Pegida-Demonstration:Nachts, wenn es bunt wird

Pegida-Demonstration: Die Anti-Pegida Demonstranten stellen sich schützend um das Mahnmal am Platz der Opfer des Nationalsozialismus.

Die Anti-Pegida Demonstranten stellen sich schützend um das Mahnmal am Platz der Opfer des Nationalsozialismus.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Zu ihrem ersten Jahrestag kamen weniger Pegida-Anhänger in München zusammen, als angemeldet.
  • Gegendemonstranten und Polizei hinderten Pegida daran, einen Kranz an das Mahnmal auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus zu legen.
  • Charlotte Knobloch, die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München, kritisiert, dass die Stadt Pegida-Veranstaltungen an solch symbolischen Orten überhaupt zulässt.

Von Martin Bernstein

Für einen Moment wird es still an diesem sonst so lauten Montagabend. Die vielen Münchner, die sich schützend um die Ewige Flamme am Platz der Opfer des Nationalsozialismus gestellt haben, schweigen. Und selbst den Pegida-Marschierern auf der Brienner Straße verschlägt es für einen Augenblick die "Merkel muss weg!"-Sprechchöre. Ein Trompeter auf der Seite von "München ist bunt" spielt "Die Moorsoldaten" - das Lied, mit dem KZ-Häftlinge ihren Durchhaltewillen bekundeten.

Doch die Stille währt nicht lang. Die Pegida-Führung will an der Gedenkstätte einen Kranz niederlegen lassen. Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hat zugestimmt. Mit versteinerter Miene steht KVR-Chef Wilfried Blume-Beyerle am Absperrgitter. Ein Verbot und eine mögliche erneute Niederlage vor Gericht hat er nicht riskieren wollen.

Knobloch fordert das Verbot von Pegida-Aufmärschen

Es ist diese Haltung, die Charlotte Knobloch empört. Die Münchner Ehrenbürgerin und Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde hat den Pogrom vom 9. November 1938 selbst er- und überlebt. Sie fordert das Verbot der Pegida-Aufmärsche. Notfalls müsse man bis vors Bundesverfassungsgericht gehen, sagt Knobloch.

"Es wäre absolut unerträglich, wenn auch am 9. November der Aufmarsch der Neonazis genehmigt würde, an jenem Tag, als Goebbels 1938 von München aus die 'Reichskristallnacht' initiierte. Die Vorstellung, 77 Jahre später könnten wieder Nazis als Mob durch unsere Straßen ziehen, erfüllt mich mit blankem Entsetzen und Wut", sagt die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Wut und Entsetzen, diese Gefühle prägen den Protest von insgesamt 600 Pegida-Gegnern an diesem Abend in der Innenstadt. Die Feldherrnhalle, die vor einer Woche noch Schauplatz eines beklemmenden Auftritts neonazistischer Pegida-Anhänger war, ist von Münchnern umringt. Und auf dem Platz der Opfer des Nationalsozialismus wäre für Pegida kein Durchkommen zur Gedenkstätte. Die Einsatzleitung der Polizei hat die Absperrgitter so postiert, dass Pegida-Gegner das Mahnmal schützen können.

Die Polizei hat die Pegida-Demonstranten nicht nahe herangelassen

Die Rechten dürfen ihren Kranz nur unter einem Baum am Grünstreifen ablegen. Als Pegida-Chef Heinz Meyer, der wegen Kontakten zum Rechtsterroristen Martin Wiese im Visier der Bundesanwaltschaft ist, näher zum Gedenkort will, schicken ihn Polizisten zurück auf die Brienner Straße.

Doch das ist den Demonstranten nicht genug. Nachdem ein Pegida-Gegner versucht hat, den Kranz wegzuschleudern, das Gebinde der Rechten aber wenig später unter Polizeischutz wieder zurückgebracht wird, skandieren sie: "Der Kranz muss weg!" Und der Kranz, den viele als Provokation empfinden, kommt weg: Nach wenigen Minuten tragen ihn Polizeibeamte davon, in einem Einsatzwagen der Feuerwehr wird er abtransportiert.

CSU-Stadtrat fordert Ermittlungen gegen Pegida-Teilnehmer

Wie wenig es Pegida um die Würde der KZ-Opfer geht, erlebt Stadtrat Marian Offman (CSU). Er beobachtet während der Kranzniederlegung einen Pegida-Teilnehmer, der ein Schild mit der Aufschrift "Überfremdung ist Völkermord" hochhält. "Überfremdung": Joseph Goebbels hat dieses Wort zum rassistischen Kampfbegriff der Nazis gemacht.

Dieses Schild, sagt Offman, "ist an Zynismus nicht mehr zu überbieten. Er ist Ausdruck von Rassismus und bedeutet eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und dieses vor dem zentralen Gedenkort." Offman hat Polizei und Staatsanwaltschaft aufgefordert, wegen des Verdachts der Volksverhetzung zu ermitteln. Dass das Schild während des gesamten Pegida-Zugs zu sehen war, zeige, dass sich die Teilnehmer "mit dieser rassistischen und den Holocaust relativierenden Aussage wohl identifizieren".

Weniger Pegida-Teilnehmer als angemeldet

Die polizeibekannten Neonazis unter den Pegida-Anhängern sind an diesem Montag vorsichtshalber zu Hause geblieben. Und über steigende Teilnehmerzahlen hat Pegida sich zu früh gefreut - 350 sind zum Jahrestag angemeldet worden, 250 sind gekommen. Die hören bei den Kundgebungen vor allem wirre Thesen zur Weltpolitik, Verschwörungstheorien und Putin-Elogen inbegriffen. Pegida-Chef Meyer sagt: "Bei uns darf jeder reden."

Doch für Charlotte Knobloch gibt es keinen Zweifel: "Die Maske ist längst gefallen. Pegida ist eine offen rassistische, fremdenfeindliche und antisemitische Bewegung, die gestoppt werden muss." Die bürgerliche Fassade, die sich Pegida gerne gebe, sei eine Verhöhnung der Zivilgesellschaft und jener Demokraten, "die gegen das braune Pack Gesicht zeigen".

Die Überlebende des Nazi-Terrors empfindet das "schauerliche Schauspiel" der Kranzniederlegung als Verspottung der Opfer. "Dass sich diese Perfidie ohne staatliche oder juristische Intervention zutragen konnte, ist ein Skandal."

Knobloch kritisiert die Stadtverwaltung

Hatte Pegida ursprünglich an verschiedenen Orten in der Stadt demonstriert, so sucht die rechte Gruppierung seit Wochen mit ihren Veranstaltungen bewusst sensible zeitgeschichtliche Orte auf: Königsplatz, Feldherrnhalle, jetzt den Platz der Opfer des Nationalsozialismus. Und "obwohl die Teilnehmer unmissverständlich den Nationalsozialismus verherrlichen und die Täter glorifizieren", bleibe das folgenlos, kritisiert Knobloch die Stadtverwaltung.

KVR-Chef Blume-Beyerle zeigt jedoch auch am Tag danach wenig Neigung, die Genehmigungspraxis der Stadt grundlegend zu ändern. Immerhin: Eine Kundgebung der Pegida vor der Feldherrnhalle hat seine Behörde wenige Stunden vor Beginn verboten. Allerdings nur mit dem formalen Verweis darauf, dass der Platz bereits von "München ist bunt" belegt sei.

Erinnerungsorte an die Zeit der NS-Herrschaft dürfen von rechtsgerichteten Demonstranten nicht missbraucht werden - das fordert auch Stadtrat Dominik Krause (Grüne). Er ist am Montagabend Augenzeuge des gespenstischen Treibens der Pegida-Anhänger. Am 9. November werde so etwas nicht wieder passieren: "Sollte das KVR kein Verbot aussprechen oder damit vor Gericht scheitern, obliegt es der Zivilgesellschaft, hier ein klares Zeichen zu setzen." So wie an diesem Montag.

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