Pegida in München:Islamhass kittet Neonazis zusammen

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  • Bei der ersten Kundgebung des offiziellen Pegida-Ablegers in München marschierten mehr als 200 Neonazis mit. Die Sicherheitsbehörden fürchten, dass es diesen Montag noch mehr werden könnten.
  • Sie beobachten in der radikalen Szene eine starke Mobilisierung - obwohl diese stark zersplittert ist.
  • Nach dem Verbot der Vereinigung "Freies Netz Süd" versuchen die Neonazis nun, sich in Parteistrukturen zu organisieren, um ein neues Verbot zu umgehen.

Von Andreas Glas, Dominik Hutter und Susi Wimmer, München

18 000 zu 1500: Die Kräfteverhältnisse scheinen geklärt zu sein. Mit seinen großen Anti-Pegida-Kundgebungen hat München ein bundesweit beachtetes Zeichen gesetzt. Bei den Sicherheitsbehörden herrscht dennoch Alarmstimmung. Der Verfassungsschutz fürchtet, dass bei den Demonstrationen am kommenden Montag noch mehr Rechtsextremisten unterwegs sein könnten als in dieser Woche.

In der radikalen Szene sei erneut eine starke Mobilisierung zu beobachten, berichtet der Verfassungsschützer Markus Schäfert. Offenkundig fühlten sich die Rechtsextremisten "beflügelt", seit sie im Lager des bayerischen Pegida-Ablegers Bagida mitmarschieren. Schäfert warnt deshalb eindringlich: "Wer zu Bagida geht, muss damit rechnen, dort Seite an Seite mit Rechtsextremisten zu demonstrieren."

Rechtsradikale aus ganz Deutschland reisten an

München als Hort des Rechtsextremismus? Was sich Nazi-Kreise seit Langem wünschen, erscheint angesichts der Zersplitterung der Szene als zunächst undenkbar. Zumal bei der Kommunalwahl 2014 die rechtsradikale Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) ihren Stimmenanteil auf magere 0,7 Prozent halbiert hat. Miriam Heigl von der städtischen Fachstelle gegen Rechtsextremismus ist dennoch überzeugt, dass die Szene in München nicht zu unterschätzen ist.

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Von Andreas Glas

Sie habe eine "signifikante Mobilisierungsfähigkeit" - am vergangenen Montag folgten Rechtsradikale aus ganz Deutschland dem Ruf ihrer Münchner Gesinnungsgenossen. Offenkundig verfügten die hiesigen Akteure also über erheblichen Einfluss.

Die Bagida-Organisatorin will von Extremen nichts wissen

BIA-Stadtrat Karl Richter ist bundesweit vernetzt - auch wenn er sich inzwischen mit Teilen der NPD überworfen hat und nicht mehr stellvertretender Bundesvorsitzender der rechtsradikalen Partei ist. Der Extremist, der im Rathaus völlig isoliert ist, hat kürzlich ganz offen Zuspruch von der islamfeindlichen "Freiheit" mit ihrem ebenfalls in München lebenden Bundesvorsitzenden Michael Stürzenberger erhalten. Dieser habe, wie Miriam Heigl beobachtet, seine ursprüngliche "Tarnstrategie" aufgegeben und agiere zunehmend radikaler.

Bagida-Organisatorin Birgit Weißmann weist hingegen zurück, Rechtsextreme in ihren Reihen zu haben - und beruft sich dabei ausgerechnet auf die einschlägige Internetseite "Politically Incorrect", auf der auch Stürzenberger regelmäßig seine Thesen vertritt. Dieser "alternative Nachrichtenblog" habe eindeutig dargestellt, dass Bagida von Parteien unabhängig sei. Bei Bagida seien Rechtsextreme nicht willkommen.

Welche Neonazis in München untwerwegs waren

Die allerdings haben die Sicherheitsbehörden am vergangenen Montag in großer Zahl unter den Bagida-Demonstranten ausgemacht. Mehr als 200 Neonazis waren vom Sendlinger Tor zum Stachus marschiert. Darunter führende Köpfe der Szene. Allen voran Karl-Heinz Statzberger, der wegen eines versuchten Sprengstoffanschlags auf das jüdische Kulturzentrum 2005 zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden war: Er ist jetzt in der Partei "Der Dritte Weg" in München aktiv.

Ebenfalls im Raum München agiert Pierre Fürbaß-Pauly vom "Dritten Weg". Die im vergangenen Jahr neu gegründete Partei hatte auch Mitglieder aus anderen bayerischen Verbänden mobilisiert, darunter Walter Strohmeier aus der Führungsriege in Niederbayern sowie Roy Asmuß aus Altötting. Roland Wuttke, NPD-Funktionär aus Mering, marschierte mit, er ist für die Bürgerinitiative Ausländerstopp und die NPD im schwäbischen und oberbayerischen Raum aktiv. Aus der Oberpfalz trat Robin Siener als einer der führenden Köpfe in der Naziszene auf. Mit dabei der Münchner Philipp Hasselbach: Er ist ein Intimfeind von Karl-Heinz Statzberger und ist selbst für die Partei "Die Rechte" aktiv.

Dass beim Bagida-Marsch so viele Rechtsextremisten aus unterschiedlichen Parteien gemeinsam marschiert sind, deutet auf eine neue Entwicklung hin. Denn zuletzt war es ruhig geworden in der Neonazi-Szene. Sie befand sich offenbar im Umbruch, seit im vergangenen Sommer das Innenministerium das bis dato größte bayerische Neonazi-Netzwerk Freies Netz Süd (FNS) verboten hatte. Monatelang gab es kaum Aktionen, "intern gab es Streitereien", man versuchte, sich neu zu strukturieren, sagt Verfassungsschützer Schäfert.

So sei zum Beispiel die Hasselbach-Partei "Die Rechte" "einige Monate fast inaktiv gewesen", so Schäfert. Einzig BIA-Stadtrat Karl Richter sei in den vergangenen Monaten häufiger öffentlich in Erscheinung getreten. Unter anderem mit Kundgebungen vor der Bayernkaserne hatte Richter versucht, das Thema Flüchtlinge für seine Zwecke zu nutzen.

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Verschiebung vom Thema Asyl hin zur vermeintlichen Islamisierung

Nun zeichnet sich allerdings ab, dass neue Strukturen wachsen - vor allem beim "Dritten Weg". Nach dem Ende des FNS hat es zwar eine Weile gedauert, doch inzwischen ist ein Großteil der FNS-Mitglieder dem "Dritten Weg" beigetreten, dem derzeit etwa 80 Mitglieder angehören. "Die wichtigsten Kader haben einfach nur das Label gewechselt", sagt Marcus Buschmüller vom Antifaschistischen Informations- und Dokumentationsarchiv (Aida).

Außerdem gebe es jetzt "eine klare Orientierung in Richtung Parteienstruktur". Für Buschmüller ist klar, was die Gruppe damit verhindern will: ein neuerliches Verbot. Denn während das FNS-Netzwerk keine Partei war und deshalb als Gruppierung relativ unproblematisch verboten werden konnte, darf ein Parteienverbot einzig und allein das Bundesverfassungsgericht aussprechen - in einem Verfahren, das mehrere Monate oder sogar Jahre dauern kann.

Schnittmengen mit bürgerlichen Kreisen

Im Zuge der wachsenden Pegida-Bewegung stellt Verfassungsschützer Schäfert auch "eine Themenverschiebung" beim "Dritten Weg" fest: "Bis vor Kurzem hatte sich alles auf das Thema Asyl konzentriert, jetzt ist es die vermeintliche Islamisierung." Eben diese von Pegida gestreute Furcht vor Islamisierung könnte nun ein Kitt für die zersplitterte und zerstrittene Neonazi-Szene in und um München sein. Es scheint, als hätten die Neonazis erkannt, dass das Thema "viel eher Schnittmengen in bürgerliche Kreise hinein bietet. Und die Bühne, die Pegida bietet, will natürlich keiner von ihnen auslassen", sagt Schäfert.

Die Pegida-Proteste könnten die gespaltene Neonazi-Szene zumindest kurzfristig zusammenschweißen. Nur so kann sich Schäfert erklären, "dass Leute wie Statzberger und Hasselbach, die in einem Konkurrenzverhältnis stehen, beide bei der gleichen Veranstaltung waren". Der starke Zulauf für die Pegida-Bewegung könnte allerdings dazu führen, dass neue Streitigkeiten innerhalb der rechten Szene aufbrechen. Schäfert erwartet, dass "Eifersüchteleien" entstehen, sobald eine Neonazi-Gruppierung stärker von Pegida profitiert als andere. Vorläufig allerdings scheint sich zu bestätigen, dass die rechte Szene in München wieder an Stärke gewinnt. Zum Marsch am kommenden Montag haben die Bagida-Organisatoren 2000 Personen angemeldet - das wären noch einmal 500 mehr als vergangene Woche.

© SZ vom 17.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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