Süddeutsche Zeitung

Pasing:Buddha und Bonanza

Der kanadische Maler Onni Nordman und seine Partnerin Paula Muise sind derzeit Artists in Residence in der Pasinger Ebenböckvilla

Von Jutta Czeguhn, Pasing

Es fühlt sich ganz so an, als gehörten Onni Nordman und seine Partnerin Paula Muise immer schon hierher. Sie sitzen auf dem kleinen Balkon im ersten Stock des Ebenböckhauses, trinken Kaffee und schauen genießerisch hinunter in den Park des Pasinger Stadtschlösschens. Auf Buchsbäume, die zu Kugeln und Rechtecken frisiert sind, als hätte sich Edward mit den Scherenhänden an ihnen verausgabt. Das Gebüsch ist streng geometrisch ausgerichtet, ebenso die Kieswege, dazwischen stehen elegante Skulpturen. "Tamed", sagt Paula, sei alles. Gezähmt. Und sie meint das keinesfalls negativ. Bei ihnen Zuhause sei es eher "raw", wild und ungebändigt. Das Künstlerpaar lebt auf Cape Breton, einer kleinen Insel hoch im Norden von Nova Scotia an der Ostküste Kanadas. Von ihrem Haus auf den Klippen blicken sie über den Atlantik, manchmal fegt der Wind direkt vom Nordpol heran.

Zwei Monate können die Kanadier im Pasinger Palais wohnen, das die Erben des Hofwachsfabrikanten und Lebkuchenbäckers Mathias Ebenböck der Stadt einst vermacht haben. Neben der Villa Walberta in Feldafing ist das Ebenböckhaus seit 2011 Standort für das Artists-in-Residence-Programm des Kulturreferats. Die Stadt stellt Künstlern, die sich für Projekte einige Zeit in München aufhalten, kostenlos vier gemütliche, helle Zimmer zur Verfügung, bis zu sieben Leute können in dieser WG unterkommen. Man teilt sich ein großes Wohnzimmer mit den Flügeltüren zum Balkon und die Wohnküche. Maximal drei Monate kann so ein Aufenthalt dauern, dem die Einladung einer Münchner Kultureinrichtung vorausgehen muss. Im Fall von Onni und Paula - so wollen die beiden angesprochen werden - war dies die Pasinger Fabrik. Auf Vermittlung seines Münchner Künstlerfreundes Uli Schaarschmidt kann Nordman in der Fabrik seine neue Bilder-Serie "Ten Bulls" ausstellen. Onni erinnert sich noch an den Anruf aus München. "Die Reise müssen Sie selbst zahlen. Werden Sie darüber nachdenken, zu kommen?", lautete die vorsichtige Anfrage jenseits des Atlantiks. Onnis Antwort: "Nein!"

Denn die Kanadier mussten keine Sekunde überlegen. Zwei Monate München! In die Kunststadt! Yes! Onni machte sich sofort an seinen Bull-Zyklus, den er quasi für Pasing geschaffen hat. Paula übernahm die Logistik für das "Munich thing", wie sie dieses Abenteuer nennt. "Die Gemälde zu verschiffen, war teurer, als uns beide über den Atlantik zu bringen", sagt sie lachend. "Sie ist das Gehirn, ich bin der Muskel", bestätigt ihr Mann. Die beiden sind in ihren Sechzigern, seit 16 Jahren zusammen. Ein gutes Team, ganz offensichtlich sehr unterschiedliche Temperamente. Sie necken sich, sind einander Stichwortgeber. Paula: Weißblondes Haar, zarte, weiche Gesichtszüge, sie kann den Stammbaum ihrer französischer Vorfahren 400 Jahre zurückverfolgen, ist aber ungeheuer stolz auf ihre mysteriöse Urgroßmutter, eine Inuit. Sie entwirft Kostüme für Theater und Film. Onni: Kurze Stoppelhaare, Brille, tiefe Stimme. Er ist Kanadier in der erste Generation, seine Eltern kamen in den Fünfzigerjahren aus Finnland. Typische Finnen, betont er. "Sie haben Tango getanzt und nicht miteinander geredet, das brauchen Finnen nicht, sie verstehen sich auch so."

Onni und Paula kommunizieren allerdings gerne. So sitzt man mit ihnen auf dem Balkon, und Nordman berichtet von seiner Faszination für die Künstler der 30er Jahre, Kandinsky, Klee oder Miró. An diese Epoche will er anknüpfen mit seiner Arbeit. Was der Kanadier in der Pasinger Fabrik zeigt, ist inspiriert von jenen zwei Büchern, die da nun auf dem Kaffeetisch liegen. Ein abgegriffenes Paperback mit Zen-Texten und Darstellungen aus dem zwölften  Jahrhundert. Und ein Flohmarkt-Fund, die Cartwright-Brüdern Hoss und Little Joe auf dem Cover, natürlich zu Pferd. Wie Onni Nordman nun Buddhismus und Bonanza zusammenbringt, ist ziemlich verrückt, bunt und tiefschichtig. Lange habe er diese Bücher bei sich gehabt, bis im aufgefallen sei, dass die Hoss-Zeichnungen auf frappierend natürliche Weise mit den alten Zen-Gedichten und Bildern korrespondierten, erzählt er, der selbst kein Buddhist ist. Ein rares Phänomen sei diese Synchronisation. Onni vergleicht es mit dem legendären Experiment, über den alten Musical-Film "Der Zauberer von Oz" Pink Floyds Landmark-Album "Dark Side of the Moon" zu legen. Der Künstler scheint ein Fan solcher Spielereien zu sein, das Lieblingsanagramm seines Namens lautet "Nonmondrian".

Vielleicht hätten sich die beiden Gäste des Pasinger Ebenböckhauses gut mit dem Sprachakrobaten Karl Valentin verstanden, der seinerzeit dort ein und aus ging. "Natürlich kennen wir ihn, er war ein wenig Dadaist, nicht wahr?", sagt Onni auf Englisch - und schickt dann auf Deutsch einen Valentin-Spruch hinterher: "Kunst kommt von Können." Er und Paula haben das Münchner "Valentin-Musäum" besucht. Bairisch sei hart, aber Deutsch verstehen sie ein wenig, erstaunlicherweise hatten die beiden vor 40 Jahren dieselbe Deutschlehrerin, eine Pragerin im Exil.

Im Ebenböckhaus, das auch Veranstaltungsort ist und zwei Archive beherbergt, werden überhaupt viele Sprachen gesprochen. Paula schwärmt von zwei Kurzzeit-Bewohnern der Künstler-WG. "Eines Abends waren ich und Onni in der Küche, da hörten wir plötzlich Musik, im Garten saßen diese wunderbaren Jungs aus Israel und probten für ihr Konzert." Es waren der Klarinettist Jonathan Hadas und Asaf Meller mit seinem Akkordeon, beide Mitglieder der Band "Kbetch", die beim Israel-Festival in der Fabrik und beim BR im Studio aufgetreten sind. Die Kulturschaffenden, die wie Onni Norman und seine Frau in Pasinger Stadtschlösschen Station machen, kommen aus Brasilien, Bulgarien, Kuba, Indien, Ghana, Iran, Malawi, der Türkei, China oder Japan. Es sind bildende Künstler, Sänger, Tänzer, Filmregisseure. Thomas Linsmayer von der Fabrik, der in Abstimmung mit dem Kulturreferat das Residence-Programm koordiniert, führt die Statistik. Um die 30 Bewohner hat die internationale Wohngemeinschaft im Schnitt pro Jahr.

Onni und Paula werden zwei Monate bleiben. Im Juni reisen sie dann weiter nach Helsinki, wo Nordman ebenfalls eine Ausstellung bekommen hat und Verwandte besuchen möchte. In ihrer Zeit in München wollen sie so viel von der Stadt und der Gegend aufnehmen wie möglich, um den Freunden und Künstlerkollegen daheim auf Cape Breton Inspirierendes mitzubringen. Onni hat ein schönes Bild dafür: "Ich fühle mich wie ein Mutter-Vogel, der mit einem großen Wurm im Schnabel zurück ins Nest kommt." Das Nest ist die kleine Insel hoch oben im Nordatlantik.

Onni Nordman - "Ten Bulls", Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1, Lichthof und Bar, bis 31. Mai, täglich von 10 bis 23 Uhr, der Eintritt ist frei.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2015
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