Oscar-Shortlist:"Die Platzierung ist der Wahnsinn"

Fünf Filme kämpfen um den Oscar. Der animierte Kurzfilm "Urs" des Münchner Regisseurs Moritz Mayerhofer könnte einer davon sein.

Sara Zinnecker

Der Münchner Regisseur Moritz Mayerhofer, 29, ist auf Oscar-Kurs. Sein am Computer produzierter, animierter Kurzfilm Urs hat es unter die besten zehn geschafft. Am 25. Januar entscheidet eine Jury, ob er die Runde der letzten fünf erreicht und somit für die begehrte Filmtrophäe nominiert wird. In einer Videogruppe am Münchner Luitpoldgymnasiums hat Mayerhofer sein Interesse am Film entdeckt. Später studierte er an der Filmakademie Baden-Württemberg und einige Monate an der renommierten Schule für Animation "Le Gobelins" in Paris.

sueddeutsche.de: Wovon handelt Urs?

Moritz Mayerhofer: Urs ist ein junger, kräftiger Mann, der mit seiner alten, kranken Mutter in einem verlassenen Bergdorf lebt, zu dem kein Sonnenlicht durchdringt und das immer weiter verfällt. Urs weiß, dass die Sonne nur auf der anderen Seite des steilen Gipfels scheint. Eines Tages schnürt er sich den Stuhl, in dem seine Mutter sitzt, auf den Rücken und zieht mit ihr los in der Hoffnung, hinter dem Berg ein besseres Leben zu finden. Als er oben auf dem Gipfel steht und seiner Mutter das sonnige Tal vor sich zeigen will, ist es zu spät. Sie ist tot.

sueddeutsche.de: Wie hat es Ihr Film unter die letzten zehn Kandidaten für den Oscar geschafft?

Mayerhofer: Ich habe Urs auf so vielen Filmfestivals wie möglich eingereicht. Die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die den Oscar verleiht, schaut dann, welche Filme auf bekannten Festivals Hauptpreise gewonnen haben. In der Kategorie "Animierter Kurzfilm" haben 33 Beiträge die Kriterien der Academy erfüllt. Eine Jury hat sich alle Filme angesehen und bewertet. Die besten zehn sind weitergekommen und auf der sogenannten Shortlist gelandet. Urs war einer davon.

sueddeutsche.de: Haben Sie mit einer Platzierung von Urs auf der Shortlist gerechnet?

Mayerhofer: Die Platzierung ist für mich der absolute Wahnsinn.

sueddeutsche.de: Die Geschichte von Urs und seiner Mutter ist sehr traurig. Wie entstand die Idee?

Mayerhofer: Eigentlich ging es mir um Kontraste. Die haben mich schon immer gereizt. Ich habe mir mit Freunden zusammen Gedanken darüber gemacht, wie man Kontraste in einem Animationsfilm umsetzen kann. Wir haben uns getroffen und drauflos skizziert. Irgendwann hatte ich einen Mann gezeichnet, der seine alte Mutter auf dem Rücken trug - und so plötzlich einen Kontrast visualisiert.

sueddeutsche.de: Wie ging es dann weiter?

Mayerhofer: Ich habe Leuten von meiner Idee erzählt und wollte herausfinden, was gut und was weniger gut ankommt. Dann erst habe ich angefangen, die grobe Handlung aufzuschreiben. An der Schule in Paris wurde mir beigebracht, worauf es beim Zeichnen von Charakteren in Filmen ankommt. Dort konnte ich Urs im Detail entwerfen. Ich habe ihn mir als Holzfäller vorgestellt, mit breitem Kreuz und so kräftig, dass er seine Mutter auf dem Rücken tragen kann. An manchen Tagen habe ich zehn Stunden lang am Stück skizziert.

sueddeutsche.de: Auf der Homepage des Films kann man ein paar dieser detaillierten Skizzen sehen. Wie kamen sie dann aber vom Papier in den Computer?

Mayerhofer: Jedes Objekt muss ich einmal am PC bauen: Urs, die Mutter, die Tiere. Bei einer Person ist das Skelett immer Ausgangspunkt. Ich muss die Proportionen bestimmen, festlegen, wo genau die Gelenke sitzen, wo sich ein Arm knicken lässt. Erst danach kommen Haut und Kleidung hinzu. Die fertige Figur lässt sich dann per Mausklick drehen und bewegen.

sueddeutsche.de: Ist es also die Aufgabe eines Animationsfilm-Regisseurs, die Figuren per Klick zu steuern?

Mayerhofer: Auch im Animationsfilm muss entschieden werden, aus welcher Perspektive die Figuren gezeigt werden, wie Licht und Schatten fallen sollen, welcher Hintergrund gewählt wird. Der einzige Unterschied zum szenischen Film ist, dass die Inszenierung viel langwieriger ist und nicht am Set, sondern in einem Animationsstudio am PC stattfindet.

sueddeutsche.de: Sie haben Urs als 3D-Film produziert. Lässt sich mit der klassischen 2D-Perspektive früherer Animationsfilme kein Oscar mehr gewinnen?

Mayerhofer: Es ist ein Fehlglaube, dass zweidimensionale Formate oder einfache Cartoons tot sind. 3D-Animation eignet sich gut, um die Realität abzubilden. Mit Urs wollte ich einen Film machen, der glaubwürdig ist. Die Proportionen der Figuren und ihre Bewegungen sind unverzerrt. Wenn Urs mit seiner Mutter auf dem Rücken die Felswand nach oben klettert, ist dies einem menschlichen Bewegungsablauf nachempfunden - da wird kein Hals oder Arm plötzlich in die Länge gezogen. Dennoch habe ich die Vorteile von 2D in meinen Hintergründen und bei Effekten gezielt genutzt.

sueddeutsche.de: Welche Vorteile sind das zum Beispiel?

Mayerhofer: Statt zum Beispiel viel Zeit darauf zu verwenden, physikalisch die Bewegung des Feuers zu berechnen, zeichne ich am PC die Bewegungsphasen in einzelnen Bildern.

sueddeutsche.de: Was sind Ihre animierten Lieblingsfilme?

Mayerhofer: Das Dschungelbuch. Ein Klassiker, sensationell. Dieser Film bleibt ewig jung. Was mir auch sehr gut gefällt, sind die japanischen Animés, zum Beispiel der Antikriegsfilm Das letzte Glühwürmchen, oder Ratatouille über eine Ratte, die es in ein Feinschmeckerlokal in Paris verschlägt. Der Film hat mich so schön an Frankreich erinnert.

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