Süddeutsche Zeitung

Pasing:Kunst oder Klatschmohn

Die Brache, auf der einmal das Kulturbürgerhaus entsteht, soll attraktiv gestaltet werden

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Brachliegende Flächen sind nur vermeintlich öde Orte. Gerade weil es sie in dieser von Investorenarchitektur zugebauten Stadt eigentlich gar nicht mehr geben dürfte, üben sie eine magische Anziehungskraft aus. Da ist beispielsweise die Baulücke zwischen den beiden Brücken an der Offenbachstraße vis-à-vis der Pasing Arcaden. An ihrer Ostseite ist Kies aufgeschüttet bis hinauf zu einer Betonwand. Die ist längst mit Graffiti verziert. Jugendliche haben den Kiesberg offensichtlich für sich entdeckt, klettern dort, künsteln, hinterlassen Müll. Allerdings haben sich auch die Erwachsenen die Brache angeeignet, mit weit weniger Gestaltungswillen: Sie parken dort ihre Autos. Bis vor ein paar Jahren stand an dieser Stelle der alte Kopfbau, ein Relikt der historischen Pasinger Bahnanlagen. Und genau dort soll ein neues Kulturbürgerhaus entstehen, wie eine große Bautafel verheißt. Noch ist allerdings nicht raus, wann die Arbeiten starten. Warum also die verbleibende Zeit ungenutzt verstreichen lassen? "Brach und Danach?" lautet der Name eines Projekts, das jetzt den Mitgliedern des Bezirksausschusses vorgestellt worden ist.

Das Konzept dazu entstand auf Initiative des Nachbarschaftstreffs, unter dessen Südfenstern die Brache liegt. Träger des Treffs ist die QuarterM (Gemeinnützige Gesellschaft für soziale Quartiersentwicklung mbH). Das Team des Treffs hat eine Umfrage unter Bürgerinnen und Bürgern in Pasing durchgeführt und auch schon mögliche Kooperationspartner für das geplante Zwischennutzungsprojekt ausgemacht; das Jugendzentrum Aquarium, das örtliche Streetwork, die Pasinger Fabrik, Green City, den Bezirksausschuss natürlich und das Förderprogramm "Soziale Stadt". Auch die Ziele von "Brach und Danach" wurden formuliert: Man wolle Flächen mitten in der Stadt nicht zu "Unorten" verkommen lassen, die Jugendkultur stärken, unterschiedliche Gruppen miteinander in einen Dialog bringen und nicht zuletzt etwas gegen die Vermüllung unternehmen. Jugendliche, Künstlerinnen und Künstler sowie Bewohner aus dem angrenzenden Neubaugebiet entlang der Josef-Felder-Straße könnten in einem Workshop gemeinsam Ideen entwickeln, die Fläche - temporär - zu einem attraktiven Ort zu machen. Durch Kunst etwa oder auch, ganz pragmatisch, eine Begrünung der Kiesfläche mit Klatschmohn.

Doch wann ist mit dem "Danach" zu rechnen? Vor einigen Monaten hatte der Bezirksausschuss bei der Stadt um Auskunft darüber gebeten, wann mit dem Bau des Kulturbürgerhauses begonnen werden soll. Auch Befürchtungen waren laut geworden, ob das Projekt angesichts der klammen Stadtfinanzen abgespeckt, auf die ganz lange Bank geschoben oder am Ende gekippt werden könnte. Die Antwort von Kommunalreferentin Kristina Frank (CSU) war in dieser Hinsicht einigermaßen beruhigend: Die Vorplanung zum Pasinger Kulturbürgerhaus sei im vergangenen Sommer abgeschlossen worden. Allerdings habe die vorgezogene Kostenberechnung überarbeitet werden müssen. Daher habe der Projektauftrag erst im Herbst 2020 in den Stadtrat eingebracht werden können. Anders als vom Bezirksausschuss befürchtet, habe es keine Konzeptänderungen gegeben. "Vielmehr musste aufgrund des umfangreichen Nutzerbedarfes und der beengten Baulücke die Vorplanung in Teilbereichen optimiert werden", heißt es in Franks Schreiben. Inzwischen seien die Vorplanungsunterlagen und die qualifizierte Kostenschätzung zwischen allen Projektbeteiligten abgestimmt, so dass die Stadtratsvorlage entworfen werden könne. Der Stadtrat werde sich voraussichtlich in diesem Sommer damit befassen. Dann werde es auch eine offizielle Beteiligung des Bezirksausschusses geben. Sollte der Stadtrat der Planung und dem Kostenpaket zugestimmt haben, so die Kommunalreferentin, könne mit der Entwurfsplanung begonnen und die weitere Planung fortgeführt werden. Insgesamt hört sich das so an, als ob sich das mit dem "Danach" noch eine ganze Weile hinzieht. Die Brache hätte also ausreichend Zeit, wenn auch vorübergehend, zu einem kleinen kreativen Ort zu werden.

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SZ vom 09.06.2021
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