Pflegekammer:Selbstverwaltet ist günstiger

"Pflegekammer light" vom 12. Oktober, "Keine Lobby für die Pflege" vom 19. Oktober sowie Leserbrief "Verkrustung ohne Patienten-Nutzen" vom 7. November:

So erfreulich es ist, dass über die Pflegekammer außerhalb von Fachzirkeln diskutiert wird, muss einigen der in diesem Leserbrief aufgeführten Fehlannahmen widersprochen werden. Da sind zunächst die angeblich hohen Kosten beruflicher Kammern. Der Schreiber übersieht, dass diese der öffentlichen Hand keine Kosten verursachen, da sie mitgliederfinanziert sind. Eine Überregulierung im Gesundheitswesen ist nicht erkennbar, vielmehr ist es durch Kostenträger und Leistungserbringer selbstverwaltet. Dort werden auch Gebühren und Kostenübernahmen der Kassen verhandelt. Kammern sind an beidem ebenso wenig beteiligt wie an Verhandlungen über Gehälter und Honorare. Das erledigen die ärztlichen Gewerkschaften, Marburger Bund und Hartmannbund. Dass Regularien für Ausbildung und Zulassung von der Berufsgruppe selbst erlassen werden und nicht von Berufsfremden, kann kaum ernsthaft beanstandet werden.

In der Pflege ist eine Fremd- und Mangelregulierung zu beklagen. Regeln werden dort durch Berufsfremde und Arbeitgeber getroffen. Das ermöglicht auch skandalträchtigen Heimbetrieben, von den Prüfstellen der Krankenversicherer mit Note eins versehen zu werden, da zum Beispiel schlechte Versorgung mit guter Dokumentation ausgeglichen werden kann. Hier schafft eine Kammer Abhilfe. Aufgrund unterschiedlichen Aufgabenprofils ist allerdings der Vergleich von Pflegekammer und Ärztekammer absurd.

Das deutsche Gesundheitswesen ist eines der besten auf dieser Welt, was unter anderem daran liegt, dass alle Menschen in Deutschland guten Zugang zu nötigen Behandlungen haben. Da ist die Klage, dass Ärzte kaum je in Konkurs gingen, ein Sägen am Ast, auf dem man selber sitzt. Der Schreiber ignoriert auch, dass in ländlichen Regionen ein deutlicher Ärztemangel besteht. Im städtischen Bereich muss der Bürger froh sein, dass es keinen Verdrängungswettbewerb unter Leistungsanbietern gibt und diese sich nicht auch noch Gedanken um ihr Marketing machen müssen. Das Bedauern über die gesicherte Position ärztlicher Unternehmen ist nicht nachvollziehbar.

Die Behauptung, Kammern leisteten nichts für die Bürger, ist falsch, denn es ist für den Bürger ein Gewinn, wenn Mitarbeiter im Gesundheitswesen zur Fortbildung verpflichtet sind und sich diese Verpflichtung aus der fachlichen Sicht der Kammer und nicht der Verhandlungsmasse der Tarifpartner speist.

Die Diskussion um eine Kammer ist in Bayern inhaltlich längst geführt, der Leserbrief um einige Jahre verspätet. Heute müssen sich die Bürger Bayerns der neuen "Vereinigung der bayerischen Pflege" widmen, einem Konstrukt, das ohne Beteiligung der bayerischen Pflegeverbände, der Dekanekonferenz der Pflegestudiengänge, des größten bayerischen Wohlfahrtsverbandes und der kommunalen Spitzenverbände den Bürger circa eine Million Euro pro Jahr kosten wird. Ein Gewinn für den Bürger darf in dieser arbeitgeberdominierten Organisation kaum vermutet werden. Jürgen Hollick, Haar

Leserbriefe stellen keine redaktionelle Meinungsäußerung dar, dürfen gekürzt und digital veröffentlicht werden. Briefe ohne Nennung des vollen Namens werden nicht veröffentlicht. Bitte geben Sie für Rückfragen Ihre Adresse und Telefonnummer an. Das Leserforum des SZ-Ressorts "München-Region- Bayern" erreichen Sie per E-Mail unter forum-region@sueddeutsche.de, per Fax unter 089/2183-8295 oder postalisch unter: Süddeutsche Zeitung, Leserforum Region, Hultschiner Straße 8, 81677 München.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: