Party-Horror:Das Filmfest der Untoten

Horror mit Nina Hagen, Weißbier mit Erwin Huber, Tanzen in der Trafohalle: Wie die Branche sich selbst feiert.

Christian Mayer

Der Horror auf diesem Filmfest wartet an der Pforte zum pseudo-mittelalterlichen Nationalmuseum: schwarze Witwen, falsche Mönche, bluttriefende Zombies mit der neuesten David-Beckham-Frisur. Wer Gast ist und wer zum Inventar der "Shocking Shorts Night" zählt, lässt sich nicht immer gleich erkennen: Schließlich sind die Film- und Fernsehleute von den bereits sechs Tage dauernden Feierlichkeiten teilweise so gezeichnet, dass sie von den Untoten im Dienste der Universal Studios nicht mehr viel unterscheidet.

Und inmitten dieses Gruselkabinetts bewegt sich der einstige Kulturreferent Julian Nida-Rümelin (alles schwarz, sogar die Pudelfrisur), der als Professor in Göttingen über die Theorie der praktischen Philosophie forscht, sich heute aber der Irrationalität deutscher Kurzfilme verschrieben hat.

Da stehen sie nun also, die mehr oder weniger erschöpften Filmfest-Hedonisten, mit Champagner in Miniflaschen oder heilsamen Gingko-Säften in der Hand. Dicht gedrängt im neogotischen Kellergewölbe verfolgen sie, wie die Rockröhre Nina Hagen mit rauchig-exaltierter Stimme den "Shocking-Shorts"-Preisträger Iván Sáinz-Pardo auszeichnet.

Wer will, kann sich in der "Gruft des Grauens" von Vampiren erschrecken lassen, sofern der Anblick der jenseitig geschminkten Nina Hagen nicht genügt. Oder sich mit furchtbar wichtigen Schauspielern wie Steffen Wink, Axel Milberg oder Film-Gladiator Ralf Moeller (lebt in Hollywood und verlernt gerade die deutsche Sprache) aufs Foto pressen.

Vielleicht ist das ja die Essenz des Münchner Filmfests: Wer ist auf welcher Party? Wer ist beispielsweise bedeutend genug für den Empfang von Staatsminister Erwin Huber, der einige Stunden zuvor in der Bierhalle am Nockherberg stattfindet?

Auch hier trifft sich ausgewähltes Volk, um bei Weißbier und üppigem Büfett zu kungeln, Geschäfte auszuhandeln oder auch nur über abwesende Kollegen zu lästern.

Dass es sich hier um einen Pflichttermin handelt, zeigt sich schon daran, dass so unterschiedliche Gäste wie Senta Berger, Regisseur Sönke Wortmann oder Constantin-Vorstandschef Fred Kogel ergriffen den Worten des Ministers lauschen, der ungefähr zum zwölften Mal in diesem Jahr die Stärke der bayerischen Filmwirtschaft beschwört und den Oscar-Erfolg von Caroline Links "Nirgendwo in Afrika" als genuin weiß-blauen Exportartikel preist. "Jetzt ein Weißbier, und ich wär' total platt", lästert der stets auf Kalorien und die neuesten Geschäftszahlen wachende Kogel über die Honoratioren, die sich um den Geschäftsführer des mächtigen Film-Fernsehfonds (FFF) Bayern, Klaus Schaefer, gruppieren.

Schließlich entscheidet der FFF, welcher Produzent wie viel Fördergeld vom Freistaat bekommt und wie viel er gegebenenfalls zurückzahlen muss: Kein Wunder, dass sogar der Künstler und Kinderbuchautor Janosch, der gerade die Filmrechte zu seinem Klassiker "O wie schön ist Panama" an ein großes Hollywood-Studio verkaufen will, sein elegantestes Knitter-Sakko angezogen hat. Ein wenig Unterstützung vom FFF kann nicht schaden, weshalb Janosch weibliche Filmfunktionäre abküsst und unverschämt gut gelaunt in die Kameras grinst.

O wie schön ist das Filmfest, wie herrlich sind seine Parties! Wer die richtig wichtigen Termine verpasst hat, kann immerhin noch eine der kleineren Festivitäten besuchen. Eine der sympathischsten ist die Party Donnerstagnacht in der Trafohalle in Giesing.

Dort feiern außer der Rat Pack Filmproduktion vier weitere Firmen, die sich unter dem Motto "Doing Something Stupid" zusammengeschlossen haben. Erstaunlich ist, dass hier halbwegs normale Menschen zur Musik der Cover-Band Party Republik tanzen.

Endlich mal keine Movie-Stars (vom Filmschönling Ken Duken abgesehen), keine weihevollen Preisverleihungen, keine Promi-Armbändchen. Das Filmfestvolk amüsiert sich, während unten im Hof die "Metzgerei Schäbitz" Hamburger brät - erstaunlich bodenständig geht es zu in der einst verhätschelten, zum Größenwahn neigenden Branche.

"Bin gerade freiberuflich unterwegs. . ." - diesen Satz hört man nicht nur einmal. Und ein ehemaliger leitender Angestellter des untergegangenen Kirch-Imperiums weiß, warum die Stimmung so entspannt ist: "Wir haben jetzt alle viel Zeit für Parties."

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