Pasing:"Vergesst uns nicht!"

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Viereinhalb Monate in Untersuchungshaft: die türkische Autorin und Physikerin Aslı Erdoğan hier bei einer Lesung 2018 im Literaturhaus. (Foto: Stephan Rumpf)

Texte aus türkischen Gefängnissen zum Tag der Pressefreiheit

"Sie glauben mir nicht? Sie meinen, ich hätte vom Haus aus Stein nur geträumt? Aber sind wir nicht aus dem Gärstoff der Träume erschaffen? Irgendwann bricht der Tag an, und am Horizont erscheinen blutrote Spuren." So schreibt die türkische Autorin Aslı Erdoğan in ihrem Buch "Das Haus aus Stein", einem eindruckvollen Roman über Gefangenschaft und den Verlust aller Sicherheiten. Die türkische Journalistin und Schriftstellerin lebt seit 2017 in Deutschland im Exil, in ihrer Heimat droht ihr eine Haftstrafe wegen Staatszersetzung. Ihre Artikel über die Verbrechen der türkischen Regierung gegen die Kurden im Zuge der Säuberungswelle nach dem gescheiterten Putschversuch hatten sie dort 2016 ins Gefängnis gebracht, in Isolationshaft. "Vergesst uns nicht! Stellt Öffentlichkeit her, zeigt Solidarität!", so Aslı Erdoğan, sei immer wieder die Bitte der Gefangenen dort gewesen, viele von ihnen Journalistinnen und Journalisten.

Zum Tag der Presse- und Redefreiheit streamt die Pasinger Fabrik am kommenden Montag, 3. Mai, 19.30 Uhr, einen Abend mit Texten türkischer Journalistinnen und Autorinnen. Ausgewählt und vorgetragen von BR-Sprecherin Julia Cortis, musikalisch umrahmt von Sängerin und Gitarristin Chrisa Lazariotou. Abgerundet wird die Veranstaltung durch ein Gespräch der SZ-Journalistin und langjährigen Türkei-Korrespondentin Christiane Schlötzer mit der Autorin, Schauspielerin und Juristin Dilşad Budak-Sarıoğlu. Mindestens 74 Schriftstellerinnen und Medienvertreter sollen derzeit in türkischen Gefängnissen inhaftiert sein, manche von ihnen ohne Aussicht auf Freilassung zu Lebzeiten. Die Türkei befindet sich auf der weltweiten "Liste der Pressefreiheit" von Reporter ohne Grenzen derzeit auf Platz 154 von 180. Mit der Lesung von Texten, die in türkischen Gefängnissen entstanden sind, soll ihnen Gehör verschafft werden. Und dabei auf die Schönheit und Kraft der Literatur aufmerksam gemacht werden, die die Schreibenden wieder als Menschen wahrnehmen lässt und einen Einblick gibt in ihr Leben in Haft. Drei Autoren und eine Autorin - Asli Erdoğan, Deniz Yücel, Selahattin Demirtaş und Ahmet Altan - sollen dabei für all jene stehen, die weltweit ihre Bücher nicht selbst vorstellen können.

Der kostenlose Stream zum Internationalen Tag der Redefreiheit wird noch weitere sieben Tage nach der Veranstaltung im Netz zu finden sein unter dem Link: https://www.pasinger-fabrik.de/Veranstaltung/vergesst-mich-nicht-texte-aus-dem-gefaengnis/.

© SZ vom 30.04.2021 / czg - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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