Süddeutsche Zeitung

Musik in der Passionszeit:"Stabat mater" für Mariupol

In den Münchner Kirchen kommt heuer neben den bekannten Passionsmusiken von Bach oder Pergolesi auch eine Neukomposition zur Aufführung, die den Menschen in der von Russen besetzten ukrainischen Stadt gewidmet ist.

Von Jutta Czeguhn

"Dieses ,stabat Mater' entstand im Frühjahr 2022, als die schrecklichen Bilder der Bombardierung der Stadt Mariupol, die mir bis dahin unbekannt war, um die Welt gingen. Als ich mehr über diesen Ortsnamen erfahren wollte, stieß ich auf die kurze, aber bedeutende Geschichte der Stadt, die 1779 von einer Gruppe griechischer Kaufleute gegründet wurde, die ihr den Namen ,Marienstadt' gaben", schreibt Lucio Mosè Benaglia. Der Komponist, Jahrgang 1960 und seit 2009 Organist der Italienischen Katholischen Gemeinde München, bringt dieses Werk nun am Sonntag, 2. April, zur Uraufführung (20 Uhr, Bürgersaalkirche, Neuhauser Straße 14).

Mit seinem Stabat Mater will Benaglia nicht nur seine Verbundenheit zu den Menschen in der besetzten ukrainischen Stadt zum Ausdruck bringen. Er widme, so schreibt er, seine Komposition auch zwei besonderen Künstlern: der ukrainischstämmigen Schriftstellerin Natascha Wodin, deren Roman "Sie kam aus Mariupol" ihn mit der Stadt bekannt gemacht hat, und dem litauischen Regisseur Mantas Kvedaravičius, der zwei Dokumentarfilme über Mariupol gedreht hat. Sein letzter ist 2022 entstanden. Am Tag der Uraufführung von Benaglias Musik liegt Kvedaravičius' Tod genau ein Jahr zurück, er wurde am 2. April 2022 während der Dreharbeiten vermutlich von russischen Soldaten getötet, als er zusammen mit anderen Zivilisten aus Mariupol fliehen wollte. Er wurde 45 Jahre alt.

Jung, mit nur 26 Jahren, starb auch Giovanni Battista Pergolesi (1710 - 1736). Dass er sein "Stabat mater" auf dem Sterbebett in einem neapolitanischen Kloster komponiert haben soll, ist eine der vielen Legenden, die sich um diesen Frühvollendeten ranken. Unzweifelhaft aber ist seine Vertonung des gleichnamigen mittelalterlichen Gedichtes bis heute die populärste. Zu hören ist Pergolesis Stabat Mater in dieser Passionszeit unter anderem am Sonntag, 26. März, in St. Augustinus in Trudering (17 Uhr, St.-Augustinus-Straße 2).

Zu den zentralen Klangbildern der Karwoche gehört Johann Sebastian Bach mit seinen monumentalen Oratorien, der "Matthäuspassion" und der "Johannespassion", deren verheerende Wirkungsgeschichte wegen ihrer judenfeindlichen Passagen, die den Antijudaismus Luthers widerspiegeln, bei aller Überwältigung durch die Musik immer mitgedacht werden muss.

"The Crucifixion" ist eher eine Meditation

Aufführungen der Johannespassion gibt es in den kommenden Tagen unter anderem in der Josephskirche (So., 26. März, 17 Uhr, Josephsplatz 1, Karten Pfarrbüro Tel. 2728940), in der St. Matthäuskirche am Sendlinger-Tor-Platz mit dem Münchner Motettenchor und dem Residenzorchester (Karfreitag, 7. April, 19 Uhr, Karten über www.muenchenticket.de) oder in der Isarphilharmonie, wo Ton Koopman mit seinem "Amsterdam Baroque Orchestra and Choir" sowie renommierten Solistinnen und Solisten auftritt (Karfreitag, 19 Uhr, Karten ebenfalls über www.muenchenticket.de.). Die Matthäuspassion wiederum ist im Herkulessaal zu hören (Donnerstag, 6. April, 19 Uhr, Karten über www.musikerlebnis.de).

Während Bach das Passionsgeschehen monumental inszeniert, ist da bei Sir John Stainer (1840 - 1901) fast schon britisches Understatement zu hören. Sein Passionsoratorium "The Crucifixion" ist eher eine Meditation. Und obwohl Stainer Organist in Londons riesiger St Paul's Cathedral war, sollten seine Werke auch in kleineren Kirchen ihre Wirkung entfalten und von guten Laienchören aufgeführt werden können. In München nun gibt es dieses hierzulande selten aufgeführte Werk jedoch hochprofessionell interpretiert in der Sendlinger Himmelfahrtskirche (26. März, 17 Uhr, Kidlerstraße 15).

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