Orang Utans neues Zuhause:Partytime für Bruno und Co.

Der Himmel ist frei: Im Münchner Tierpark Hellabrunn wird das umgebaute Orang-Utan-Haus samt neuem Außengehege offiziell eröffnet.

Astrid Becker

Bruno hält Hof. Er lässt seine bernsteinfarbenen Augen über die Schar seiner sechs Lieben wandern. Die Kleinen sind noch frecher geworden, meinen doch glatt, ihn, den Oberboss, noch häufiger an den Haaren ziehen zu müssen als früher.

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Doch am liebsten, das hat er schon begriffen, hangelt sich seine Familie in schwindelerregenden Höhen von einem Punkt zum nächsten. Für Bruno ist das nichts mehr, für derartige akrobatische Kunststücke ist er mit seinen 38 Jahren viel zu schwer.

Zudem ist Bruno derzeit mit einer für ihn weitaus wichtigeren Frage beschäftigt: Wenn er sich für längere Zeit ins Freie hinauswagen würde, dürfte er dann auch wieder hinein?

Bruno ist der Chef der Orang-Utan-Gruppe im Tierpark Hellabrunn und beileibe nicht gewohnt, auf grünem Rasen herumzuspazieren. Sein ganzes Leben hat er umgeben von orangefarbenen Fliesen verbracht.

Und nun hell durchflutete Räume, viel Bewegungsfreiheit, Platz zum Tollen und zum Verstecken - und seit kurzem auch noch viel Gras und Schwinghangeln unter einem kuppelförmigen Edelstahlnetz, das den Blick zum Himmel frei gibt.

An das Innere seines neuen Zuhauses hat sich Bruno längst gewöhnt. Noch mehr: Er fühlt sich dort sichtlich wohl. Eben so sehr, dass er sich nur kurz - zum Hofhalten - in das Außengehege wagt. Es könnte ja sein, dass der Schieber plötzlich zugeht, und Bruno nicht mehr zurück in die Innenräume kommt.

Diese Befürchtung entbehrt zwar jeglicher Grundlage, aber woher soll Bruno das wissen? Schließlich können die Menschenaffen, deren Artgenossen in der freien Wildbahn vom Aussterben bedroht sind, das neue Außengehege erst jetzt nützen, weil nun endlich das Gras am Boden angewachsen ist.

Vorbei sind also die Zeiten deprimiert wirkender Orangs, die ihr Leben auf nackten Kacheln fristeten und sich draußen nur in einem beengten Käfig aufhalten konnten.

Partytime für Bruno und Co.

Dass auch die Orangs, nach Schimpansen und Gorillas, nun eine neue und wahrhaft beeindruckende Heimat in Hellabrunn gefunden haben, wäre eigentlich ein Grund zum Feiern. Aber ganz so einfach geht das nicht.

Zwar soll die neue Anlage am heutigen Mittwoch offiziell eröffnet werden, doch ein so großer Festakt mit unzählig vielen geladenen Gästen wie einst beim Urwaldhaus 2001 wird es nicht werden.

Die Geschichte dieses Umbaus der ehemaligen alten Gorilla-Anlage, vielmehr seiner Finanzierung, reicht weit zurück. Jahrelang hatte sich der Zustand des 1935 erbauten und denkmalgeschützten Gebäudes immer mehr verschlechtert, eine Totalsanierung wurde unumgänglich.

Zudem sollten die Tiere artgerechter gehalten und die Arbeitsbedingungen für die Pfleger verbessert werden. Ohne Hilfe von außen schien der Umbau jedoch nicht zu finanzieren zu sein. Bereits vor drei Jahren hatte sich die Stadtsparkasse, deren Vorstandsvorsitzender Harald Strötgen im Aufsichtsrat des Zoos sitzt, Gedanken über eine Stiftung gemacht, die dem Umbau der Menschenaffenanlage zugute kommen sollte.

Damals war von einer Summe in Höhe von 500000 Euro die Rede. Doch schnell wurde klar, dass dieses Geld dafür nicht ausreichen würde. Bereits 2005 schätzte der einstige kaufmännische Vorstand Hellabrunns, Hans-Johann Färber, im Gespräch mit der SZ die Baukosten auf rund fünf Millionen Euro. Geld, das nun im Laufe der nächsten fünf Jahre von der Stadtsparkasse in den Zoo fließen soll.

Erst jetzt konnte der partnerschaftliche Vertrag der beiden städtischen Institutionen unterzeichnet werden - weil nach Informationen der SZ zuvor eine entsprechende Vereinbarung mit dem Finanzamt getroffen werden musste. Dabei ging es offenbar vor allem darum, den Vorwurf der verdeckten Gewinnausschüttung zu vermeiden.

Konkret bedeutet das: Die Gegenleistung des Zoos für das Sponsoring muss der Höhe der bereitgestellten Summe entsprechen. Verhandlungen, die sich wohl in die Länge zogen. Wie wäre es sonst zu erklären, dass Zoobesucher bereits seit knapp einem Jahr die Orang-Utans in ihrem neuen Zuhause bewundern können, die offizielle Eröffnung aber erst heute stattfindet?

Partytime für Bruno und Co.

Im Aufsichtsrat des Zoos, im Tierpark, bei der Stadt und auch bei der Stadtsparkasse wurde über den Umbau und seine Finanzierung über mehr als zwei Jahre strengstes Stillschweigen vereinbart. Bis Dienstag waren von allen Seiten dazu keine Stellungnahmen zu erhalten. Würde man sich dazu äußern, so hieß es hinter vorgehaltener Hand, sei das Projekt massiv gefährdet.

In der Zwischenzeit scheint nun die Sache mit den Gegenleistungen Hellabrunns für das Sponsoring der Bank geklärt zu sein. Denn seit kurzem taucht die Stadtsparkasse an gleich mehreren Stellen im Zusammenhang mit dem Zoo auf: auf Tafeln, im Geschäftsbericht oder auch im neuen Tierparkführer. Warum die Bank jedoch auf einen werbewirksamen großen Festakt verzichtet, war nicht zu erfahren.

Für die Orangs indes scheint nur eines wichtig zu sein: Sich endlich ausgiebig bewegen zu können. Über Schaukeln zu turnen, sich an Seilen zu den Schlafnestern zu schwingen und sich dabei als Könige der Lüfte zu fühlen. Auch bei den Mandrills und Krallenaffen herrscht inzwischen rege Betriebsamkeit.

Im Zuge der Sanierung wurden ihre Gehege ebenfalls umgestaltet. Und Bruno? Er wird sich bald an die neue Freiheit gewöhnt haben und sich an seine Furcht vor so viel ungewohntem Grün nicht mehr erinnern.

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