat lässt ihn nicht kalt, doch sie belasten ihn auch nicht. "Ich könnte sonst nicht diesen Job machen", erläutert Ahmed, der sich gern beim Mountainbiken entspannt oder zum Ausgleich junge talentierte Fußballer in München und Umgebung berät, damit diese "nicht abheben", wie er sagt. Überhaupt ist der Münchner ein bodenständiger Typ, der gern auch in Regensburg oder Passau Urlaub macht. Sein Vater ist Iraker, seine Mutter Griechin.

Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Werkzeug-Mechanikerlehre bei Siemens und holte später das Abitur nach. Ahmed besuchte als Zuschauer Prozesse und ihm wurde klar, dass er Rechtsanwalt werden wollte, um "anderen zu helfen". Ein halbes Jahr machte der Jurastudent zudem ein Praktikum in einer Kanzlei in Los Angeles.

Energisch wird Ahmeds Blick hinter seiner randlosen Brille, wenn es um das aktuelle Reizthema "Sicherungsverwahrung" geht, die er als verfassungswidrig bezeichnet. Ahmed befasst sich mit Fällen aus Bayern, die bald vor dem Europäischen Gerichtshof entschieden werden. Der Jurist moniert zudem die "zu wenigen und mangelhaften Therapien" in den Strafanstalten. Man merkt, er könnte jetzt noch viel länger über möglichen Missstände reden. Dennoch sagt auch Ahmed, "wenn jemand gefährlich ist, soll man die Allgemeinheit vor ihm schützen". Aber dies sollte auch legitim sein.

Nun naht die Anklage im Mordfall Krailling. Eine neue anspruchsvolle Herausforderung für Ahmed. Sein Mandant aus Peißenberg, der nicht geständig ist, hat viele tatrelevante DNS-Spuren in der Wohnung der ermordeten Geschwister hinterlassen. Es sei das "größte Desaster für einen Anwalt", meint Ahmed, "wenn der eigene Mandant einen im Prozess überrascht ". Das will Ahmed durch intensive Gespräche mit Thomas S. verhindern.

Dabei dürfte es auch um die Strategie gehen - und vielleicht um menschliche Abgründe und Motive, die noch gar nicht bekannt sind.

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Quelle:
SZ vom 09.08.2011/sonn
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