Partyplanung:Der unerbittliche Wettkampf um den perfekten Kindergeburtstag

"Erlebniskraftwerk" vom Verein "Kulti-Kids" in München, 2012

Topfschlagen ist out - es darf schon ein Event sein beim alljährlichen Kindergeburtstag.

(Foto: Catherina Hess)
  • Viele Kindergeburtstage sind zu Events geworden.
  • In München gibt es Veranstalter, die sich um die perfekte Party für den Nachwuchs reicher Eltern kümmern.
  • Viele Familien werden durch den Wettbewerb unter den Eltern abgehängt - sie können sich die durchgestylten Partys nicht leisten.

Von Melanie Staudinger

Daniela Schreck organisiert schon mal fünf Fußballer von Unterhaching, die mit ein paar Teenagern zwei Stunden lang kicken. Sie baut einen langen Laufsteg auf, stellt Make-up- Artists und Hairdresser ein, damit 14-jährige Mädchen Top-Model spielen können. Die Unternehmerin aus Aschheim hat sich mit ihrer Agentur Tollkids auf die Ausrichtung von Kindergeburtstagen spezialisiert.

Zu ihren Kunden zählen Schauspieler, Sportler und andere Promis ebenso wie reiche Unternehmer. Eine anspruchsvolle Klientel, die bereit ist, viel Geld auszugeben, um ihren Kindern einen unvergesslichen Tag zu verschaffen. "Prinzessin und Piraten sind Dauerbrenner", sagt Schreck, die ihren Job in einer Bank aufgab und sich seit acht Jahren der Partyplanung widmet.

Für ihre Kunden organisiert sie Gauklerfeste mit Pferden, Stelzenläufern, Jongleuren und Clowns, kleine Oktoberfeste, Star-Wars-Partys im Kellergewölbe samt Lichtershow, eine Übernachtung im neuen Hotel der Erdinger Therme oder eine Feier in einer Loge der Fröttmaninger Fußball- Arena, nach der sich alle kleinen Gäste ein Geschenk im Fanshop des FC Bayern aussuchen dürfen. Gut 700 Euro bezahlen die Eltern für das Basispaket, nach oben ist der Preis offen - je nach Bedürfnissen des Bestellers. Nur einmal konnte Schreck einen Wunsch nicht erfüllen: Eine russische Familie wollte ein Dschungelfest veranstalten, doch der gewünschte Tiger durfte aus Artenschutzgründen nicht teilnehmen.

Schreck bewegt sich mit ihrem Angebot im Luxussegment. Doch auch in Familien mit normalem Geldbeutel werden Kindergeburtstage und deren Dimension immer wichtiger. Jede Feier soll etwas Besonderes sein, und Eltern haben oftmals eine sehr genaue Vorstellung davon, wie dieses Besondere auszusehen hat.

Imposante Geschenke sollen es sein, am besten so viele, dass die Kinder schon beim Auspacken des Päckchenbergs den Überblick verlieren. Für den Kuchen im Kindergarten stehen berufstätige Mütter bis spät in die Nacht in der Küche: damit die Muffins auch alle einheitlich im Cars- oder Dinosaurier-Look gestaltet sind und so aussehen, als hätte ein Konditor sie persönlich abgenommen.

Nichts wird dem Zufall überlassen

Im Mittelpunkt der Planungen aber steht die Geburtstagsparty mit den Freunden. Nichts darf dem Zufall überlassen werden. Würstchenschnappen, Topfschlagen oder Dosenwerfen sind nicht mehr angesagt. Eine Schnitzeljagd im elterlichen Wohnzimmer scheint gerade noch in Ordnung. Die Feste sind zu durchgestylten Events geworden mit ambitioniertem Motto, den passenden Einladungen, liebevoll zubereiteten Snacks, die es auch bei einer Opernpremiere geben könnte, und Erlebnissen, von denen die Kinder noch lange sprechen.

Vorbei sind die Tage, in denen das große Geburtstagshighlight der Besuch eines McDonald's-Restaurants inklusive Bällebad und der Zubereitung eines Cheeseburgers war. Heute geht man zum Indoor-Fußball, zum Trampolinspringen oder zum Klettern. Kastanien werden nur noch sehr selten gesammelt bei Münchner Geburtstagspartys, bei einem Koch- oder Tanzkurs gibt es schließlich hinterher viel mehr zu berichten. Rollenspiele, ein Besuch in der Volkssternwarte, einen eigenen Film drehen oder bei einer persönlichen Führung ein Museum kennenlernen: Das Angebot ist schier unermesslich. Und auch wer lieber daheim feiert, muss auf professionelle Partyunterstützung nicht verzichten.

Ein Päckchen aus der Geschenkekiste

Selbst die Geburtstagsgeschenke, die von Freunden mitgebracht werden, sind oftmals durchgeplant. Geschenkekiste heißt das Angebot, das sich auch in München und dem Umland etabliert hat. Das Ganze funktioniert ähnlich einer Hochzeitsliste: Das Geburtstagskind sucht sich im Laden Geschenke aus und packt sie in eine Box. Danach reisen die kleinen Gäste mit ihren Eltern an und kaufen je ein Spielzeug.

Das wiederum wird von der Verkäuferin schön verpackt und schließlich vom Kind zur Party mitgebracht. Einziger Unterschied zum Heiraten: Geburtstag feiert man jedes Jahr, eine Hochzeit findet in der Regel seltener statt. Großer Nachteil: Die Geburtstagskinder müssen sich an ein Budget von neun oder zehn Euro halten. Günstigere Geschenke sind aus Fairnessgründen nicht drin, auch wenn diese noch so verlockend sind.

Experten sehen diese Entwicklung mit Sorge. "Ein Kindergeburtstag muss nicht die Mega-Party sein", sagt Diana Beyer. Die Leiterin der Caritas-Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche in Taufkirchen ist mit diesem Thema immer wieder beschäftigt. Die einen Familien fühlen sich, so berichtet sie, regelrecht unter Druck gesetzt. "Die Eltern organisieren die Feier nicht nur für ihre Kinder, sondern für andere Eltern", sagt Beyer.

Sie wollten mit teuren, aufwendigen Festen zeigen, dass ihr Kind etwas Besonderes sei, wie toll sie sich um ihre Söhne und Töchter kümmerten, was sie ihnen alles bieten könnten. Das setze jedoch auch die Kinder unter Druck: Wenn ihre Mütter und Väter schon so viel Geld ausgegeben haben, müssen sie auch Spaß haben - ob es ihnen tatsächlich Spaß macht oder nicht.

Sozial schwächere Familien können längst nicht mehr mithalten im Geburtstagswettkampf. "Dieses Problem ist in München stark ausgeprägt, weil die soziale Schere auseinandergeht", sagt Beyer. Manche Kinder verweigerten ihre Geburtstagsparty ganz, weil sie sich für ihre kleine Wohnung und die ärmlichen Verhältnisse, in denen sie lebten, schämten. Andere kämen nicht einmal als Gast, weil sich die Familie die zehn Euro für das vorher bestellte Geschenk nicht leisten könne.

Die Kinder wollen im Mittelpunkt stehen - mehr nicht

Dabei könnte es auch so einfach sein, sagt Beyer. "Kinder freuen sich, wenn sie das Gefühl haben, dass sie wichtig sind, dass ihre Eltern sich Mühe gegeben und Zeit für sie haben", erklärt die Expertin. Und das habe wenig mit Geld und übergroßen Geschenken zu tun. Ganz im Gegenteil: Kinder orientierten sich nicht an Masse. Nicht fünf Clowns seien notwendig, bedeutender sei, wenn die Mädchen und Jungen wüssten, dass sie an ihrem Geburtstag im Mittelpunkt stünden. "Am besten kommen meist Partys an, die aus einer Mischung aus strukturiertem und freiem Spiel bestehen", sagt Beyer. Das Leben sei heute durchgetaktet, da biete ein Geburtstagsfest eine willkommene Abwechslung.

Darin stimmt sie mit Partyplanerin Daniela Schreck überein. Nur dass die Ansprüche von deren Kunden ein Stück über dem Durchschnittsniveau liegen. Die Kinder, die sie betreut, besuchen Privatschulen, haben manchmal sogar einen eigenen Chauffeur. "Für sie sind die Feiern angemessen, weil sie es nicht anders kennen", sagt die Unternehmerin. Kastaniensammeln wäre hier wahrscheinlich unangebracht.

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