Süddeutsche Zeitung

Paulaner-Brauerei:Geist, Fleisch und Bier

Sie galten als Schicksalsgemeinschaft: Seit 1634 ist Paulaner eine feste Größe in der Au. Doch jetzt zieht die Brauerei an den Stadtrand - das Ende einer jahrhundertlangen Geschichte.

Wolfgang Görl

Die Paulaner-Brauerei und die Au - das schien eine Schicksalsgemeinschaft zu sein, ein Bündnis für alle Zeiten. Aber da trog der Schein, denn Paulaner verlässt seinen Standort in Richtung Langwied, nur die Verwaltung und der Vertrieb sollen in der Ohlmüllerstraße bleiben. Damit endet eine Geschichte, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht.

Um 1700 zählte die Au etwa 1500 Einwohner. Sie war ein Fischer- und Bauerndorf, dessen Bewohner ein kärgliches Dasein fristeten. 1621 spendierte der fromme Herzog Wilhelm V., der sich bereits aufs Altenteil zurückgezogen hatte, den Auern eine Kirche, die dem heiligen Borromäus geweiht wurde. Mit der Frömmigkeit war es bei den Fischern und Bauern wohl nicht weit her, weshalb der Herzog alsbald Basilianer-Mönche zur Seelsorge in die Au berief. Die herzogliche Order "Mehr Geist als Fleisch" zu sein, verkehrten die lebenslustigen Fratres ins Gegenteil, was zur Folge hatte, dass sie das Kloster "Neudegg ob der Au" rasch wieder räumen mussten.

Mittlerweile war das liederliche Treiben in der Vorstadt zur Chefsache geworden, und der Chef war Kurfürst Maximilian I., ein sittenstrenger Fundamentalkatholik und Führer der katholischen Liga im Dreißigjährigen Krieg. Maximilian holte die für ein gottgefälliges Leben bekannten Paulaner an die Isar, die weder Fleisch noch Eier, Milch oder Käse essen durften und stattdessen "Öl, Kräutelwerk, Teig und geselchten Fisch" verzehrten. Wein war erlaubt, aber teuer. Um nicht ganz vom Fleisch zu fallen, verfielen die Paulaner der Idee, sich ein eigenes Bier zu brauen. Das geschah um das Jahr 1634 - "zur eigenen Hausnotdurft".

So genau nahm man das aber nicht. Die klösterlichen Brauer brachten ihr Bier ungeniert unter die Leute, unter anderem bezahlten sie ihre Handwerker-Rechnungen mit "flüssiger Nahrung". Immer wieder beschwerten sich die Münchner Brauer über den illegalen Ausschank, doch trotz amtlicher Abmahnungen und Strafandrohungen führten die Paulaner-Mönche ihr lukratives Biergeschäft fort. Erst 1751 legitimierte Kurfürst Max III. Joseph den bis dahin lediglich geduldeten Ausschank, allerdings nur für den 2. April, den Todestag des Ordensgründers Franz von Paola, sowie für die darauf folgende Woche. Knapp 30 Jahre später wurde den Paulanern der unbeschränkte Bierverkauf gestattet.

Zu dieser Zeit wirkte bereits der Bruder Barnabas Still als klösterlicher Braumeister. Ehe der aus der Oberpfalz stammende Sohn eines Bierbrauers in den Orden eintrat, war das zur Fastenzeit kredenzte Sankt-Vater-Bier - die Münchner verhudelten den Namen bald zu Salvator-Bier - zwar gehaltvoll, am Geschmack aber hatten nur strenge Büßer ihre Freude. Erst Bruder Barnabas fand eine Rezeptur, die dem Starkbier die Note verlieh, die noch heute gerühmt wird.

Davon hatte auch Kurfürst Karl Theodor Wind bekommen, der sich alljährlich zum Fest des heiligen Franz von Paola den ersten Krug Fastenbier reichen ließ. Bei dieser Gelegenheit hatte Bruder Barnabas einen Huldigungsspruch aufzusagen, welcher der Salvatorprobe auf dem Nockherberg auch in unseren Tagen ein weihevolles Gepräge verleiht: "Salve, pater patriae! Bibas, princeps optime." Nebenher hat Barnabas Still die Klosterbrauerei stetig erweitert, so dass man mit einem jährlichen Bierausstoß von 3200 Hektolitern die Konkurrenz abhängte.

Nachdem sich das Kloster unter dem Eindruck der Säkularisation im Jahr 1799 selbst aufgelöst hatte - "auf eigenen Wunsch", wie es hieß - , schlug bald die Stunde von Franz Xaver Zacherl. Der umtriebige Brauer pachtete 1806 die Brauerei, sieben Jahre später kaufte er sie samt dem ehemaligen Klosterareal auf dem Nockherberg. Zacherl brachte das marode Unternehmen wieder auf Vordermann, er baute die Brauerei kontinuierlich aus, setzte moderne Technik wie die Dampfkraft ein, und als es Scherereien mit dem Finanzamt gab, zog er König Ludwig I. auf seine Seite. Für seine Zeit war er ein moderner Arbeitgeber: Jedem Angestellten stand ein Mittagessen zu, auch abends wurden Suppe, Fleisch oder Leberwürste serviert.

Im 19. Jahrhundert hatte sich die Au zu einem Arbeiter- und Tagelöhnerquartier gewandelt, 1854 erfolgte die Eingemeindung. Paulaner gehörte zu den wichtigsten Arbeitgebern des Viertels. Nach Zacherls Freitod 1849 setzten dessen Erben Heinrich und Ludwig Schmederer den Ausbau fort. Seit 1899 firmierte das Unternehmen unter dem Titel "Aktiengesellschaft Salvatorbrauerei". Nach dem Ersten Weltkrieg expandierte die Brauerei weiter, 1928 fusionierte man mit der Brauerei der Gebrüder Thomass zur "Paulaner-Salvator-Thomasbräu AG". 1939 brachte die Brauerei rund 300 000 Hektoliter Bier unter die Leute. Während des Krieges aber wurde auch das Paulaner-Imperium Ziel der alliierten Bomber, die Anlagen wurden zu 70 Prozent zerstört. Erst 1959 erreichte man den Ausstoß der Vorkriegszeit.

Zwanzig Jahre später stieg der Unternehmer Josef Schörghuber mit dem Kauf von Paulaner und Hacker-Pschorr ins Biergeschäft ein. Schörghuber leitete einen weiteren Wachstumskurs ein, der mit dem Einstieg von Heineken 2002 eine strategische Neuausrichtung erfuhr. Die Holländer halten knapp 50 Prozent der Brau Holding International AG, unter deren Dach die Beteiligungen der Schörghuber-Unternehmensgruppe im Bereich Getränke gebündelt sind. Derzeit brauen Paulaner und Hacker-Pschorr zusammen rund 2,3 Millionen Hektoliter Bier jährlich.

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SZ vom 30.11.2011/bica
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