Süddeutsche Zeitung

Pasing:Patient Krankenhaus

Ob kommunal oder privat geführt, an der Pasinger Klinik wird seit Jahren saniert und gebaut. Der Helios-Konzern als aktueller Träger will das Behandlungsspektrum des 400-Betten-Hauses ausweiten und sich auf dem Münchner Gesundheitsmarkt stärker positionieren

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Aus dem Pasinger Zentrum ist mittlerweile eine Baustelle nach der anderen verschwunden. Nur eine ist geblieben, die sich den Titel "Dauerbaustelle" in vielerlei Hinsicht verdient hat: das Pasinger Krankenhaus. Man muss schon ein gutes Gedächtnis haben, um sich an Zeiten erinnern zu können, da am Klinikum mal keine Gerüste zu sehen waren. Derzeit verdeckt eine weiße Plane den Anbau an der Westseite, der voraussichtlich Ende 2016 in Betrieb gehen wird.

"Ich habe mich mit der Geschichte des Hauses ein wenig befasst", sagt Florian Aschenbrenner, als man ihm ein paar Zeitungsartikel über den Tisch schiebt. Der neue Geschäftsführer der Klinik ist gerade mal 33 Jahre alt und hat den Job seit einigen Monaten. Das Krankenhaus, sagt er, habe eine "große Tradition und Bedeutung für den Münchner Westen". Und die Zeitungsartikel belegen das: Im Jahr 1950 etwa wird der Wiederaufbau der kriegszerstörten Kreisklinik zu einer der "modernsten Krankenanstalten Münchens" mit 200 Betten vermeldet, damals noch an der Engelbertstraße. So geht es über die Jahrzehnte dahin bis in die Neuzeit. Immer wieder ist von Sanierungen, Erweiterungen die Rede, 1967 der Neubau am heutigen Standort Steinerweg. Der Landkreis München muss sich das Pasinger Klinikum und das Schwesterhaus in Perlach quasi exterritorial auf Münchner Stadtgebiet leisten, um die Grundversorgung seiner Bevölkerung sicherzustellen. Zur Historie gehört auch das notorische jährliche Defizit, stets Grund für hitziges politisches Gezänk, bis 2005 beide Kliniken mit ihren damals insgesamt 1150 Beschäftigten und 522 Betten für 30 Millionen Euro an die Rhön-Klinikum AG verkauft wurden. Ein ziemlicher Coup, den sich der damalige Landrat Heiner Janik (CSU) ans Revers heftete. Doch auch die Rhön-Ära ist inzwischen passé.

Florian Aschenbrenner vertritt die Helios-Gruppe, die die Häuser in Pasing und Perlach im Februar 2014 übernommen hat und sich mit den beiden Standorten nun auf dem komplexen Münchner Krankenhaus-Markt behaupten will. Aschenbrenner ist ein Helios-Gewächs, der Betriebswirt hat das Management-Trainee-Programm des Konzerns durchlaufen und dabei auch in der Pflege gearbeitet. Nach diversen Stationen - zuletzt leitete er die Helios-Frankenwaldklinik Kronach - hat er im September 2015 den Geschäftsführerposten am Helios Klinikum München-West übernommen, wie das Pasinger Krankenhaus mittlerweile offiziell heißt.

Der Westen, der beginnt schon in Schwabing und reicht bis Fürstenfeldbruck, definiert Ulrich Linsenmaier, der Ärztliche Direktor, das Einzugsgebiet der Pasinger Klinik. Er leitet heute am Klinikum West das Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie. Linsenmaier und Aschenbrenner sind vom Helios-Konzern mit der Aufgabe betraut, in den nächsten Monaten das medizinische Potenzial des Pasinger Hauses zu schärfen, "das Behandlungsspektrum auszuweiten und die medizinische Kompetenz zu verstärken". So heißt es in der offiziellen, vagen Konzern-Sprache. Linsenmeier kann übersetzen: "Die Strategie ist, die Themen zu besetzen, die von den städtischen Kliniken aus welchen Gründen auch immer aufgegeben werden. Da bieten wir uns dann in einigen Bereichen an." Am Schwabinger Krankenhaus etwa werde die Gefäßchirurgie komplett aufgegeben, hier gilt Pasing mittlerweile als führend in der Stadt. Derzeit sucht das Klinikum einen Chefarzt und Pflegekräfte für die Etablierung einer Akutgeriatrie. Weitere Zahlen, die der Konzern publik macht: Die zehn Fachabteilungen verfügen zusammen über 400 Betten. Im Klinikum München-West werden jedes Jahr an die 20 000 Patienten stationär und weitere 26 000 Patienten ambulant von 950 Mitarbeitern medizinisch versorgt.

Stolz sind Linsenmeier und Aschenbrenner auf die Zentrale Notaufnahme, kurz "Zena" mit ihrem 24-Stunden-Betrieb. Sie wurde 2012 in den Rhön-Jahren eingerichtet, die Besonderheit ist laut Linsenmeier die "interdisziplinäre Komplettdiagnostik". Circa 60 Prozent aller Patienten kommen dort an und werden von Ärzten aller Fachrichtungen untersucht, ehe es weiter auf die Stationen beziehungsweise in das OP-Zentrum geht. In den sogenannten Schockraum werden Patienten mit den Symptomen eines Schlag- oder Herzanfalls gebracht; seit 2013 gehört die Pasinger Klinik zu den fünf sogenannten Stroke Units in München.

Linsenmeier schiebt die Tür zur neuen "CT-Gasse" auf, die vom Schockraum direkt zu den High-Tech-Großgeräten, also dem Computertomografen und dem Magnetresonanztomografen führt. Eine ältere Dame fährt gerade in den CT-Trichter ein: Verdacht auf Lungenembolie. Auf dem Computerschirm im Vorderraum sieht man ihren Brustkorb, die Hauptschlagader. "Keine Embolie, eine Insuffizienz", sagt Linsenmeier im Vorbeigehen.

Etwa 60 Millionen Euro hatte die Rhön AG an Investitionen für die Modernisierungen am Standort Pasing angesetzt, dazu hatte sie sich im Kaufvertrag mit dem Landkreis verpflichtet. Das Parkhaus entstand, ein neuer Betten- und Funktionstrakt. Das Erbe - Bauabschnitt Nummer sieben - hat Rhön an Helios weitergereicht; es wurde eigens ein Projektsteuerer installiert. Helios steht schließlich im Konkurrenzkampf mit den anderen Münchner Kliniken, alte Planungen kommen auf den Prüfstand und werden angepasst. Die Verweildauer der Patienten hat sich reduziert, weniger Betten, weniger Operationssäle werden gebraucht, weshalb das dritte Obergeschoss des neuen Anbaus vorerst unausgebaut bleiben und auf das vierte ganz verzichtet wird. Bald aber soll das Klinikum West einen repräsentablen Eingang bekommen. In den vergangenen Monaten mussten Patienten und Besucher über einen schmalen Holzsteg klettern - so abenteuerlich ging es wohl nicht einmal in den Nachkriegsjahren zu.

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Quelle:
SZ vom 02.12.2015
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