Knapp zehn Jahre alt war Paavo Järvi im Jahr 1972, als der Komponist Arvo Pärt seinem Vater, dem Dirigenten Neeme Järvi, eine Symphonie widmete. Nun dirigierte auch der Sohn Pärts Dritte bei den Münchner Philharmonikern in der Isarphilharmonie. Im Werk des estnischen Komponisten bezeichnet sie einen Übergang, die Suche nach jener neuen Einfachheit, die ihn später weltweit bekannt machen sollte. Die gegeneinander isolierten Orchestergruppen bewegen sich oft einstimmig in archaisierender Tonalität, Posaunenchoräle prallen auf Streicherlinien, leises Celesta-Klingeln auf harte Paukenschläge. Klobig wirken die drei ineinander übergehenden Sätze bei Paavo Järvi, wie aus schweren Trümmern gefügt. Noch verlorener bleibt der vorangestellte "Swansong" desselben Komponisten aus dem Jahr 2014, bedarf die hier erreichte Einfachheit doch einer inneren Ruhe, die der Beginn eines Abends kaum leisten kann.
Oder der Dirigent nicht. Diesen Verdacht jedenfalls verstetigte im zweiten Teil ein Repertoireklassiker, Felix Mendelssohns "Lobgesang", Mischung aus Symphonie und Kantate für Solisten, Chor und Orchester. Järvi organisiert ihn straff, handwerklich immer präzis. Inspiriert von einer (missverstandenen) historischen Aufführungspraxis, lässt er ausgesprochen kleinteilig phrasieren, wählt gleichzeitig rasche Tempi. Es soll wohl lebhaft wirken, sorgt aber eher für das Gegenteil: Die Musik atmet nicht, bleibt in sich statisch, gewinnt keine Kontraste.
Den Solisten gewährt Järvi kaum eigenen Raum, zumal es der Sopranistin Chen Reiss und dem Tenor Patrick Grahl von Haus an dramatischeren Farben mangelt. Dabei könnte Grahl mit seiner intensiven Textdeklamation überzeugen, auch der Philharmonische Choral klingt innig im Choral, klar in den polyphonen Passagen. Aber Järvi fehlt ein Plan für den Aufbau des Ganzen, für Mendelssohns Dramaturgie aus Nacht und Licht, von der auch hier nur aneinandergefügte Blöcke bleiben.