Süddeutsche Zeitung

Pasing:Solidarität im Hieronymuspark

Nur wenn alle Bewohner freiwillig ausziehen, will die Vonovia den Abriss zweier Blöcke in einer ehemaligen Eisenbahner-Siedlung durchziehen. Der Konzern muss künftig mit einer Mietergemeinschaft verhandeln

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Am Ende überwiegt die Erleichterung, Applaus erfüllt den Rathaussaal. Eine Stunde lang hatten sich dort rund 100 Mieter der ehemaligen Eisenbahner-Siedlung an der Hieronymus- und Volmstraße die Pläne des Immobilienriesen Vonovia für ihr Quartier angehört. Und die Nachrichten waren durchaus beruhigend. So beteuerte Carsten Baurigk, der Vonovia-Regionalleiter für München, dass man die Abrisspläne für zwei Wohnblocks in der Siedlung fallen lassen werde, wenn auch nur eine einzige der insgesamt 19 Mietparteien den Auszug ablehnt. Was zu erwarten ist, denn in den Bauten aus den 1960-er Jahren leben viele hochbetagte Menschen mit wasserdichten Altmietverträgen. Ganz auf die Zusagen der Vonovia verlassen wollen sich die Pasinger Mieter allerdings auch nicht. Nachdem die Firmen-Abordnung den Saal verlassen hatte, gründeten sie eine Mietergemeinschaft. Das Vorstandsteam, junge Leute allesamt, wird nun Alt- wie Neumieter gegenüber der Vonovia vertreten, die bislang das Einzelgespräch gesucht hatte.

Pasings Mieterbeirat Willy Schneider, der zur Informationsveranstaltung in den Rathaussaal geladen hatte, und Vertreter den Münchner Mietervereine mussten bei den Zuhörern erst ein wenig den Resonanzboden schaffen, ehe die Gründung der Mietergemeinschaft erfolgreich über die Bühne ging. Rechtsanwalt Martin Böhm etwa vom Verein "Mieter helfen Mietern" warnte vor "Schlupflöchern". Wie viel wert seien etwa Carsten Baurigks Garantien, sollte dieser das Unternehmen verlassen? Münchens Mieterbeirat Albrecht Schmidt (SPD) erinnerte sein Publikum daran, dass man es mit "Vollprofis" zu tun habe, mit denen man sich als Laie nicht auf "bilaterale" Verhandlungen einlassen sollte. Zudem sei eine entscheidende Frage von der Vonovia gar nicht thematisiert worden: Was wird das Wohnen nach der Modernisierung die Menschen kosten? Die Mieter müssten sich bewusst sein, dass die Vonovia nicht das Rote Kreuz, sondern ein Dax-notiertes Unternehmen sei, und Siedlungsprojekte wie das in Pasing "eine reine Goldgrube" für den Konzern. Er verwies auf die Modernisierungsumlage von acht Prozent: "Sie müssen alle höllisch wachsam sein!"

Carsten Baurigk und der beauftragte Architekt Tobias da la Ossa hatten den Mietern zuvor ihre Pläne für das Quartiersprojekt erläutert. Es geht um zwei Teilgebiete: Für Bereich A, einem "Stiefel" an der Lortzing-/Volmstraße, sei der Bauvorbescheid bereits durch, nicht aber für Bereich B, der die Wohnblöcke entlang der Hieronymus-, Volm- und Varnhagenstraße betrifft. Dort sollen Gebäude modernisiert und aufgestockt werden, beziehungsweise im Fall der Blöcke Volmstraße 27/29 und Hieronymusstraße 1/3 einem Hochhaus Platz machen. Darunter plant die Vonovia eine zweigeschossige Tiefgarage, mit der sie ihr Stellplatzproblem im Quartier zu lösen hofft. Die Frage, warum gerade diese beiden Gebäude in der Siedlung zum Abriss anstünden und nicht wie die meisten aufgestockt würden, beantwortete Baurigk mit dem Verweis auf Statikprobleme und andere "städtebauliche Gründe". Er räumte aber ein, dass man es dort nur mit 19 Mietparteien zu tun habe und nicht wie in anderen Blöcken mit 60. Man rechnete also mit weniger Ärger. Architekt de la Ossa versuchte, für das geplante Hochhaus als neues Quartierszentrum zu werben. Es gebe die Idee, dort ein Café, Arztpraxen, Kitas oder einen Bewohnertreff unterzubringen. Insgesamt wolle man die alte Eisenbahner-Siedlung in eine neue Zeit führen, mit Privatgärten, größeren, barrierefreien Wohnungen und Mobilitätsstationen.

Den Bestandsmietern der beiden "Abrissgebäude" - unter anderem dem 96-jährigen Ludwig Asam, der mit seiner Frau Judith ebenfalls zur Versammlung gekommen war -, hat die Vonovia einen "Strauß an Möglichkeiten" (Baurigk) angeboten, um ihnen den Auszug schmackhaft zu machen. "Idealerweise" sollten sie von diesem Schritt einen finanziellen Vorteil haben, etwa in Form von Abfindungen, der Bereitstellung einer vergleichbaren Wohnung in Pasing, Bayern oder darüberhinaus. Dabei will sich die Vonovia laut Baurigk in "einzelvertraglichen Vereinbarungen" mit den Mietern einigen. Die wasserdichten Klauseln in den Uraltverträgen, die etwa Ludwig Asam vor Eigenbedarfskündigungen oder nicht gewünschten Modernisierungen in der Wohnung schützen, sollen in neueren Verträgen "nachgeschärft" werden. Auf Nachfrage beteuerte Baurigk, dass er von der Vonovia "vollumfänglich" autorisiert sei, verbindliche Zusagen zu machen. Auch, was den Nichtabriss der Gebäude angeht, wenn die Mieter auf keines der Angebote eingehen.

In den Verhandlungen mit den Mietern, die nun anstehen, werden nun immer noch einige Leute mehr am Tisch sitzen: Das junge Vorstandsteam der Mietergemeinschaft "Hieronymuspark", Firass Ilgili, Dajana Radisic und Oguzhan Acikgöz.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4460226
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 24.05.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.