SZenario:"Macht Gott Fehler?"

SZenario: Verbeugung auf dem roten Teppich: Hauptdarsteller Florian David Fitz und Kinderdarstellerin Laurì.

Verbeugung auf dem roten Teppich: Hauptdarsteller Florian David Fitz und Kinderdarstellerin Laurì.

(Foto: Stephan Rumpf)

Florian David Fitz referiert und friert, alle anderen halten sich zunächst ungewohnt zurück. Am Ende gibt es bei der Premiere des Films "Oskars Kleid" Tränen und sehr viel Applaus.

Von Philipp Crone

Das gibt es selten. Normalerweise sind Gäste auf dem roten Teppich von Filmpremieren froh über jeden Halbsatz, den sie in ein Mikrofon sprechen können. Normalerweise geht es aber auch eher um Humor, Spannung, Liebe und Drama. Inhalte, zu denen jeder was zu sagen hat oder das zumindest denkt. Aber zur lachweinenden Familiengeschichte eines Klischeepolizisten mit einem Sohn, der sich selbst als Mädchen wahrnimmt?

Einig sind sich die Gäste bei der Premiere von "Oskars Kleid" am Donnerstagabend im Innenhof des Arri-Kinos in zwei Punkten: zum einen, dass es wichtig, toll und mutig ist, ein Transgender-Thema ins Kino zu bringen. Und zum anderen, dass man noch gar nichts sagen könne, schließlich müsse man erst den Film sehen. Den Film noch nicht zu kennen, ist sonst mitnichten ein Argument für ein Münchner Premierenpublikum, sich nicht ausführlich auszulassen.

Die Unsicherheit bei dieser Thematik bringt später im Film Florian David Fitz in seiner Rolle als Polizist und Vater auf den Punkt, als er versucht, "LGBT" in der richtigen Reihenfolge zu buchstabieren. Er sitzt da gerade bei einer erwachsenen Transfrau, die mit tiefer Stimme ergänzt: "Und trotzdem regen sich immer welche auf, weil man sie vergessen hat." Eine wunderbare Szene, eine von vielen, in denen ein scheinbar kompliziertes Thema mit seinen vielen gesellschaftlichen Tücken mit feinem Humor erzählt wird. Die Premierengäste können lachen und lernen. Und gelacht wird viel. Kein Wunder, wenn die Anspannung, ob so ein Film funktioniert, mit jeder Pointe und jedem gelungenen Dialog weiter abfällt.

Aus einem Foto wird eine ganze Geschichte

Draußen sagen Schauspielerinnen wie Maria Furtwängler oder Rosalie Thomass oder die im Film mitwirkende Eva Bay unisono, dass sie nichts sagen können, im Saal kann man sie beim Filmgenuss beobachten. Dort nimmt auch ein völlig verfrorener Fitz Platz, der gerade noch in verschiedenfarbige Mikrofone erklärte, wie er diesen Film gemacht hat. "Ich wollte das Thema aus der Sicht eines Vaters erzählen, der keine Ahnung davon hat." Und im leicht überzeichneten Männermilieu lebt, das Fitz "macho-artig" nennt.

"Ich hab vor fünf Jahren in einer Zeitschrift ein Foto gesehen, das im Film unser Schlussbild wurde. Und zu diesem Bild wollte ich mir eine Geschichte überlegen." Das Schlussbild ist eine schöne Schlusspointe, und zu diesem Zeitpunkt haben längst viele im Saal nicht nur applaudiert und gelacht, sondern auch geweint und die Luft angehalten. Etwa wenn Oskar/Lili den Rabbiner fragt: "Macht Gott Fehler?" Ohnehin kann Fitz so schöne Drehbücher schreiben, wie er möchte, oder seine beste Schauspielleistung abliefern, am Ende bei der Bühnenpräsentation weiß er ganz genau, warum der Film funktioniert. "Wegen dir", sagt er und deutet auf Oskar/Lili, gespielt von Darstellerin Laurì, elf Jahre alt und halb so groß wie er. Es ist der letzte von vielen emotionalen Momenten an diesem Abend.

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