Süddeutsche Zeitung

Parteigesetz:Der Ausschluss-Ausschuss

Die Satzung bezüglich der Mitglieder-Affäre ist eindeutig, und doch: Das Schiedsgericht der Münchner CSU wird es nicht leicht haben, die Drahtzieher um Baretti & Co. aus der Partei zu werfen.

Von Jan Bielicki

Für die beiden Rechtsanwälte und die eine juristische Laiin, die heute Abend Gericht halten, sollte der Fall klar sein. Josef Nachmann, Markus Eigner und Annemarie Agethen bilden zusammen das Schiedsgericht der Münchner CSU.

Sie sollen über drei Anträge entscheiden, in denen der CSU-Bezirksvorstand fordert, den Landtagsabgeordneten Joachim Haedke, den Stadtrat Christian Baretti und die ehemalige Vizevorsitzende des Ortsverbands Perlach, Stephanie L., aus der Partei auszuschließen.

Die Begründung für die beantragten Rauswürfe lautet: Mit ihrer Verwicklung in die Mitgliederkauf-Affäre von Perlach hätten die drei "schweren Schaden für die Partei" angerichtet.

Anstiftung und Beihilfe

So ist es wohl - und so sieht es auch die CSU-Satzung. Ein Mitglied, das anderen für das rechte Stimmverhalten bei Wahlen "Geschenke oder andere geldwerte Vorteile anbietet, verspricht, gewährt", solle "aus der Partei ausgeschlossen werden", legt Paragraph 61 der Satzung fest.

Gleiches gelte "im Fall der Fälschung oder Verfälschung von Aufnahmeanträgen oder sonstigen auf die Partei bezogenen Urkunden". Und: Ausgeschlossen solle auch werden, wer zu einer Handlung in diesem Sinne "anstiftet oder Beihilfe leistet".

All das ist in der Mitgliederkauf-Affäre passiert. Baretti wurde rechtskräftig verurteilt, L. musste eine Geldbuße zahlen, und den Abgeordneten Haedke hält das Amtsgericht urteilsoffiziell für den Drahtzieher des Einkaufs von Mitgliedern, die bei parteiinternen Wahlen im Sinne der Gruppe abstimmen sollten.

Ausschlussgründe nachträglich eingefügt

Doch ganz so einfach ist die Sache für die drei Schiedsrichter nicht. Denn all die klaren Ausschlussgründe aus Satzungsparagraph 61 wurden erst im vergangenen Herbst eingefügt, nachdem gefälschte Anträge und gekaufte Mitglieder zum bisher größten Skandal der München-CSU geführt hatten. Sie galten noch nicht, als Anträge gefälscht und Mitglieder gekauft wurden.

Darum muss das von einem Parteitag gewählte, sonst aber unabhängige Schiedsgericht nun abwägen, ob Baretti, Haedke oder L. "vorsätzlich gegen Satzung oder erheblich gegen Grundsätze oder Ordnung der Partei" verstoßen und "ihr damit schweren Schaden" zugefügt haben, wie es wortgleich CSU-Satzung und Parteiengesetz formulieren.

Bei Haedke liegt der Fall anders

Bei Baretti und L., deren Wirken bereits das Amtsgericht beurteilt hat, dürfte das einfach sein - zumal sogar ordentliche Gerichte Barettis Ausschluss aus der CSU-Stadtratsfraktion bestätigten. Anders liegt der Fall bei Haedke: Gegen ihn liegt kein Urteil vor, weil Mitgliederkauf laut Amtsgericht zwar "unanständig, aber nicht strafbar" ist.

Haedke war nur Zeuge vor Gericht. Dort hat er die Aussage verweigert - sein gutes Recht, wenn die Möglichkeit besteht, er könnte sich selber belasten. Dass seine Verwicklung in die Affäre und sein Schweigen darüber der Partei geschadet haben, gilt als klar. Ob der Schaden so schwer wiegt, ihn mit der schärfsten Parteistrafe, dem Ausschluss, zu belegen, ist umstritten: "Da wird noch mit der juristischen Axt gefochten", sagt einer der Juristen im CSU-Vorstand.

So ist nicht einmal gewiss, ob die drei Parteischiedsrichter heute schon ihre Beschlüsse fassen - oder nicht doch noch auf Entscheidungshilfe aus einem anderen Verfahren warten: Im Untersuchungsausschuss des Landtags steht die Vernehmung des Zeugen Haedke noch bevor.

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SZ vom 26.04.2005
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