Süddeutsche Zeitung

Organspende-Skandal:Klinikum trennt sich von Chefarzt

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Fünf Monate nach dem Transplantationsskandal zieht das Klinikum rechts der Isar in München eine erste einschneidende personelle Konsequenz: Der Chirurgie-Chef muss gehen. In seinem Fall selbst geht es inzwischen nicht mehr nur um Manipulationen - eine Patientin soll nach unnötigen OPs gestorben sein.

Von Christina Berndt

Das Klinikum rechts der Isar will sich von seinem Chirurgie-Chef trennen. Der Aufsichtsrat habe dem Direktor der Klinik für Chirurgie sein Misstrauen ausgesprochen, hieß es aus Klinikkreisen. Nun stehe eine Vertragsauflösung an. Es handelt sich um die erste einschneidende personelle Konsequenz, die das Klinikum aus dem Transplantationsskandal zieht.

Hintergrund der geplanten Trennung von dem Professor sind drei Fälle, in denen Blutproben offenbar mit Urin verunreinigt wurden. Zwei dieser Blutpanschereien aus dem Jahr 2010 waren schon damals aufgefallen. Der Chirurgie-Chef zog aber keine Konsequenzen aus den Vorgängen. Auch der Ärztliche Direktor erkannte keine Manipulationen. Die Überprüfung der Abläufe habe ergeben, "dass kein Fehlverhalten vorliegt", hielt er im Februar 2011 fest.

Nach SZ-Informationen geht es am Rechts der Isar inzwischen aber nicht mehr nur um Manipulationen, durch die einzelne Kranke schneller eine Spenderleber erhielten. Einer Patientin ist darüber hinaus 2011 eine Leber transplantiert worden, obwohl dies nach Ansicht von Fachleuten, die derzeit das Transplantationsprogramm der Klinik begutachten, gar nicht nötig gewesen sei. Wegen eines ähnlichen Falls erhebt die Staatsanwaltschaft gegen den Hauptverdächtigen im Transplantationsskandal von Göttingen den Vorwurf der schweren Körperverletzung.

Eine Patientin stirbt nach drei Transplantationen

Die Münchner Patientin litt unter einer chronischen Hepatitis C. Ihre Leber arbeitete aber noch so gut, dass ihre Werte unbedenklich waren. Dennoch wurde ihre Leber am Rechts der Isar durch das Organ eines 80-jährigen Spenders ersetzt. Nach vier Wochen versagte die Spenderleber. Es folgten zwei weitere Transplantationen, doch die Patientin starb. Aus Klinikkreisen heißt es, alle zuständigen Ärzte hätten sich wegen vermuteter Erfolglosigkeit gegen die dritte Transplantation ausgesprochen. Warum sich der Chirurgie-Chef über die Bedenken hinwegsetzte, ist unklar. "Letztlich sind auf diese Weise drei Menschen verstorben", sagte ein Arzt der SZ. "Die betroffene Patientin und diejenigen, denen die beiden Lebern hätten helfen können." Das Klinikum aber konnte so gleich drei Lebertransplantationen für sich verbuchen.

In einem weiteren Fall aus dem Jahr 2012 war der Nutzen des schweren Eingriffs ebenfalls umstritten: Ein Patient mit guten Leberwerten wurde trotz seiner Herzprobleme transplantiert. Die Witwe hat Strafanzeige gestellt, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Chirurgie-Chef wegen fahrlässiger Tötung.

Als der Chirurgie-Chef 2007 nach München kam, stand das Rechts der Isar unter Druck. Die Zahl der Lebertransplantationen lag unter der geforderten Mindestzahl von 20. In kürzester Zeit aber wuchs die Zahl auf etwa 40 pro Jahr. Dabei gab es in den Jahren 2007 bis 2012 rund 30 fragwürdige Fälle: Dialysen wurden gemeldet und falsche Krankheiten angegeben, die eine Transplantation dringlicher erscheinen ließen; auch wurden Alkoholkranke transplantiert, die noch nicht die erforderlichen sechs Monate trocken waren. Die verwendeten Lebern hätten Patienten an anderen Kliniken zugestanden.

Dass sich der Aufsichtsrat des Rechts der Isar nun knapp fünf Monate nach dem Bekanntwerden von Manipulationen zu personellen Konsequenzen durchringt, hängt mit dem Votum eines Arbeitsrechtlers zusammen, der im Auftrag des Aufsichtsratschefs, Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP), die dienstrechtlichen Möglichkeiten geprüft hat. "Für die Bewertung war auch die Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft von Bedeutung", sagte eine Ministeriumssprecherin. Allerdings könne der Aufsichtsrat nur Empfehlungen geben. Es obliege dem Vorstand, Konsequenzen zu ziehen. Dieser äußerte sich am Mittwoch ebenso wenig wie der Chirurg.

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Quelle:
SZ vom 21.02.2013
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