Pasing:Beschränkte Möglichkeiten

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Bis der Neubau Ende 2022 fertig ist, hat die Freizeitstätte Aquarium ihr Domizil in einem Container. Platzmangel erschwert Jugendlichen und Betreuern das Miteinander, nicht nur wegen der Corona-Vorgaben

Von Mira Brünner, Pasing

Mit einem Aquarium hat der weiße Container wenig gemeinsam, außer vielleicht, dass man mit dem Rücken zur einen Wand die gegenüberliegende fast in greifbarer Nähe hat. Eng ist es also im Interimsquartier des Pasinger Jugendtreffs Aquarium. Vergangenen September musste er aus seinem Gebäude, das im Jahr 1965 errichtet worden war, in einen Containerkomplex direkt nebenan umziehen. Dort, wo einst der Jugendtreff stand, klafft jetzt ein tiefes Loch. An dieser Stelle entsteht ein neues Gebäude, in dem nicht nur der Treff, sondern auch zwei Hortgruppen unterkommen sollen. Ein Neubau fürs Aquarium war jahrelang gefordert worden.

Im Container-Interim des Jugendzentrums ist nun deutlich weniger Platz. Jugendtreff-Leiter Jiri Kadlec und sein Team setzen daher zusätzlich auch auf Online-Angebote und Stadtteilbegegnungen, um Jugendliche in Pasing mit ihrer Arbeit zu erreichen. (Foto: Yoav Kedem)

Der Container ist nur ein Ausweichquartier auf Zeit, doch der beengte Raum macht die Jugendarbeit nicht nur aufgrund von Corona zu einer besonderen Herausforderung. "Wir hatten vorher 570 Quadratmeter mit einem riesigen Tanzsaal, einer Bühne, Musikanlage, riesige Tanzspiegel, ein Musikstudio im Keller", zählt Jiri Kadlec auf, der Einrichtungsleiter des Jugendtreffs. "Was die Jugendlichen suchen, das ist ja auch einfach ein Raum, wo sie sich in Ruhe treffen können, unterhalten können, chillen können." Im Container lasse sich das kaum gewährleisten: "Also, wenn ich hier im Büro sitze und die sich laut unterhalten beim Billardspielen, dann hört man das."

Im Eingang steht ein kleiner Tisch mit einer Kontaktliste, zwei Becher mit Kugelschreibern - einer für benutzte, einer mit frisch desinfizierten. Daneben eines dieser Fieberthermometer, die ein bisschen aussehen wie Spielzeugpistolen. An den Türen hängen laminierte Schilder mit Corona-Hinweisen. Solange die Inzidenz in München unter 100 liegt wie derzeit gerade, dürfen drei Jugendliche und ein Betreuer jeweils gemeinsam in ein Zimmer. Steigt sie auf einen höheren Wert, werden im Container-Aquarium lediglich Einzelberatungen bei Bewerbungen oder akuten Problemen angeboten. Konkret wird das Vorgehen jede Woche vom Hygienebeauftragten des Kreisjugendrings München (KJR) vorgegeben. "Da müssen sich die Jugendlichen einfach an viele Dinge halten, und das erschwert so ein bisschen die niederschwellige Arbeit, die es eigentlich sein soll", sagt Kadlec.

Der Neubau der Freizeitstätte Aquarium soll Ende 2022 fertig werden. (Foto: Yoav Kedem)

Aktuell läuft auch vieles über Online-Angebote: Es gibt ein digitales Jugendzentrum, wo man sich als Avatar bewegen und in der virtuellen Welt die Avatare seiner Freunde und Bekannten treffen kann, und es gibt den Instagram-Account von Aquarium. "Wir haben auch davor schon Instagram gemacht, aber halt mal mehr und mal weniger. Es braucht die richtigen Kollegen dafür", erklärt Kadlec. Er selbst halte sich da eher zurück. "Ich brauche die jüngeren Kollegen, die auch mehr diese Art der Kommunikation verstehen. Damit das dann auch irgendwie optisch etwas hermacht und auch Style hat", sagt er und lacht.

Der knallorange Liegestuhl, in dem Kadlec sitzt, hebt sich beinahe leuchtend von der weißen Wand des Containers ab. In den Bäumen draußen zwitschern die Vögel, im Hintergrund ist das stetige Arbeiten der Bagger auf der Baustelle zu hören. An das alte Haus denkt der Jugendtreff-Leiter gerne zurück: "Es gab viele Sachen, die sehr, sehr toll waren in dem alten Gebäude, es hatte auch eine Geschichte, da bin ich ja nur der jüngere Teil davon gewesen." Und doch sei der Neubau dringend nötig. Nicht nur weil der Schallschutz schlecht war und die Nachbarn somit oft Teil der Veranstaltungen im Tanzsaal wurden. Die Isolierung war in jeglicher Hinsicht überholt: Im Sommer war es schnell zu heiß, im Winter oftmals zu kalt im Treff.

Laut Kadlec wird der neue Jugendtreff vor allem deutlich heller werden. "Vorher war es schon freundlich durch unsere Farben." Die neuen Räume aber sind lichtdurchflutet geplant, auch damit mehr Überblick möglich ist und sich dann auch Mädchen wohler fühlen. Kadlec hofft, dass die Jugendlichen aktiv an der Raumgestaltung mitwirken werden: "Darum geht es ja hauptsächlich, das sind ja nicht unsere Räume, sondern die Räume der Jugendlichen hier in Pasing."

Bis das neue Gebäude fertiggestellt ist, dauert es wohl noch eine Weile. Angepeilt ist ein Ende der Bauarbeiten für September 2022. Und eine Pandemie gibt es ja auch noch zu überwinden. Bis dahin wird Kadlec weiter auf alternative Lösungen setzen müssen, um die Jugendlichen in Pasing zu erreichen: "Ich versuche jetzt, mit den Nachbarn zu reden, wir machen auch Stadtteilbegegnungen, laufen im Stadtteil Plätze an, wo wir die Kids auch sehen." Der weiße Container, der Interimsjugendtreff, ist gerade leer. Später wollen noch zwei Jungs vorbeikommen - nicht viel los an diesem Nachmittag. Selbst das Aquarium, nach dem die Jugendlichen den Treff vor mehr als 20 Jahren benannt haben, hat vorübergehend ein neues Zuhause finden müssen. Im Container ist einfach nicht genug Platz.

© SZ vom 08.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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