Pasing:Alles für die Oper

Pasing: Alles im Blick: Als Produktionsleiterin der Pasinger Oper koordiniert Katalin Tankó Probenpläne, kümmert sich um Notenblätter ebenso wie ums Marketing. Zudem muss sie schauen, dass etwa die Kosten für das Bühnenbild den Budgetrahmen nicht sprengen.

Alles im Blick: Als Produktionsleiterin der Pasinger Oper koordiniert Katalin Tankó Probenpläne, kümmert sich um Notenblätter ebenso wie ums Marketing. Zudem muss sie schauen, dass etwa die Kosten für das Bühnenbild den Budgetrahmen nicht sprengen.

(Foto: Stephan Rumpf)

Wenn in der Pasinger Fabrik Verdi oder Mozart auf die Bühne kommt, ist es Produktionsleiterin Katalin Tankó, die im Hintergrund den Theater-Apparat am Laufen hält

Von Jutta Czeguhn

Wann und wo hat es einen eigentlich erwischt? Damals, immer samstags, als im ZDF "Erkennen Sie die Melodie?" lief? Neben grauenvollstem Mist waren da auch große Stimmen zu hören wie etwa Lucia Popp. Oder war es beim legendären Schmetter-Wettbewerb der "Drei Tenöre"? Womöglich aber begann die Sucht in irgendeinem engen, überhitzten Stehparterre, in das Freunde einen mitgezerrt hatten und wo man als vertikale Sardine bei "Tristan und Isolde" allmählich alle Erdenschwere verlor. Katalin Tankó braucht nicht zu spekulieren, sie kann genau sagen, wann und wie sie sich den Opern-Virus eingefangen hat. Als Kind musste sie einfach nur aus dem Wohnzimmerfenster schauen, und da war sie dann, die Oper. Im Burghof von Schloss Zwingenberg.

Seit vergangenem Sommer liegt bei Katalin Tankó die Produktionsleitung für das kleine Opernhaus in der Pasinger Fabrik. Für gerade mal ein halbes Jahr im neuen Job war bereits einiges los; die Wiederaufnahme von Verdis "Luisa Miller" und das Winterspecial "La Magia dell'Opera", zudem laufen längst die Vorbereitungen für die nächste Produktion, Mozarts "Entführung aus dem Serail", für die im Mai die szenischen Proben beginnen. Vom Schlosshof im Badischen in die Wagenhalle des Pasinger Kulturzentrums gelangte Katalin Tankó über einige Umwege und Zufälle, aber letztlich ging sie doch recht konsequent darauf zu. "Das Beste, was passieren konnte", sagt die junge Frau. Man trifft sie in ihrer Arbeitspause in der Fabrik. Was alles dranhängt an so einer Opernproduktion, will man von ihr wissen.

Vor der Jobbeschreibung aber noch einmal zurück an den Neckar, ins historische Gemäuer von Schloss Zwingenberg. Seit 1983 finden auf der Festung jährlich Open-Air-Festspiele statt. Ähnlich wie in der Pasinger Fabrik sind auch dort die Hauskomponisten Mozart, Verdi und Rossini, die Hausoper allerdings ist von Webers "Freischütz". Katalin Tankó, Jahrgang 1984, wohnt also im Schloss - sie ist die Tochter des Hausmeisters. Seit sie denken kann, wird die Burganlage im Sommer von diesen kreativen Horden eingenommen. Sänger, Kostümbildner, Kulissenbauer, Beleuchter fallen ein. Ein faszinierender, lebendiger Organismus. Aus nächster Nähe erlebt sie nervenaufreibende Proben, die Anspannung bei allen Beteiligten vor einer Premiere, ihre Wehmut, wenn der Opernsommer zu Ende geht. Ein Kosmos, der sie über die Maßen fasziniert.

Sie geht noch zur Schule, da hilft sie schon in der Maske mit oder arbeitet als Regieassistentin. Die Eltern, Ungarn aus Siebenbürgen, können die Passion der Tochter nicht teilen, ermöglichen ihr aber Cello-Unterricht. Sie spielt im Schulorchester und engagiert sich in der Theater-AG ihres Gymnasiums. Nach dem Abitur schreibt sich Katalin Tankó an der Regensburger Uni im Fach Musikwissenschaften ein. "Erst mal, ohne mir groß den Kopf darüber zu zerbrechen, was ich nach dem Studium damit anfangen will", erzählt sie. Allerdings ist da wohl schon der feste Vorsatz, dass ihr bloßes Zuhören nicht reicht, sondern dass sie in dieser Welt der Oper eines Tages in irgendeiner Weise mittun will. Und sei es, dass sie sich dafür zum ersten Mal in ihrem Leben mit einer Nähmaschine auseinandersetzen muss, wie unlängst bei einem der "La Magia"-Abende in der Pasinger Fabrik.

Geisteswissenschaftler sind multifunktionale Wesen. 2011 schließt Katalin Tankó ihr Studium ab und hospitiert westlich von München in Türkenfeld bei Weigold & Böhm. Die Künstleragentur im klassischen Musikbereich vertritt unter anderem den Countertenor Philippe Jaroussky oder die Violinistin Lisa Batiashvili. Drei Jahre bleibt Tankó dort, lernt viel über den Konzert- und Klassikmarkt, über Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, den Umgang mit Veranstaltern. Vor allem aber sieht sie auch den ungeheuren Druck, der auf den Künstlern lastet. Dann wechselt sie zum Münchener Kammerorchester ins Konzertmanagement. Bei all dem aber, sagt sie heute, hätte ihr immer etwas gefehlt: die Sänger "mit ihrer besonderen Aura", die Bühne, Musiktheater - die Oper eben.

Dann war die Stelle der Produktionsleitung an der Pasinger Fabrik ausgeschrieben. "Ich kannte die Oper dort natürlich als Gast, und auch ihren musikalischen Leiter, Andreas Pascal Heinzmann, von seinen Dirigaten mit dem Kammerorchester", erzählt sie. Eine Woche nach ihrem Bewerbungsgespräch im vergangenen September ist sie mit dem Radl am Englischen Garten unterwegs und fährt beinahe einen Mann über den Haufen: Fabrik-Geschäftsführer Frank Przybilla. Tankó hat den Job trotzdem bekommen, und sie und Przybilla können heute darüber lachen. Nun ist sie also Teil des überschaubaren Fabrik-Teams, teilt sich praktischerweise das Büro mit Stefan Kastner, der in dieser Saison bei der "Entführung" Regie führen wird. Regelmäßige Pasinger Operngänger kennen Kastner als Sänger aus vielen Produktionen. Lange schon bei den Produktionen der kleinen Pasinger Opernmaschine dabei ist auch Carina Böhm, die nun der Neuen mit ihrer enormen Erfahrung zur Seite stehen kann. Ein wandelndes Gedächtnis, sagt Katalin Tankó über die Kollegin.

Die Wege sind kurz in der Pasinger Fabrik, es geht familiär zu und vieles geschieht auf Zuruf. Bevor sie überhaupt den Anstellungsvertrag hatte, saß Katalin Tankó schon mit am Tisch, als - zum zweiten Mal nach 2001 - die Wahl auf Mozarts "Entführung" fiel. Tankó hatte dann auch gleich die Ausschreibung für die Produktion zu organisieren, 140 Bewerbungen für die - bei Doppelbesetzung - zehn Sängerrollen zu sichten, die Auserwählten zum Vorsingen einzuladen und natürlich, auch das ist Teil des Jobs, die Absagen zu übermitteln. "Sänger sind Profis, die haben gelernt, mit solchen Niederlagen umzugehen", sagt Tankó, die diese Stärke sehr bewundert.

Bei aller Routine und Abgebrühtheit sind Sänger aber auch empfindsame Seelen, die die Produzentin manchmal hätscheln muss. So ist Tankó auch gefragt, wenn ein Tenor die Kontaktlinsen nicht verträgt, und von irgendwoher eine Schubert-Brille aufgetrieben werden muss, um seinen Blick wieder scharf zu stellen. Tankós Job ist es, sich um die Pressearbeit zu kümmern, Werbeflächen zu buchen, mit dem Grafikdesigner das Opernplakat und die Flyer für die Entführung abzusprechen, die Social-Media-Auftritte zu pflegen und Hunderte Notenblätter kopieren, Probenpläne zu koordinieren. Zur Stellenbeschreibung der Produktionsleitung an der Pasinger Oper gehört aber auch, Abenddienste an den Vorstellungstagen zu übernehmen, hernach im Keller die Kostüme in die Waschmaschine zu stopfen und Überwürfe für das Bühnensofa zusammenzunähen. "Ich sollte also wirklich nähen lernen", lacht Katalin Tankó.

"Die Entführung aus dem Serail", Premiere voraussichtlich am 6. Juni, Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1. Wer für die Mitglieder des Ensembles Wohnmöglichkeiten zur Verfügung stellen kann, meldet sich unter k.tanko@pasinger-fabrik.com.

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