Personalwechsel:Ein Theologe an der Spitze

Personalwechsel: Eine neue Ära für die Münchner Aids-Hilfe bricht mit Tobias Oliveira Weismantel als Geschäftsführer an.

Eine neue Ära für die Münchner Aids-Hilfe bricht mit Tobias Oliveira Weismantel als Geschäftsführer an.

(Foto: Privat)

Tobias Oliveira Weismantel leitet künftig die Münchner Aids-Hilfe

Von Sven Loerzer

Nach mehr als 35 Jahren als Geschäftsführer und Gründungsmitglied der Münchner Aids-Hilfe hat Thomas Niederbühl, 59, zum Jahresende das Amt abgegeben, um sich auf seine Arbeit als Stadtrat der Rosa Liste zu konzentrieren. Seine Nachfolge hat jetzt Tobias Oliveira Weismantel, 44, angetreten, ebenfalls katholischer Theologe wie Niederbühl. Oliveira Weißmantel ist in Regensburg geboren, wo er auch studierte und promovierte. Er war Pressesprecher der Hochschule Augsburg und zuletzt acht Jahre lang Geschäftsführer des Deutschen Katechetenvereins, eines Fachverbands für religiöse Bildung und Erziehung. "Der Sozialbereich ist theologenaffin, denn in beiden Bereichen geht es um den Menschen", sagt Oliveira Weismantel, auch wenn zwischen dem Lebensentwurf im LGBTI*-Bereich und kirchlicher Haltung Unterschiede bestehen. Oliveira Weismantel sieht sich selbst als "Spätzünder": Er habe zwei Kinder und sei zehn Jahre mit einer Frau verheiratet gewesen, sich dann aber für einen anderen Lebensentwurf entschieden. Nach langem Ringen trennte er sich von seiner Frau, seit 2019 ist er mit einem Mann verheiratet und führt einen Doppelnamen - ohne Bindestrich, wie es das brasilianische Namensrecht zulässt. Anders als Niederbühl, dem wegen seines Engagements in der Schwulenbewegung nach dem ersten Staatsexamen die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen wurde, hat Oliveira Weismantel in dem liberal geprägten katholischen Fachverband nie Probleme bekommen. Es sei jedoch verletzend, "wenn die Amtskirche mit dem Sündenhammer über einem schwebt und meinen Lebensentwurf verurteilt". In großen Teilen der Kirche gebe es inzwischen aber durchaus auch Offenheit.

Nach acht Jahren habe er das Feld wechseln wollen, um "nah an den Menschen zu sein und für Menschen etwas tun zu können." Er freue sich, "das, wofür ich lebe und stehe, jetzt auch zu meinem Arbeitsfeld zu machen". Neben der klassischen Beratung rund um HIV/Aids und sexuell übertragbare Krankheiten hat die aus der Selbsthilfe entstandene Aids-Hilfe immer mehr soziale Aufgaben übernommen. Neben Angeboten für die LGBTI*-Community gehören Beschäftigungsprojekte wie das Tagungszentrum und das Sozialrestaurant Café Regenbogen und die "Trans*Inter*Beratungsstelle" dazu, insgesamt hat die Aids-Hilfe rund 70 Beschäftigte. Gerade in der Pandemiezeit sei es wichtig, die Beratungsangebote unter Beachtung der Hygieneregeln aufrechtzuerhalten.

Die Aids-Hilfe klar zu positionieren in der Öffentlichkeit, sei ihm ein wichtiges Anliegen, sagt Oliveira Weismantel. Zusammen mit den anderen Initiativen der Community und der Stadt will er die Antidiskriminierungsarbeit voranbringen: "Solang schwul als Schimpfwort benutzt wird, bleibt noch viel zu tun." So wie Oliveira Weismantel davon überzeugt ist, dass es Rückzugsräume als spezielle Angebote braucht für die Community, sollte es "auch normal sein, wenn sich zwei Männer auf einer Tanzfläche in einem Club küssen". Dann, sagt der neue Geschäftsführer, "wären wir einen Schritt näher an der offenen, bunten Gesellschaft", die gern beschworen wird.

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