Pasing/Obermenzing:Viel Lärm im Nichts

Bei einem Ortstermin im Wohnbaugebiet an der Paul-Gerhardt-Allee wird erneut die Forderung nach der Realisierung des Projektes "S-Bahn-Haltepunkt Berduxstraße" laut

Von Jutta Czeguhn, Pasing/Obermenzing

Ulrich Zimmermann versucht, gegen den Lärm anzusprechen, die Umstehenden treten dichter an ihn heran, der Mann vom Planungsreferat aber wird zum Pantomimen. Das Getöse eines vorbeirauschenden ICE schluckt seine Worte wie ein Schwamm. Was durchaus Symbolkraft hat, denn: Über einen S-Bahn-Halt im riesigen Wohnbaugebiet an der Paul-Gerhardt-Allee wird viel geredet, doch scheint das Meiste in den Wind gesprochen. Mitglieder des Bezirksausschusses (BA), Stadträte sowie die beiden Landtagsabgeordneten Otmar Bernhard (CSU) und Florian Ritter (SPD) haben sich deshalb dieser Tage zusammen mit Behördenvertretern dort getroffen, wo die S-Bahn einmal halten könnte, um die künftigen Bewohner der Großsiedlung in die Innenstadt zu bringen - an den Gleisen der Strecke München-Ingolstadt-Landshut. Dort standen einst die Eisbach-Studios, nun muss man mühsam über Geröllberge klettern, um an den Bahnstrang zu kommen. Ziemlich symbolhaft auch das, denn der Weg zu einem S-Bahn-Stopp erscheint außerordentlich steinig zu sein.

Während also S-Bahn, Regional- und Fernzüge auf ihren Gleisen zwischen dem 33 Hektar großen Baugebiet und dem Nymphenburger Schlossparkgelände geräuschvoll im dichten Takt verkehren, steckt das Projekt "S-Bahn-Haltepunkt Berduxstraße" irgendwie auf einem Abstellgleis fest. Manchmal auch "Schlosspark"-Halt genannt, findet man es zumindest "nachrichtlich" im aktuellen Nahverkehrsplan der Landeshauptstadt; so hatte es die Vollversammlung des Stadtrates im November 2015 beschlossen. Mehr als eine Absichtserklärung ist das aber nicht.

Baugebiet Paul-Gerhardt-Allee

Noch regiert der Bagger: Nahe der Gleise für die Strecke München-Ingolstadt-Landshut sollen zukünftig mehr als 5500 Menschen wohnen.

(Foto: Czeguhn / oh)

"Was also können wir tun, um das Projekt voranzubringen?" lautete die Kernfrage beim Ortstermin an den Gleisen. Denn zumindest im zuständigen Bezirksausschuss ist man überzeugt und weiß die Bevölkerung im Viertel hinter sich, dass ein Wohnquartier mit mehr als 5500 Menschen und 1000 Arbeitsplätzen nicht ausschließlich mit Shuttlebussen an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen werden kann. So ist es zumindest im Bebauungsplan vorgesehen. Zudem soll das neue Quartier drei Fuß- und Radwegebrücken bekommen; Priorität hat dabei für die Stadt die Brücke über die Offenbachstraße, die nördlich der Bahngleise zum Pasinger Bahnhof führen soll. Dann gibt es Optionen für einen Steig über die Fern- und S-Bahntrasse zwischen Baumbachstraße und "Am Knie", und nachrangig für eine Brücke in West-Ost-Richtung über die S-Bahn- und Ferntrasse in Richtung Schlosspark.

Der ICE ist gerade durchgefahren, Ulrich Zimmermann wiederholt seine Worte, da niemand irgendetwas verstanden hat: "Zunächst braucht man eine Machbarkeitsstudie, die würde dann auch eine Kostenschätzung ergeben." Die Summe, die derzeit als Hausnummer für den S-Bahn-Halt an der Berduxstraße gilt, liegt bei 14 Millionen Euro. Mit ihr operiert auch das Büro Intraplan Consult GmbH, von dem eine Untersuchung zu einer verbesserten Erschließung des Baugebietes an der Paul-Gerhardt-Allee stammt und die den Halt ganz nüchtern als unwirtschaftlich einstuft. "Das sind reine Schätzkosten und sie sind nicht aktuell", sagt bei dem Ortstermin Stadträtin Sonja Haider (ÖDP) zum Intraplan-Fazit. Der Bau des Halts an der Berduxstraße erscheint ihr lange nicht so kompliziert wie jener an der Von-der-Kahr-Straße oder am Hirschgarten zu sein.

Baugebiet Paul-Gerhardt-Allee

Viel Fantasie ist gefragt: Ortstermin im Schotter, der zum Bahnsteig werden soll.

(Foto: Czeguhn / oh)

Wieder rauscht eine S-Bahn durch, Andreas Bergmann, Grünen-Mitglied im Bezirksausschuss, wartet so lange und erklärt dann, wie der Bahnsteighalt zwischen den beiden S 2-Gleisen angelegt werden könnte: Dazu müsste eines der beiden Gleise auf einer Länge von 210 Metern etwa acht Meter nach Westen verschwenkt werden. Während der Bauphase könnte man die durchfahrenden S-Bahnen auf Ferngleise überleiten, der Bau sei also "unter dem rollendem Rad" möglich. Doch laut Ulrich Zimmermann sind es nicht alleine die Kosten, die ein Projekt wie den Berdux-Halt in Frage stellen. Ein anderes Argument ist das schlechte Abschneiden des Projektes in der sogenannten standardisierten Bewertung. Problem hier: Mit einem direkten Einzugsgebiet von 5000 bis 6000 Menschen liegt das Quartier unter der Schallgrenze von 10 000 Bewohnern, die einen Halt als "gesamtwirtschaftlich vorteilhaft" (Intraplan) gelten lassen. Zumal, auch das wirkt sich negativ auf die Bewertung aus, ein Halt an der Berduxstraße Nachteile für den Stadt-Umland-Verkehr bringen könnte; die Pendler von weiter draußen könnten womöglich wieder aufs Auto umsteigen, weil sie durch den Stopp drei bis vier Minuten später am Ziel wären. Eine Vorstellung, die Teilnehmer beim Ortstermin "lächerlich" finden.

Planungsträger des Projektes, sagt Ulrich Zimmermann, wäre der Freistaat, der die Machbarkeitsstudie in Auftrag geben und auch finanzieren müsste. Wie aber bewegt man nun die oberste Baubehörde im Freistaat zu diesem Schritt? Beim Ortstermin war man sich darüber rasch klar: Der Bezirksausschuss wird für die Studie stimmen, der Stadtrat hoffentlich auch. "Und dann wagen wir die Prognose, dass der Freistaats alles zahlt", sagte SPD-Stadtrat Christian Müller mit einem sachten Anflug von Ironie, die beim CSU-Landtagsabgeordneten Otmar Bernard allerdings irgendwie abprallt, weil er sie im Lärm einer passierenden S 2 womöglich überhört hat.

Bernhard sagt mit kaum erhobener Stimme nur, er werde demnächst mit dem Innenminister den Gesamtkomplex Bahnknotenpunkt München beraten. Man wolle eine Zeitschiene für anstehende Projekte ausarbeiten. "Dabei werde ich versuchen, den Halt Berduxstraße irgendwie einzuspeisen". Florian Ritter geht davon aus, dass die SPD an einem Strang ziehen wird. "Es wäre schön, wenn etwas voranginge, und es nicht noch fünf bis zehn Jahre dauert. In zwei Jahren nämlich werden hier die ersten Leute einziehen" sagt Sonja Haider - und schon rauscht wieder ein roter Regionalzug Richtung Stadt vorbei.

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