Pflege:Nicht verhungert - aber unterernährt

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Die Heimaufsicht beklagt massive Mängel bei der Versorgung alter Menschen, die nicht mehr selbständig essen können.

Von Sven Loerzer

"Massive Mängel" hat die Münchner Heimaufsicht bei der Ernährung von Heimbewohnern mit der Magensonde festgestellt. So erhalten die alten, schwer kranken Menschen oft nicht genügend Kalorien, um den Tagesbedarf zu sichern.

"Unterernährung ist aber nicht nur bei Bewohnern, die über Magensonde ernährt werden, festzustellen, sondern trifft auch Bewohner, die eine teilweise oder vollständige Hilfestellung bei der Nahrungsaufnahme benötigen", hat der Leiter der Heimaufsicht des Kreisverwaltungsreferats, Jochen Meindorfer, auf eine Anfrage von CSU-Stadträtin Evelyne Menges mitgeteilt.

Es gebe zwar nach den stichprobenartigen Überprüfungen keine Erkenntnisse, dass Bewohner in den Münchner Heimen verhungern. Doch sei Unterernährung bei Bewohnern ein Problem, denen flüssige Nahrung über einen Schlauch durch die Bauchdecke direkt in den Magen zugeführt wird.

Die Heimaufsicht bestätigt damit Erkenntnisse des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenversicherung (MDS), der wegen der bundesweit beobachteten Mängel Alarm geschlagen hatte. Auch der Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern registrierte im Umgang mit jedem dritten untersuchten Bewohner, der nicht mehr selbständig isst und trinkt, eine Reihe von Mängeln.

Bei Ernährung von Magensonden-Patienten sieht die Heimaufsicht vor allem den behandelnden Arzt in der Verantwortung: "Im Rahmen seines Therapieplanes hat er in diesen Fällen eine ausreichende und adäquate Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr zu verordnen."

Weil das bislang wohl nur schlecht funktioniert, mahnt Meindorfer: "Hier besteht für das Sozialministerium und die Kassenärztliche Vereinigung Handlungsbedarf." Sowohl Pflegekräfte als auch Hausärzte bräuchten im Bereich "Ernährung und Flüssigkeitszufuhr" bei älteren, pflegebedürftigen Menschen dringend Fortbildung.

Erhebliche Unkenntnis bei Pflegekräften

Darüber hinaus hat die Heimaufsicht darauf gedrungen, die Bewohner regelmäßig zu wiegen und das Gewicht zu dokumentieren, um so Veränderungen schneller erkennen und darauf besser reagieren zu können.

Da auch "massive Beratung" durch die Heimaufsicht in den Einrichtungen und ein Rundschreiben an die Heimträger bisher offenbar kaum Änderung brachten, sollen jetzt Schulungen folgen: Die Heimaufsicht will im nächsten Jahr mit Unterstützung des Sozialreferats Unterricht zur Ernährung und Flüssigkeitszufuhr in Pflegeheimen geben. Schon jetzt füllt das Thema "Ernährung" rund 70 Prozent der gesamten Beratungszeit der Heimaufsicht aus.

Erhebliche Unkenntnis bei Pflegekräften über den Umgang mit der Magensonde und Komplikationen beklagt auch die Leiterin der Beschwerdestelle für den Altenpflegebereich, Kornelie Rahnema: "Grundwissen war teilweise nicht vorhanden." So wurden etwa Hygieneregeln nicht eingehalten.

Auch "Beobachtungen, die mit der Ernährung durch eine Magensonde einher gehen müssen, wie etwa Gewichtskontrolle, wurden vergessen und waren teilweise nicht geschult." In manchen Fällen sei vorgeschlagen worden, bei einem Bewohner eine Magensonde zu legen, ohne Alternativen zu diskutieren, heißt es in dem Bericht, den Sozialreferent Friedrich Graffe heute dem Sozialausschuss des Stadtrats vorlegt.

© SZ vom 02.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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