Paralympics-Siegerin kämpft um Entschädigung:Die falsche Dosis

Eine Paralympics-Siegerin klagt gegen das Uniklinikum rechts der Isar: Speerwerferin Birgit Kober kämpft um eine Entschädigung für ihre Behinderung - und gegen ein Gutachten. Das zieht in Zweifel, ob die fehlerhaft verabreichten Medikamente die alleinige Ursache für ihre Behinderung sind.

Ekkehard Müller-Jentsch

Paralympics-Doppelsiegerin Kober fordert Schmerzensgeld von Klinik

Gold im Rollstuhl: Die 41-jährige Speerwerferin Birgit Kober hat das Klinikum rechts der Isar verklagt. Die Verhandlung wurde am Mittwoch vertagt.

(Foto: dapd)

"Ich möchte einfach nur ein bisschen Gerechtigkeit - man hat mir mein Leben genommen", sagt die zweifache Paralympics-Goldmedaillengewinnerin Birgit Kober. Sichtlich aufgeregt rollte sie am Mittwochmittag ins Landgericht München I. "Ich musste mich zwei Mal übergeben", stöhnte sie nervös. Sie klagt gegen das Uniklinikum rechts der Isar: Hier war sie 2007 wegen Epilepsie behandelt worden, dabei wurde ihr infolge eines Schreibfehlers die 25-fache Dosis des verordneten Mittels per Infusion verabreicht. "Deshalb sitze ich seither im Rollstuhl", sagt sie. Die toxische Menge habe eine Ataxie ausgelöst, eine Störungen in Koordination und Bewegungsablauf.

Da praktisch kein Zweifel daran besteht, dass die damalige Überdosierung ein grober Behandlungsfehler ist, geht es in dem laufenden Verfahren und die Kernfrage: Ist Birgit Kobers heutiger Zustand noch immer auf diese Fehlbehandlung zurückzuführen? Der Gutachter, ein Neurologe der Uni-Klinik Essen, ist davon allerdings nicht überzeugt. Vier Stunden lang wurde er von den Richtern der Medizinrechtskammer eingehend befragt - doch ein abschließendes Ergebnis lag dann immer noch nicht vor.

Die sehr wissenschaftlichen Ausführungen des Experten lassen sich stark vereinfacht so zusammenfassen: Organische Ursachen für die Behinderungen der heute 42-Jährigen gebe es nicht. Allerdings habe sie bereits in jugendlichem Alter Anfälle erlitten, die als Epilepsie gedeutet und behandelt worden seien. Durch die Folgen der extremen Überdosierung 2007 im Krankenhaus sei eine Art "Recall-Effekt" eingetreten: Das Unterbewusstsein habe sich an frühere Symptome erinnert, diese modelliert, und dann das Krankheitsbild quasi "eingebettet" und "fixiert", meinte der Experte.

Fraglos sei Birgit Kober durch die toxische Wirkung des überdosierten Medikaments massiv beeinträchtigt worden. Diese sei aber nach und nach abgeklungen. Die heute vorhandenen Symptome der körperlichen Beeinträchtigungen seien nicht mehr mit denen unmittelbar nach dem Medikations-Fehler zu vergleichen. "In der konkreten Symptomatik spielt dieses Ereignis inzwischen eine untergeordnete Rolle", glaubt der Sachverständige.

Birgit Kober reagierte empört: "Ich werde nicht ernst genommen - das zieht sich durch meine ganze Krankheitsgeschichte." Immer wieder habe man ihr eine Borderline-Störung unterstellt, das müsse dann als Begründung für alle möglichen Behauptungen herhalten. "Warum wird nicht endlich ein psychiatrisches Gutachten gemacht?" Man stelle sie dar, als sei sie eine Simulantin, beklagte die erfolgreiche Speerwerferin und Kugelstoßerin. "Hier wird etwas aus mir gemacht, dass ich nicht bin - so will ich den Prozess nicht gewinnen." Das Gutachten sei für sie "wie eine Ohrfeige".

Der Gerichtsgutachter rückte aber nicht von seiner Meinung ab. So sei bei Birgit Kober "der sehr koordinierte Bewegungsablauf auffällig". Nach seiner Meinung lasse sich bei neurologischen oder organischen Störungen dieser nicht antrainieren. Birgit Kober hatte zuvor erklärt, dass sie jeden Bewegungsablauf in langwierigen Trainingseinheiten lernen und üben müsse. Sie forderte den Gutachter auf zu erklären, wie es sonst möglich sein könne, dass auch ihre Sportkolleginnen mit Ataxie zielgerichtet werfen können.

Das Gericht unterbrach am später Nachmittag die Verhandlung. Kobers Anwalt und der des beklagte Klinikums sollen jetzt zu den Ausführungen des Gutachters schriftlich Stellung nehmen. Voraussichtlich wird erst 2013 weiter verhandelt. Kobers Anwalt Jürgen Korioth wurde vom Gericht nahegelegt, beim nächsten Mal zur Beratung einen privaten Sachverständigen mit in die Verhandlung zu bringen.

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