Süddeutsche Zeitung

Penzberger Islam-Gemeinde:Vom Verfassungsschutz beobachtet

Die Islamische Gemeinde Penzberg will in München eine Moschee gründen. Dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet wird, löst Empörung aus.

C. Rost und K. Auer

Die Islamische Gemeinde Penzberg, die in München eine Moschee samt Akademie zur Ausbildung von Imamen gründen will, wird weiter vom bayerischen Verfassungsschutz beobachtet.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kritisierte die erneute Nennung der Muslime im Verfassungsschutzbericht 2009, der am Dienstag von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vorgelegt wurde.

Die Ministerin besuchte just an diesem Tag die Moschee in Penzberg und betonte, dass nach ihren Informationen "die Vorwürfe des Verfassungsschutzes gegen die Gemeinde in dieser Gewichtung nicht zutreffen".

Auch der CSU-Fraktions-Chef im Münchner Stadtrat, Josef Schmid, der Einblick in Telefonabhörprotokolle genommen hatte, kommt zu einer "vollkommen anderen Bewertung als der Verfassungsschutz". Schmid unterstützt weiterhin das geplante "Zentrum für Islam in Europa" (Ziem) in München und auch die Islamische Gemeinde Penzberg.

Im Verfassungsschutzbericht heißt es, die Penzberger Gemeinde sei in Verbindung mit den islamistischen Organisationen Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) und Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) zu sehen.

Funktionäre der beiden großen Verbände stehen im Verdacht, "den internationalen Terrorismus finanziell zu unterstützen". Bei Ermittlungen gegen Ibrahim El-Zayat, bis vor kurzem IGD-Präsident, seien Verbindungen zum Penzberger Imam Benjamin Idriz festgestellt worden, obwohl sich Idriz von der IGD distanziert und Kontakte bestritten hatte.

Auch zu Milli Görüs bestehen laut Verfassungsschutz Kontakte. Innenminister Herrmann räumte ein, dass gegen den Verein in Penzberg nichts strafrechtlich Relevantes vorliege. Doch einige Muslime in Penzberg verfolgten das Ziel, eine islamistische Gesellschaft unter dem Recht der Scharia zu errichten.

"Ich bin mir bewusst, dass in der Gemeinde vieles Nützliche läuft", sagte Herrmann, aber es gebe eben bei einzelnen Mitgliedern auch "problematische Entwicklungen". Beim geplanten Ziem-Projekt sei entscheidend, "was da an Inhalt stattfinden wird", sagte der Minister. Gegen das Konzept als solches sei "nichts einzuwenden". Aber: "Wenn es sich um ein trojanisches Pferd handelt und dahinter Leute stehen, die anderes im Schilde führen", dann halte er von diesen Plänen nichts.

Imam Idriz, der das "Zentrum für Islam in Europa München" (Ziem) mit finanzieller Unterstützung des Scheichs von Sharjah plant, wies die Vorwürfe entschieden zurück. Der Verfassungsschutz gehe ohne Grundlage gegen eine Minderheit vor.

Während seine Gemeinde von den beiden christlichen Kirchen, der jüdischen Gemeinde und allen demokratischen Parteien im Münchner Stadtrat offiziell unterstützt und als vorbildlich gelobt werde, gebe es nur einen rechtsextremen Münchner Stadtrat und eben den Verfassungsschutz, die die Integrationsbemühungen seiner Muslime torpedieren.

Weil die Gemeinde vom Verfassungsschutz unter der Rubrik "Ausländerextremismus" geführt wird, wurde ihr die Gemeinnützigkeit entzogen. Die Regierung von Oberbayern untersagte zudem nach einem Hinweis des Verfassungsschutzes vor drei Wochen allen Schulen Moscheebesuche in Penzberg.

Bei der Stadt Penzberg um Bürgermeister Hans Mummert (SPD) ist man erschüttert über das staatliche Vorgehen. Und auch der Fraktionschef der Münchner Stadtrats-CSU, Josef Schmid, ist verblüfft über die Verfassungsschützer. Schmid kennt die Abhörprotokolle, die den Imam belasten sollen, und meint dazu: "Das ist alles konstruiert."

Nur weil sich Idriz am Telefon mit einem IGD-Funktionär geduzt habe, werde daraus abgeleitet, die Penzberger würden von den großen Muslimverbänden gesteuert. Es gebe keinerlei neue Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung über die Gemeinde. "Ich kann nur mit dem Kopf schütteln", so Schmid zur SZ.

Das Innenministerium hat die Gemeinde bereits seit drei Jahren im Visier. Der frühere Innenstaatssekretär und heutige CSU-Fraktionschef im Landtag, Georg Schmid, brachte die Muslime als Erster öffentlich in Verbindung mit Islamisten. Mit "internen Unterlagen" wollte Schmid damals beweisen, dass der Penzberger Imam den "reinen Islam" propagiere.

Bei SZ-Recherchen stellte sich aber heraus, dass Idriz diese Unterlagen von einem Islamlehrer aus Wien gemailt bekommen hatte. Hildebrecht Braun, ehemaliger FDP-Bundestagsabgeordneter und Rechtsanwalt der Muslime, sagte, Schmid habe bei seiner Bewerbung als Innenminister den "harten Hund" geben müssen. Später sei er zurückgerudert, nicht jedoch der Verfassungsschutz, "der jetzt sein Gesicht wahren muss". Für die Islamische Gemeinde sei der Schaden unglaublich groß.

Als "Zufall" bezeichnete Leutheusser-Schnarrenberger ihren Besuch in Penzberg just an diesem Dienstag. Sie sei aber "froh über diesen Zufall" und lobte die Integrationsbemühungen, die Deutschkurse, konfessionsübergreifenden Schulungen und den öffentlichen Kindergarten der Moschee.

"Auch verantwortungsvolle Politiker aus dem Freistaat werden diese Bemühungen unterstützen", sagte die bayerische FDP-Chefin mit Blick auf die Staatsregierung und kündigte "Gespräche" in München an. Darin wird es auch um die einstweilige Verfügung der Penzberger gegen den Verfassungsschutz gehen. Seit elf Monaten liegt die Verfügung beim Verwaltungsgericht, ohne dass es zu einer Entscheidung kam.

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SZ vom 31.03.2010/amm
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