Süddeutsche Zeitung

Perlach:Bedrohtes Kulturgut

Der Gasthof zur Post am Pfanzeltplatz war einmal Mittelpunkt des Dorflebens. Jetzt will der Eigentümer Wirtshaussaal und Speicher in Gästezimmer umwandeln. Stadtviertelvertreter und Denkmalschützer sind entsetzt

Von Hubert Grundner, Perlach

Für viele Perlacher, und beileibe nicht nur die, ist der Pfanzeltplatz der schönste Dorfplatz Münchens. Tatsächlich aber ist er ein bedrohtes Idyll, denn in das alte Bauerndorf von einst drängt das neue Geld: Ablesen lässt sich das an den sich häufenden Um- und Ausbauten rings um den Platz. Gegen einen aktuellen Bauantrag aber laufen Lokalpolitiker, Denkmal- und Brauchtumsschützer gemeinsam Sturm. Es geht um das Anwesen Pfanzeltplatz 12, besser bekannt als "Gasthof zur Post". Der Eigentümer will das denkmalgeschützte Gebäude in großem Stil umbauen. Ein Vorhaben, das die Mitglieder des Bezirksausschusses (BA) Ramersdorf-Perlach in ihrer jüngsten Sitzung strikt abgelehnt haben.

Mit den Details hatte sie zuvor der Vorsitzende des Unterausschusses Bauvorhaben, Stadtplanung und Stadtentwicklung, Wolfgang Thalmeir (CSU), vertraut gemacht. Ihm zufolge betrifft der Bauantrag Nutzungsänderungen innerhalb des Gebäudes. So sei beabsichtigt, die Gaststätte im Erdgeschoss einschließlich Nebenzimmer zu erhalten und im Innenhof einen Biergarten, etwas größer als bisher, anzulegen. Dagegen hatte der BA nichts einzuwenden. Gegen die weiteren Ziele des Bauantrags hat das Gremium aber entschieden Widerspruch eingelegt. Denn der Eigentümer will offenbar den Saal im ersten Obergeschoss sowie den Speicher im Dachgeschoss zu Gästezimmern umbauen. Und das wiederum wollen die Lokalpolitiker um jeden Preis verhindern.

Nach ihrer Meinung ist nicht nur das denkmalgeschützte Gebäude an sich, sondern auch dessen Nutzung als klassisches bayerisches Wirtshaus mit gutbürgerlicher Küche ein Bestandteil des Ensembles "Pfanzeltplatz". Aus dem gleichen Grund unterliege auch der große Saal im Obergeschoss des Anwesens dem Ensembleschutz. Als Ort, der für Theateraufführungen und Veranstaltungen von vor allem örtlichen Vereinen nutzbar sei, präge er den Charakter des Ortskerns mit. Der Saal sei also Teil des Kulturguts von Perlach. Oder wie Thalmeir formulierte: "Ensembleschutz bedeutet nicht nur die Erhaltung einer im Zusammenhang stehenden Gruppe von Gebäuden an sich. Ensembleschutz muss auch deren kulturelle und soziologische Beziehung sowie deren Nutzungszusammenhang erfassen."

Das klassische bayerische Ensemble - Kirche und Wirtshaus mit Saal am zentralen Platz - sei ein weithin bekanntes Kennzeichen der hiesigen Kulturlandschaft. Und dieses Ensemble gelte es im Ortskern Ramersdorf ebenso wie im Ortskern Perlach "mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu schützen", mahnt der BA. Für den Erhalt gerade des Saals spreche außerdem die Tatsache, dass das Kulturzentrum am Hanns-Seidel-Platz wohl noch geraume Zeit nicht zur Verfügung stehen werde.

Den Einwand, den der Eigentümer offenbar vorgebracht hat, nämlich dass sich die notwendige Renovierung des Saals mit den Vereinsnutzungen nicht rechnen würde, ließen die Lokalpolitiker nicht gelten. Zum einen sei Kultur nie billig und zumeist auch auf Zuschüsse angewiesen. Zum anderen könnte eine umfassende Renovierung die Attraktivität des Saals so steigern, "dass die Funktion, die dieser Saal einmal hatte, nämlich ein Kristallisationspunkt für Brauchtum, Vereinsleben und Kultur im Ortskern zu sein, ohne weiteres wieder aufleben kann". Dafür notwendig sei vor allem auch ein barrierefreier und behindertengerechter Ausbau, heißt es in der Stellungnahme. Einen solchen Umbau hatte der Eigentümer offenbar mit Verweis auf den Bestand - fehlender Aufzug, fehlender barrierefreier Zugang - als "nicht, in zumutbarer Weise, umsetzbar" zurückgewiesen. Was wiederum der BA so nicht stehen lassen wollte: Für jegliche Nutzung im ersten Obergeschoss sei ein barrierefreier und behindertengerechter Zugang absolut notwendige Voraussetzung. Außerdem seien dem Erwerber des Gasthofs dessen Zustand, die Bedeutung, die Denkmaleigenschaft und der Ensembleschutz bekannt gewesen. Er wusste also, welche baulichen Maßnahmen notwendig werden würden und welche Nutzung möglich sein werde.

Der BA kam deshalb zu dem Schluss: "Eine Nutzung des ersten Obergeschosses sowie des Dachgeschosses als Beherbergungsbetrieb wird kategorisch abgelehnt." Dieses Nein begründen die Lokalpolitiker auch damit, dass es sich dabei offenbar um ein Boardinghaus handle. Doch weder dies noch ein weiteres Hotel brauche der Ortskern Perlach. Stattdessen bräuchten die Menschen einen Platz für Brauchtum, Vereine, Veranstaltungen, Kultur und bürgerschaftliche Nutzung.

Abgesehen davon legte der BA sein Veto gegen die geplante Umgestaltung der Außenhülle ein. Insbesondere sei jeglicher Anbau von Gauben im Dachgeschoss unzulässig, kritisierte das Gremium. Ebenso missfiel ihm eine Fluchttreppe, die wohl angebracht werden müsste, sollte das Boardinghaus genehmigt werden: Die zerstöre den Charakter des denkmalgeschützten Gasthofs in geradezu fataler Weise.

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Quelle:
SZ vom 18.08.2020
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