Einen sichtlich erleichterten und nahezu frohgemuten Kardinal Reinhard Marx konnte erleben, wer sich am späten Donnerstag durch diverse deutsche Nachrichtensendungen gezappt hat. Der Erzbischof von München und Freising erklärte unter dem römischen Abendhimmel in ein Mikro nach dem anderen, wie „sehr glücklich“ er über die Wahl des US-Amerikaners Robert Francis Prevost zum neuen Papst Leo XIV. sei. Der neue Pontifex könne „zuhören, argumentativ sein, verstehen, was meine Probleme sind oder wo wir Fragen haben“, betonte der 71 Jahre alte Marx etwa im ZDF.
Mit Blick auf die katholische Kirche in Deutschland und ihre Reformbemühungen sehe er bei Leo XIV. eine große Bereitschaft, in die gemeinsame Diskussion zu gehen. Voraussichtlich am Sonntag wird Marx, der Teil des Konklaves war, nach der Amtseinführung des neuen Papstes einen zentralen Dankgottesdienst im Münchner Dom feiern.
Auch bei Heinrich Bedford-Strohm, Vorsitzender des Weltkirchenrates, hat die Nachricht vom neuen Papst Leo XIV. „Freude und Hoffnung“ ausgelöst, wie die dpa berichtet. „Ich erwarte, dass er das Zeugnis von Papst Franziskus für die Liebe zu allen Menschen, besonders zu den Schwächsten, und für die Liebe zur nichtmenschlichen Schöpfung fortsetzt“, schrieb der langjährige Vorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland und ehemalige Landesbischof von Bayern auf Facebook.
Im Augustinerkloster Maria Eich in Planegg haben sie am Freitagmorgen gleich mit den Besuchern angestoßen, erzählt Pater Felix Meckl noch hörbar aufgekratzt am Telefon. Prevost ist ein Mitbruder, der im Orden bisher immer nur „der Bob“ war, auch wenn er die Augustiner von 2001 bis 2013 als Ordensgeneral weltweit geleitet hat.
Pater Felix kennt den neuen Papst Leo XIV. persönlich, sie hätten während des Studiums in Rom Tür an Tür gewohnt. „Er ist ein ganz liebevoller, nahbarer Mensch, der eine angenehme Sympathie ausstrahlt. Ich hoffe, dass er sich im Amt treu bleiben kann“, sagt Meckl, der in Maria Eich für die Wallfahrt zuständig ist.

Seine Hauptaufgabe werde es sein, die Spannungen innerhalb der Kirche auszuhalten. „Themen, die hier bei uns wichtig sind, haben in Lateinamerika, wo er herkommt, keine Relevanz. Themen, die dort wichtig sind, werden bei uns verlacht.“
Viele Münchner Katholikinnen und Katholiken reagieren mit vorsichtigem Optimismus auf den neuen Pontifex. Wolfgang Rothe, Münchner Priester und Mitglied im Betroffenenbeirat der Deutschen Bischofskonferenz, zeigt sich „positiv überrascht“. Der neue Papst habe gleich zu Beginn deutliche Zeichen in ganz verschiedene Richtungen ausgesandt, allein schon durch seine Kleidung und seine Namenswahl. „Die sind eher traditionell und damit eine Botschaft an die konservativen Kreise in der Kirche: Ihr müsst keine Angst haben.“
Zugleich sei der Inhalt der Botschaft von Leo XIV. sehr klar gewesen, dass er den Weg seines Vorgängers Franziskus fortsetzen und sich etwas verändern werde. Er, Rothe, freue sich, dass mit Prevost ein US-Amerikaner neuer Pontifex sei, und damit ein „moralisches Gegenüber dieser unmoralischen Bande im Weißen Haus“.
Rothe, selbst Betroffener von Missbrauch in der katholischen Kirche, kennt auch die Anwürfe, dass Prevost nicht adäquat auf Missbrauchsanschuldigungen reagiert haben soll. „Mir ist aber kein Vorwurf bekannt, dass er in irgendeiner Weise übergriffig geworden sei und sich selbst schuldig gemacht habe.“

„Das Gute ist“, sagt der Dachauer Christian Weisner und ein Bundessprecher der Laienbewegung „Wir sind Kirche“, „dass Leo XIV. auch versteht, dass sexualisierte Gewalt systematisch bekämpft werden muss.“
„Sehr viel Hoffnung“ löse Leo XIV. in ihr aus, sagt Gudrun Lux, Grünen-Stadträtin, Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und der Versammlung des Synodalen Weges, der die Reformen in Deutschland vorantreibt. Er ist in den USA geboren, hat in Lateinamerika gelebt, wie sie übrigens auch, kenne das Thema Migration damit hautnah, und habe klar Stellung bezogen, gegen US-Vizepräsident J. D. Vance und gegen die „Menschenverachtung und den Mangel an Barmherzigkeit“ der aktuellen US-Politik. Mitglieder des ZdK hätten sich im Februar mit Prevost getroffen, über den Synodalen Weg gesprochen und ihn als interessierten, aufmerksamen Zuhörer wahrgenommen.

Hiltrud Schönheit, Vorsitzende des Katholikenrats der Region München, will keine Prognose wagen, was den Umgang des neuen Oberhirten mit der Frage der Öffnung für Weiheämter für Frauen in der katholischen Kirche angeht. „Ich könnte mir vorstellen, dass er an bestimmten Stellen tatsächlich mal einen Schritt weitergeht. Auf jeden Fall ist er kein Hardliner.“ Synodalität heiße ja auch, dass man bei den „ganz verschiedenen theologischen und moralischen Vorstellungen dieser weiten Weltkirche auch konträre Positionen erst mal in Ruhe anhört und darüber nachdenkt“.

Als Elisabeth Stanggassinger „diese 133 alten Männer“ der Reihe nach in das Konklave hat einziehen sehen, habe sie das geschmerzt. „Du meine Güte, hab’ ich gedacht, als ich vor 35 Jahren Gemeindereferentin wurde, war so eine Aufbruchstimmung, wir hatten das Gefühl, in ein paar Jahren werden verheiratete Männer Priester und ein paar Jahre später Frauen Priesterinnen.“ Stattdessen sei alles rückwärts gegangen, sagt die Mitbegründerin der Reformerinnengruppe Maria 2.0 München. Der neue Papst müsse Zeichen der Wertschätzung gegenüber Frauen setzen, zum Beispiel sie in sein Beratergremium aufnehmen. Noch sei sie skeptisch.

Was sich die vom Neuen wünschen, die noch am längsten in und mit dieser Kirche leben müssen? „Einen der menschlich agiert, Reformen anstößt, die notwendig sind und versucht, alle dabei mitzunehmen“, sagt Matthias Stiftinger, Diözesanvorsitzender des Bunds der deutschen katholischen Jugend München. „Ich glaube, Menschen wünschen sich mit der Kirche einen Ort, wo sie ihre Last abladen und wieder Kraft schöpfen können.“