Perlach:Der nächste Rückschlag

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Behörden stoppen Inbetriebnahme der Flüchtlingsunterkunft an der Nailastraße ein weiteres Mal. Der geplante Träger-Verbund zieht die Reißleine, weil ihm die Prognosezahlen minderjähriger Flüchtlinge zu unsicher sind. Nun sucht das Sozialreferat nach einer Alternative

Von Hubert Grundner, Perlach

Die geplante Flüchtlingsunterkunft an der Nailastraße in Perlach steht offenbar unter keinem guten Stern: Nachdem sich die Eröffnung der Anlage bereits mehrmals verzögert hatte und sie nun endlich in diesen Tagen hätte in Betrieb gehen sollen, haben die Behörden diesen Termin erneut storniert. Davon hat das zuständige Sozialreferat jetzt den Vorsitzenden des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach, Thomas Kauer (CSU), unterrichtet.

Befragt nach den näheren Umständen, verwies Sozialreferats-Sprecherin Hedwig Thomalla auf einen Beschluss des Stadtrats vom 28. Juni dieses Jahres. Damals war es um die Betriebsvergabe der Unterkunft an der Nailastraße gegangen. Demnach sollte als Träger ein Verbund zum Zug kommen, bestehend aus Jugendhilfe Condrobs, Diakonisches Werk Rosenheim, Heilpädagogisch-psychotherapeutische Kinder- und Jugendhilfe, Kinderschutz und Verein für Sozialarbeit, zum Zug kommen. Doch wie Thomalla nun erklärte, seien die Verhandlungen zwischen diesem Bewerber und dem Sozialreferat am 6. Oktober endgültig gescheitert: "Wesentlicher Grund war das vom Bewerber als zu hoch erachtete wirtschaftliche Risiko bei den vorgegebenen Rahmenvorgaben und den schwer zu prognostizierenden Ankunftszahlen von unbegleiteten Minderjährigen." Die Ankunftszahlen von unbegleiteten Minderjährige seien, so die Sprecherin weiter, innerhalb der vergangenen drei Monate deutlich rückläufig gewesen.

Seit dem Abbruch der Verhandlungen arbeite das Sozialreferat "intensiv daran, eine Alternativbelegung für die Liegenschaft zu realisieren und damit sicherzustellen, dass diese hochwertige Unterkunft möglichst zeitnah belegt und sinnvoll genutzt wird". Hierzu will man dem Stadtrat voraussichtlich am 9. November einen Entscheidungsvorschlag vorlegen. Die Unterkunft an der Nailastraße befinde sich in einem Gewerbegebiet, eine Wohnnutzung sei rechtlich nicht möglich. Für die Unterbringung von Flüchtlingen sehe Paragraf 246 des Baugesetzbuches jedoch eine Ausnahmeregelung vor, teilt das Sozialreferat abschließend mit.

Im "Helferkreis Nailastraße" ist die Nachricht von der erneuten Verschiebung des Betriebs mit großer Enttäuschung aufgenommen worden. Für deren Sprecher und Koordinator, Walter Meyer, ist es "ein schlimmes Trauerspiel". Helfer hielten sich bereit, die Stadt ehrenamtlich bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Vereine, Schulen und soziale Einrichtungen stünden mit ihren Angeboten in den Startlöchern. "Doch Landeshauptstadt und Politik betreiben Missmanagement", kritisiert Meyer. Wertvolle Zeit und Geld würden vergeudet. Das Vorgehen von Politik und Verwaltung lässt ihn zu dem Schluss kommen: "Der Respekt gegenüber engagierten Bürgern scheint nicht sehr groß zu sein." Das jetzige Scheitern der Verhandlungen zwischen Stadt und Träger ärgert Meyer umso mehr, als Alternativen zu einer Belegung mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zuvor abgewiesen worden seien. So hätten Bewohner Perlachs etwa vorgeschlagen, das Frauenhaus für weibliche Flüchtlinge von der Rosenheimer an die Nailastraße zu verlegen.

Mit der Stadtspitze hart ins Gericht geht auch Guido Bucholtz. Er sitzt für die Grünen im BA Ramersdorf-Perlach und ist dort Unterkunftsbeauftragter. Ihm zufolge stellt sich das Projekt Nailastraße als nicht enden wollende Geschichte von Pleiten, Pech und Pannen dar - für die Christine Strobl (SPD) mitverantwortlich sei. In einem offenen Brief wirft Bucholtz der Dritten Bürgermeisterin vor, dafür ständig nur die Schuld bei anderen gesucht zu haben. Dabei hätte sie wissen müssen, was auch vielen Menschen im Stadtteil schon vor Monaten klar gewesen sei: dass kaum noch minderjährige Flüchtlinge nach München kämen. Weshalb ja auch eine Bürgerin im Bezirksausschuss den Antrag gestellt habe, die Unterkunft für Frauen und Kinder von der Rosenheimer Straße in die bereits fertige Wohnanlage an der Nailastraße zu verlegen. Zugleich hätte man auf diesem Weg die frühere Heiz- und Hausmeisterzentrale der Gewofag an der Rosenheimer Straße wieder dem Festspielhaus als neues Domizil zur Verfügung stellen können.

© SZ vom 27.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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