Süddeutsche Zeitung

Paketposthalle:An der Friedenheimer Brücke soll ein "kleiner neuer Stadtteil" entstehen

  • Das Büro Herzog und de Meuron soll einen städtebaulichen Masterplan für die Paketposthalle und das umliegende Grundstück entwerfen.
  • Dem neuen Eigentümer des Areals schwebt ein "kleiner neuer Stadtkern vor, mit allen Nutzungsformen, die in einer Innenstadt relevant sind: Arbeiten und Wohnen, Einzelhandel und Gastronomie, Hotel und Kultur in verschiedenen Formen".
  • Das Projekt könnte in sieben bis neun Jahren fertig entwickelt sein.

Von Alfred Dürr und Sebastian Krass

Es wird eines der spektakulärsten Bauprojekte der nächsten Jahre, nun ist es auch mit einem prominenten Namen verbunden: Das Büro Herzog und de Meuron aus Basel ist beauftragt, einen städtebaulichen Masterplan für die Paketposthalle und das umliegende Grundstück nahe der Friedenheimer Brücke zu entwerfen. Das sagte der neue Eigentümer des Areals, der Münchner Projektentwickler Ralf Büschl, der Süddeutschen Zeitung. Ausgangspunkt der Überlegungen sei, dass das Gebiet "einen echten urbanen Charakter" bekommen soll.

Büschl schwebt ein "kleiner neuer Stadtkern vor, mit allen Nutzungsformen, die in einer Innenstadt relevant sind: Arbeiten und Wohnen, Einzelhandel und Gastronomie, Hotel und Kultur in verschiedenen Formen". Er betont, dass dort kein reines Nobelquartier entstehen solle. "Der Ansatz ist, dass wir etwas für alle Münchner schaffen." Es solle ein Anziehungspunkt für die gesamte Stadtgesellschaft werden. Auch über die Frage, wie sich dort ein oder mehrere Hochhäuser verwirklichen lassen, sollen Herzog und de Meuron nachdenken.

Büschl hat das 100 000 Quadratmeter große Areal - das entspricht der Fläche von etwa 14 Fußballfeldern - der Deutschen Post im August abgekauft. In dem Briefzentrum sortieren derzeit noch etwa 1000 Mitarbeiter täglich 4,5 Millionen Sendungen. Im Zentrum des Projekts steht die denkmalgeschützte Halle. Das bogenförmige Bauwerk aus den Sechzigerjahren mit seiner Spannweite von 150 Metern gilt als weltweit bedeutende Ingenieurleistung. "Wenn man drinsteht, erfährt man ein Gefühl von Größe, die man von außen gar nicht erkennt", sagt Büschl. In den vergangenen Jahren gab es verschiedene Ideen für die Nutzung: von einem Konzertsaal bis zu einer Filiale des Möbelhauses Ikea. Sie alle zerschlugen sich. Letztlich kam Büschl zum Zuge. Sein bisher prominentestes Projekt war die Neubebauung des Agfa-Geländes in Obergiesing, das nicht ganz so groß war wie das rund um die Paketposthalle. Derzeit bebaut Büschl das Osram-Areal in Untergiesing und das Holzkontor in Haidhausen.

Voraussetzung für seine Entwicklungspläne mit der Paketposthalle ist, dass die Post auszieht. Büschl hat dem Unternehmen als Gegengeschäft ein Grundstück in Germering verschafft. Am Freitag hat die Post ihre Pläne für ein neues Briefzentrum dort vorgestellt. Es soll 2021 eröffnen, allerdings steht noch die Zustimmung des dortigen Stadtrats aus. Außerdem muss die Stadt die Nutzung des Grundstücks in Neuhausen umwidmen und einen neuen Bebauungsplan aufzustellen.

Was Büschl nun an Ideen präsentiert, dürfte also auch die Funktion haben, die Politik für sein Projekt gewogen zu machen. Bisher waren die Reaktionen schon freundlich: Planungspolitiker im Stadtrat sowie Stadtbaurätin Elisabeth Merk betonen die Chancen für die Stadtentwicklung. Büschl sagt, er habe das Büro Herzog und de Meuron ausgesucht, weil es für beeindruckende, zeitlos klassische Stadtplanung und Architektur "ohne Effekthascherei" stehe. Außerdem verstehe es München. Das hätten die Architekten mit den Fünf Höfen und der Arena in Fröttmaning gezeigt. Nun allerdings geht es noch nicht um konkrete Architektur, sondern um eine Idee, was auf dem Areal möglich ist.

Die Halle sei "der Nukleus, aus ihr soll alles entstehen"

Der Auftrag hat zwei Teile: Herzog und de Meuron sollen ein Konzept für die Hallennutzung entwickeln, auch mit Varianten. Und sie sollen, zweitens, die umgebende Bebauung vorüberlegen. Die Studie soll Grundlage sein für den folgenden städtebaulichen Wettbewerb. Beim Bauen sollen dann auch Münchner Architekturbüros zum Zuge kommen.

Experten für neue Nutzungen

Die Architektur des Baseler Büros Herzog und de Meuron fällt auf, sie ist spektakulär, aber sie ist auch von zeitlos klassischer Eleganz. Die Hamburger Elbphilharmonie, das Museum Tate Modern in London sowie Hochhäuser in Basel, Sportstätten wie die Arena in Fröttmaning oder das Olympiastadion in Peking sind dafür Zeugnisse. Für das Paketposthallen-Projekt in München spielt für den Investor und Projektentwickler vor allem die Frage eine Rolle, wie man aus vorhandener Bausubstanz etwas aufregend Neues entwickeln kann. Das Büro von Jacques Herzog und Pierre de Meuron hat das vor allem bei der Tate Modern gezeigt. Aus dem 1945 erbauten Kraftwerksklotz an der Themse wurde ein attraktives Haus für die moderne Kunst. In Hamburg entstand auf einem Speichergebäude mit seiner typischen Backstein-Bauweise ein weithin sichtbarer wellenförmiger Aufbau aus Glas und Stahl. Auch die Ladenpassage Fünf Höfe in der Münchner Innenstadt fällt in diese Projekt-Kategorie. Der einst verschachtelte und für die Öffentlichkeit verschlossene Komplex der HypoVereinsbank wurde entkernt und mit Durchgängen versehen. Mehr als 60 Geschäfte, Cafés und Restaurants, aber auch die Hypo-Kunsthalle und eine Galerie wurden in eine außergewöhnliche Architektur gebettet. Fassaden und Gebäudeteile wurden weitgehend erhalten. DÜ.

Die Halle, sagt Büschl, sei "der Nukleus, aus ihr soll alles entstehen". Für die nötige Sanierung kalkuliert er mit einem zweistelligen Millionenbetrag. Er kann sich vorstellen, dass dort ein Veranstaltungssaal für 500 Besucher entsteht, "den wir der Stadt zur Nutzung überlassen". Die Halle könne aber auch die neue Heimat für die Musikhochschule werden. Auch ein Altenheim, das auf jeden Fall auf dem Areal entstehen soll, könne unter dem Bogen untergebracht werden. Auf keinen Fall solle die Halle an einen Nutzer, etwa für ein Einkaufszentrum gehen. Eine solche "Monokultur" schließt Büschl aus. Wie viele Menschen auf dem Areal einmal leben sollen, das könne man noch nicht sagen. Aber klar ist, dass das Areal gemäß der Sozialgerechten Bodennutzung (Sobon) entwickelt wird, dass also 40 Prozent des Wohnraums gefördert oder preisgedämpft sind.

Was die Hochhaus-Frage angeht, hat Büschl vorgegeben, dass die Planer erst einmal von der Obergrenze von 100 Metern ausgehen sollen. Allerdings könnte sich das noch ändern, wenn eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie über die Potenziale für neue Hochhäuser im kommenden Jahr fertig wird - und möglicherweise neue Richtwerte zum Tragen kommen. Ein Teil der Studie wird auch das Verkehrskonzept sein: "Meine Idee wäre, an der Oberfläche verkehrsfrei zu sein", sagt Büschl. Er bevorzugt mehrere Tiefgaragenebenen, in denen die Autos verschwänden.

Einen konkreten Zeitplan für das Projekt gibt es noch nicht. Aber wenn alles gut geht, hofft Büschl, könnte das Areal in sieben bis neun Jahren fertig entwickelt sein.

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SZ vom 13.11.2018/huy
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