Pasing:Die Rückkehr zur Normalität

Nachdem der Pasinger Bahnhof zu Silvester und dann auch noch in der Nacht zum Sonntag wegen Terror-Alarms gesperrt wurde, versuchen die Menschen, zur Tagesordnung überzugehen - aber die Bilder dieser Nächte haben viele immer noch im Kopf

Von Jutta Czeguhn, Pasing

"Neues Jahr, neues Glück - es kann nur besser werden!", murmelt der Kunde im Lottoladen und schiebt Roland Reiterer den ausgefüllten Schein über den Kassentresen. Man kennt sich, seit 28 Jahren betreibt Reiterer die kleine Annahmestelle im Pasinger Bahnhof. "Meine Stammkunden sind beunruhigt", erzählt er. Seit Silvester, seit die Terrorwarnung die Station in die Schlagzeilen gebracht hat, sei alles irgendwie anders. "Man schaut sich die Leute genauer an", sagt Reiterers Mitarbeiterin. Sie hat ihre Handtasche fertig gepackt unter der Kasse stehen, um jederzeit startklar zu sein. Falls es noch einmal losgeht.

Am ersten regulären Werktag nach den beiden Sperrungen des Pasinger Bahnhofs in der Silvesternacht und der Nacht zum Sonntag haben sich die Menschen im Viertel viel zu erzählen. Ein sonderbarer Start ins neue Jahr ist das gewesen. Familienangehörige und Freunde meldeten sich mit besorgten Fragen "Was ist los bei Euch? Terroralarm in Pasing? Das gibt's doch gar nicht! "

Carla Imperiale war dicht dran am Geschehen. Sie hat am Silvesterabend in der Osteria Bacaro am Nordausgang des Bahnhofs gearbeitet. "Plötzlich war viel schwerbewaffnete Polizei da, man sieht und hört von der Bedrohung sonst nur im Fernsehen, aber dann ist man mit einem Mal nur fünf Meter davon entfernt. Wie im Krieg", sagt sie. Die Polizei habe das Lokal nicht geräumt, aber den Gästen sei dann nicht mehr nach Feiern zumute gewesen.

Wer am Silvesterabend gegen 22 Uhr, kurz vor der Evakuierung des Pasinger Bahnhofs, unterwegs war, dem kamen Angehörige des Sondereinsatzkommandos mit Maschinengewehren im Anschlag entgegen. An diesem Montag sieht man keine Polizei. Alles anscheinend wie immer. Es ist viel los, Zugdurchsagen, die Biss-Verkäufer warten auf Kundschaft. Beim Bahnhofsbäcker stehen sie Schlange. Am Neujahrsmorgen meinte dort eine Verkäuferin lakonisch: "Was soll man machen, wenn man Dienst hat? Vielleicht sollte ich beim Chef um Gefahrenzulage bitten?" Am Haupteingang des Bahnhofs hängt jenes Telefon aufgesprengt aus der Wand, das zum zweiten Alarm in der Nacht zum Sonntag führte. Einige Passanten bleiben stehen und fotografieren es mit ihrer Handykamera. Im Café Alex auf der Bahnhof-Südseite, gleich neben dem Haupteingang, ist am Montagvormittag kaum ein Platz zu bekommen. Die Gäste, darunter viele Familien, sitzen entspannt beim Brunch. An Silvester war das Restaurant ausgebucht. "Wir hatten geschlossene Gesellschaft", sagt Betriebsleiterin Ganinete Sallahaj. In den Abendstunden seien die ersten Polizeikräfte auf dem Bahnhofsplatz erschienen. "Ich bin rausgegangen und habe nachgefragt, habe aber keine Informationen bekommen", erzählt sie. Gegen 23.30 Uhr seien schwerbewaffnete Beamten dann hereingestürmt und hätten das Lokal binnen 15 Minuten geräumt. "Meine Mitarbeiter haben mir berichtet, dass Gäste vereinzelt in Tränen ausgebrochen sind", sagt Sallahaj.

Das Café Alex im historischen Bürklein-Bahnhof gehört zur Gastronomie der Pasing Arcaden. Dort ist an diesem Montag überall "Sale", die Leute wollen ihr Weihnachtsgeld ausgeben. Auf den ersten Blick deutet nichts darauf hin, dass es nach dem Terror-Alarm nun erhöhte Sicherheitsvorkehrungen gibt. Doch Centermanagerin Nathalie Lohaus versichert: "Wir stehen in ständigem Austausch mit den zuständigen Polizeibehörden, und sobald es sich in gemeinsamer Absprache als erforderlich erweist, werden wir unser Sicherheitskonzept den Umständen entsprechend anpassen."

Wirtin Carla Imperiale

"Wie im Krieg": Carla Imperiale hat am Silvesterabend in der Osteria Bacaro gearbeitet. Plötzlich sei schwerbewaffnete Polizei da gewesen.

(Foto: privat)

Auch am Taxistand am Bahnhofsplatz ist die Silvesternacht Thema, obwohl keiner der wartenden Taxler da Dienst hatte. "Wir sind von der Tagesschicht", sagt einer von ihnen. Doch natürlich hätten die Kollegen einiges erzählt. "Die haben ja hier alles abgesperrt, da ist man gar nicht mehr zum Bahnhof gekommen. Einer der Kollegen ist furchtbar erschrocken, weil er fast einen dieser schwerbewaffneten Sondereinsatzkräfte überfahren hätte", sagt er. Der Beamte sei im dichten Nebel mit seinem Maschinengewehr plötzlich vor ihm auf der Straße gestanden.

Der Pasinger Bahnhof ist nun kein Sperrgebiet mehr. Am Montag wurden die Gitter, die noch das ganze Wochenende dort lagerten, abtransportiert. "Schaun mer mal, wann sie's wieder brauchen", sagt einer der Arbeiter und hievt Gitter auf den Anhänger.

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