Pasing:Mit Leidenschaft entstaubt

In der Pasinger Fabrik steht die nächste Opernpremiere an: Gioachino Rossinis "La Cenerentola"

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Cenerentola, bitte mit Waschkorb auf die Bühne!" Damit ist schon mal umrissen, worum es in Gioachino Rossinis Oper "La Cenerentola" und auch sonst im Leben geht: Will frau am Ende den Prinzen abbekommen, muss sie die Welt erst einmal mit allem Herzenseinsatz schrubben und entstauben. Im Vollwaschgang mit ein paar Tröpfchen Anarchie als Weichspüler. Regisseurin Julia Dippel lässt also ihre Cenerentola Carolin Ritter an diesem heißen Orchesterprobentag in der Wagenhalle der Pasinger Fabrik zunächst stoisch ihren Pflichten als Paria in einer schrecklich unnetten Familie nachgehen. Viel Treppensteigen gehört dazu, denn die neue Produktion der Pasinger Oper - Premiere ist am 22. Juni - bringt für alle Beteiligten ein Novum: Es gibt einen Orchestergraben, die Musiker sitzen unter der Treppe.

In den vergangenen 20 Jahren (Jubiläum!) hatte das Publikum im kleinen Pasinger Konzertsaal das Orchester stets quasi in den eigenen Reihen, rechts oder links von der Bühne. Wer einen der vorderen Bistrotische ergatterte, hätte den Geigern oder gar Dirigent Andreas Pascal Heinzmann beim Notenblättern assistieren können. Und konnte sich auch dezibelmäßig als Teil des Klangkörpers fühlen. Diesmal ist das zehnköpfige Orchester jedoch auf der anderen Seite der Illusionsschranke, mitten auf der puppenhausartig arrangierten Bühne. Und zwar so zentral, dass Andreas Pascal Heinzmann, seit elf Jahren musikalischer Leiter der kleinen Oper, Bedenken hat. Bei einer Zigarettenpause vor der Tür hadert er ein wenig mit dem Gedanken, sein Orchester könnte zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Auch akustisch ist der Maestro noch ziemlich mit Fein-Tuning beschäftigt. Sind die Geigen zu laut oder zu leise? Findet der Klang seinen Weg aus dem Verschlag unter der Treppenempore in den Saal? Nimmt der Orchestersound die Stimmen mit oder deckt er sie zu?

Pasing: Andreas Pascal Heinzmann dirigiert erstmals aus einem Orchestergraben.

Andreas Pascal Heinzmann dirigiert erstmals aus einem Orchestergraben.

(Foto: Stephan Rumpf)

Immer wieder lässt Heinzmann seine Musiker alleine weiterspielen und wandert durch die Wagenhalle, die er bestens kennt. Seine Intuition als Orchesterchef, der schon in vielen Sälen gearbeitet hat, ist nun gefragt. So sehr an diesem Probentag noch alle von kreativer Unruhe erfasst sind, so sicher kann sich das Publikum sein, dass bis zur Premiere für alles, was jetzt noch holpert, eine Lösung gefunden ist. Wer Oper unter diesen Bedingungen - überschaubares Budget, in jeder Hinsicht kleines Format - macht, verfügt über ein beträchtliches Repertoire an Improvisationskünsten. Julia Dippel hat in der Pasinger Fabrik schon sehr erfolgreich den Don Giovanni und Dvořáks "Rusalka" inszeniert. Rossinis opera buffa, frei nach dem Aschenputtel-Märchen, gibt ihr mit seinem Rollentausch-Reigen so viele Steilvorlagen für Regieeinfälle, dass Heinzmann im Graben nicht bange sein muss, wo die Aufmerksamkeit der Zuschauer hinsteuern wird. Eine Kindergartengruppe, die beim Probendurchlauf der ersten Szene kiebitzen durfte, sitzt geschlossen auf der Stuhlkante und gluckst vor Begeisterung bei dem, was sich Dippel allein für die Ouvertüre ausgedacht hat.

Dabei gab's für die Kinder bei der Orchesterprobe noch nicht einmal Kostüme zu sehen: Claudia Weinhart, Kostüm-und Bühnenbildnerin, geht barockhaft verspielt mit dem märchenhaften Stoff um, macht aus den Männern eitle Pfaue, steckt die Sängerinnen in opulent wattierte Röcke, schnürt Schleifen an Hals, Strumpf und Schuh. Und setzt ihnen vor allem so waghalsig hohe Perückentorten auf die Köpfe, dass Regisseurin Dippel eine berechtigte Sorge umtreibt: "Hoffentlich geht das gut mit dem Verbeugen!" Mindestens so halsbrecherisch wie die Perücken sind die Koloraturen, die Mezzosopran Carolin Ritter in der Titelpartie zu singen hat. Da geht es für ihre Stimme in extreme Höhen und weit nach unten in die Tiefe. Am Ende wird für Cenerentola der ganze Putz- und Wäsche-Stress passé sein. Nicht mehr traurig - "non piu mesta" - heißt es in der Schlussarie. Und das gilt sicher auch wieder fürs Publikum.

Pasing: Noch kein Premierenfieber: Regisseurin Julia Dippel mit "Cenerentola" Carolin Ritter.

Noch kein Premierenfieber: Regisseurin Julia Dippel mit "Cenerentola" Carolin Ritter.

(Foto: Stephan Rumpf)

"La Cenerentola", Premiere am Donnerstag, 22. Juni, 19.30 Uhr, Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1, Tickets an der Abendkasse Dienstag bis Sonntag, 17.30 bis 20.30 Uhr, Telefon 82 92 90 79 oder unter www.muenchenticket.de, Telefon 54 81 81 81. Infos zu den weiteren Vorstellungsterminen unter www.pasinger-fabrik.com.

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