Ganz am Ende, als die Kommunion ausgeteilt ist, wird Reinhard Marx persönlich, fast heiter. Der Münchner Erzbischof hat gerade das Requiem für Joseph Ratzinger gefeiert, den emeritierten Papst Benedikt XVI., da sagt Marx, dass man sich im Erzbistum jetzt austauschen werde über die gemeinsame Lebensgeschichte mit Ratzinger, sich Anekdoten erzählen werde, "unzählige". Benedikt sei immer interessiert gewesen zu hören, was in seiner alten Heimat vor sich gehe. Wahrscheinlich habe er, sagt Marx, und man darf das als kardinales Understatement auffassen, nur deshalb immer wieder Zugang zu Benedikt gehabt, weil er ihm regelmäßig was Neues aus seiner Heimat habe erzählen können.
Wobei der Bayer in Rom "auch andere Quellen" gehabt habe, "insofern war er immer gut im Bild". Niemand solle vergessen, wie eng Ratzinger mit seiner Heimat bis zuletzt verbunden geblieben sei. "Es wird ihn einige Überwindung gekostet haben, einen Westfalen auf den erzbischöflichen Stuhl nach München zu holen." Ein leises Kichern geht durch die Reihen in der Frauenkirche.
Das Erzbistum München und Freising nimmt am Dienstagabend Abschied vom bayerischen Papst. Kardinal Marx tut das mit überraschender Einleitung: Er wolle alle zum Gebet einladen, auch die Kritiker des Verstorbenen, und "auch die, die im Raum der Kirche Missbrauch und Leid erfahren haben". Was Marx nicht explizit ausspricht, verschickt sein Ordinariat wenig später als Pressemitteilung: Dass Ratzinger zu Beginn seines letzten Lebensjahres massiv in die Kritik geraten war wegen seines Umgangs mit Missbrauchstätern.
"Wenn jemand stirbt, dann geht er nicht einfach weg, dann geht er weiter mit."
In seiner Predigt würdigt Marx dann den "leidenschaftlichen Theologen" Ratzinger. "Weiter denken, darauf hatte er Lust", sagt Marx über seinen Vor-Vorgänger, der von 1977 bis 1982 in München amtierte. Jetzt werde Ratzinger weiter mitgehen, sagt Marx und erinnert an einen Satz des emeritierten Papstes: "Wenn jemand stirbt, dann geht er nicht einfach weg, dann geht er weiter mit."
Vielleicht wäre der Kardinal am Ende, unterm Hochalter stehend, ins Plaudern geraten, wenn er nicht wegen der TV-Liveübertragung hätte pünktlich fertig werden müssen. Er, der Westfale, habe zum Bayern in Rom ein "wunderbares Verhältnis gehabt". Und bei ihren Treffen habe er, Marx, immer Benedikt aufgefordert: "Segne mich!" Bei ihrer letzten Begegnung aber habe er zum Papst gesagt: "Und jetzt segne ich dich. Und er sagte: ja, bitte."