Süddeutsche Zeitung

Pflegekräftemangel:"In der philippinischen Kultur erfahren alte Menschen eine andere Wertschätzung"

Die Innere Mission München ist auf Altenpfleger aus dem Ausland angewiesen - und darüber froh. 17 philippinische Pflegekräfte kamen allerdings nie hier an. Warum Deutschland mehr ausländische Pflegekräfte und weniger Bürokratie braucht, erzählt der Chef der Inneren Mission.

Von Carolina Torres

Die Arbeitsbelastung ist hoch, das Gehalt könnte besser sein - immer weniger Menschen wollen in Deutschland Altenpfleger werden, doch alte Menschen gibt es immer mehr. Viele Einrichtungen stellen deshalb Pflegekräfte aus dem Ausland ein. Auch die Innere Mission in München. Die Einarbeitung vietnamesischer Pflegeschüler läuft bereits, Arbeitskräfte aus Spanien werden im März erwartet. Doch manchmal scheitern alle Bemühungen an der deutschen Bürokratie. 17 philippinische Pflegekräfte, die Anfang Februar einreisen sollten, kamen nie in München an. Warum das so ist, erklärt der Vorsitzende der Inneren Mission München, Günther Bauer. Ein Gespräch über ausländische Fachkräfte und die deutschen Behörden.

SZ: Herr Bauer, warum arbeiten Sie mit Pflegern aus Ländern wie Vietnam oder den Philippinen zusammen?

Günther Bauer: Wir sind auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Wir haben einfach zu viele offenen Stellen - die sind kaum mit einheimischem Personal zu besetzen. Ich habe einige der philippinischen Fachkräfte kennengelernt. In der philippinischen Kultur erfahren alte Menschen eine ganz andere Wertschätzung als bei uns. Die Frauen haben sehr positiv auf die alten Menschen reagiert und umgekehrt. Wir haben diese Erfahrung auch mit der Gruppe vietnamesischer Pflegekräfte gemacht. Seit einigen Monaten sind sie jetzt bei uns und lernen den Beruf. Und wir sehen, dass das Verhältnis zu den Menschen herzlich ist.

Nun konnten die Fachkräfte aus den Philippinen aber nicht einreisen. Wo liegt das Problem?

Das Problem liegt in der Berufsanerkennung. Die Frauen hatten zuvor in der deutschsprachigen Schweiz gearbeitet und wollten im Anschluss zu uns kommen. Die sprachliche Qualifikation spielt also gar keine Rolle. Die Schweiz ist aber kein EU-Mitglied. Die Berufsanerkennung, die dort schon erfolgt ist, reicht der bayerischen Landesregierung nicht. Mit den Erzieherinnen aus Spanien hatten wir überhaupt keine Probleme. Jetzt muss jede Pflegekraft von den Philippinen ein Gleichwertigkeitsanerkennungsverfahren durchlaufen. Da sie aus der Schweiz aufgrund der ausländerrechtlichten Bestimmung ausreisen mussten und sie aber nach Deutschland noch nicht einreisen dürfen, sind sie jetzt vorübergehend zurück in ihr Heimatland fliegen.

Worum geht es bei diesem Gleichwertigkeitsanerkennungsverfahren?

Es soll prüfen, ob die Ausbildung auf den Philippinen gleichwertig mit der ist, die hier bei uns gefordert wird. Bei uns ist die Ausbildung sehr praktisch ausgerichtet. Die Pflegerinnen mussten jetzt übersetzte und beglaubigte Zeugnisse vorlegen und auch einen Nachweis über ihre Ausbildungsinhalte.

Deutsche Behörden sind manchmal ziemlich kompliziert: Wieso war niemandem klar, dass die Berufsanerkennung so viel Zeit in Anspruch nimmt?

Wir arbeiten mit einer Schweizer Personalvermittlung zusammen, die sich um die Berufsanerkennung kümmert. Sie hat das einfach unterschätzt. Die Kollegen aus der Schweiz konnten sich wohl nicht vorstellen, dass es in einem anderen europäischen Land Probleme geben könnte, nachdem bei ihnen die Berufsanerkennung reibungslos verlief. Deutschland hat da leider ein sehr komplexes System. Das erschwert vieles. Das Thema wird uns sicher weiter beschäftigen: In Folge des demografischen Wandels gibt es immer mehr ältere Menschen in Deutschland, die Betreuung brauchen. Und die Fachkräfte aus Deutschland reichen einfach nicht aus.

Wie lange wird das Verfahren noch dauern?

Nachdem alle Unterlagen eingegangen sind dauert die Bearbeitung bis zu drei Monaten. Die Dokumente liegen nun seit zwei Wochen bei den Behörden. Wir haben jetzt einen Anwalt eingeschaltet, der prüft, ob das Verfahren beschleunigt werden kann.

Was machen die Pflegekräfte jetzt auf den Philippinen?

Momentan sind sie noch nicht woanders beschäftigt, aber einige überlegen sich wohl, ob sie jetzt in andere Länder gehen, in denen die Hürden für eine Arbeitserlaubnis nicht so hoch sind wie bei uns. Natürlich sind sie nervös, weil sie auf ihr Gehalt hier angewiesen sind. Die Verträge mit uns sind ja bereits unterzeichnet. Es ist uns natürlich peinlich, wie das gelaufen ist. Wir hatten auch schon für Unterkünfte gesorgt. Die Wohnungen stehen jetzt leer. Und wir brauchen die Pflegekräfte dringend.

Aber die deutsche Bürokratie funkt Ihnen dazwischen?

Genau. Entbürokratisierung würde an dieser Stelle vielen Menschen helfen - den Pflegekräften von den Philippinen, die jetzt verunsichert sind, und den alten Menschen, die auf Betreuer warten. Wieso überlässt man die Qualitätsprüfung nicht einfach den Trägern? Die Innere Mission muss ja im Endeffekt auch für die Qualität ihrer Leistungen gerade stehen.

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